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Das Attentat von Sarajewo

Matthias von Hellfeld

Das Attentat von serbischen Extremisten auf das österreichische Thronfolgerpaar löst am 28. Juni 1914 die so genannte "Julikrise" in Europa aus. Einen Monat später beginnt der Erste Weltkrieg.

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Anschlag auf das Thronfolgerpaar am 28. Juni 1914/Raimo Bergt.
Anschlag auf das ThronfolgerpaarBild: AP
Deutschland Kaiser Wilhelm II. mit seinem Sohn Kronprinz Wilhelm
Kaiser Wilhelm II. und sein erster Sohn Kronprinz Wilhelm im Jahr 1887Bild: picture-alliance / dpa

Erzherzog Franz-Ferdinand (1863 – 1914) und seine Frau Sophie (1868 – 1914) waren gerade von einem Besuch beim deutschen Kaiser Wilhelm II. (1859 – 1941) in Sarajevo angekommen, um den Abschluss eines Manövers der österreichischen Streitkräfte in Bosnien zu besuchen. Auf dem Weg in die Innenstadt von Sarajevo musste ihre Wagenkolonne relativ langsam fahren, was dem Vorhaben der auf sie lauernden Attentäter entgegen kam.

Erster Versuch scheitert

Illustration des Attentats auf Franz-Ferdinand und Sophie
Der erste Versuch schlug fehl

Der erste Attentatsversuch schlug wegen einer geistesgegenwärtigen Handbewegung des Thronfolgers fehl. Aus dem Augenwinkel sah er etwas Schwarzes heran fliegen, machte eine schützende Handbewegung, traf die Handgranate und beförderte sie dadurch aus dem Auto heraus. Sie landete vor dem hinterher fahrenden Wagen und verletzte zwei der Insassen. Der Täter versuchte sich mit Zyankali zu töten. Das Gift aber verfehlte seine Wirkung und führte lediglich zu starkem Erbrechen. Von umstehenden Passanten wurde er festgehalten, die Wagenkolonne des Erzherzogs raste derweil in schneller Fahrt zum Rathaus. Dort wurde entschieden, die Fahrt zum Manövergelände auf einer anderen Route fortzusetzen.

Beim zweiten Versuch starb das Paar (Foto: AP)
Beim zweiten Versuch starb das PaarBild: AP

Kurz nach dem Start zum Manövergelände bemerkte der Fahrer eines der vorausfahrenden Autos, dass die Kolonne einen falschen Weg gewählt hatte. Die Autos mussten bei verlangsamter Fahrt zurücksetzen. In unmittelbarer Nähe hatte ein zweiter Attentäter Position bezogen. Die Gunst dieses Augenblicks nutzend, feuerte er mit einer Pistole zweimal auf Franz – Ferdinand. Er traf ihn an der Halsschlagader, Sophie wurde im Unterleib schwer verletzt. Der Täter schluckte ebenfalls eine Zyankali-Kapsel, die ihre Wirkung jedoch ebenso verfehlte. Während auch der zweite Täter von der aufgebrachten Menge festgehalten wurde, starben Franz-Ferdinand und seine Frau Sophie im Inneren des Wagens an den Folgen ihrer Schussverletzungen.

Die Verhöre der beiden Attentäter ergaben, dass sie Anhänger der "Panslawistischen Bewegung" waren. Diese von Russland unterstützte Organisation trat für einen staatlichen Zusammenschluss aller slawischen Völker ein. Da in der österreichisch - ungarischen Doppelmonarchie – der "k. und k. - Monarchie" – viele Slawen lebten, war der österreichische Thronfolger schon vor einiger Zeit als Opfer eines Anschlags erkoren worden.

Julikrise in Europa

Das Attentat wurde nicht als das behandelt, was es war – nämlich ein Zwischenfall, der das diplomatische Verhältnis zwischen Österreich-Ungarn und Serbien belastete und möglicherweise zu innenpolitischen Auseinandersetzungen mit einigen Minderheiten führen konnte. Als hätten sie nur auf einen solchen Anlass gewartet, drängte das österreichische Militär Kaiser Franz-Joseph I. (1830 – 1916) statt dessen zu einem sofortigen militärischen Vergeltungsschlag gegen Serbien und wurde darin vom deutschen Generalstab unterstützt. Der deutsche Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg (1856 – 1921) sandte ein Schreiben nach Wien, das einem Freibrief für einen Krieg gegen Serbien gleichkam: Seine Majestät, der deutsche Kaiser, stehe "im Einklang mit seinen Bündnispflichten und seiner alten Freundschaft" treu und tapfer an der Seite Österreichs. Trotz dieser Einflüsterung Wilhelms II. wäre aber immer noch genügend Zeit gewesen den europäischen Flächenbrand zu verhindern. Aber die Regierungen entschieden anders.

Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts

Sturmangriff 1915 österreichischer Truppen an der Isonzofront (Italien/Österreich)
Sturmangriff 1915 österreichischer Truppen an der Isonzofront (Italien/Österreich)Bild: dpa

Am 23. Juli 1914 wurde in Belgrad ein auf 48 Stunden befristetes österreichisches Ultimatum hinterlegt, das die Einbeziehung österreichischer Ermittler bei der Verfolgung der Hintermänner des Attentats forderte. Obwohl die serbische Regierung diese und andere Forderungen erfüllte, reichte der Regierung in Wien die Antwort nicht aus. Franz-Joseph I. riet ebenfalls zur Kriegserklärung an Serbien. Nun war die Kette der diplomatischen und militärischen Reaktionen nicht mehr aufzuhalten.

Zar Nikolaus II.
Zar Nikolaus II.Bild: AP

Österreich-Ungarn erklärte am 28. Juli 1914 Serbien den Krieg. Einen Tag später reagierte Russland und machte seine Streitkräfte mobil. Am 31. Juli 1914 stellte das Deutsche Reich ein Ultimatum an Frankreich, es sollte sich im Falle eines Krieges zwischen Deutschland und Russland neutral verhalten. Gleichzeitig wurde Zar Nikolaus II. – ebenfalls mit einem Ultimatum – aufgefordert, die russische Mobilmachung wieder einzustellen. Als dieses Ultimatum verstrich und die russische Regierung den Aufmarsch ihrer Streitkräfte nicht rückgängig machte, drängten die deutschen Militärs zu einer Kriegserklärung an Russland. Am 1. August 1914 unterzeichnet Kaiser Wilhelm II. die Kriegserklärung.

Luftangriff London 1917
Luftangriff London 1917Bild: picture-alliance / akg-images

Mit diesem Tag begann das, was der amerikanische Historiker George F. Kennan (1904 – 2005) als die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" bezeichnet hat: Der Erste Weltkrieg. Wie von Sinnen gaben die politischen Führer Europas im Sommer 1914 relativen Wohlstand, stabile politische Verhältnisse und die kulturelle Hegemonie des Kontinents über weite Teile der Welt auf. Aus einem im Verhältnis zu den Folgen geradezu nichtigen Anlass verwandelten die gekrönten Häupter Europas fast wie in geheimer Absprache den Kontinent in ein Schlachtfeld ungeahnten Ausmaßes. Sie waren benebelt von der Vorstellung, die eigene Macht am Ende des Krieges ausbauen zu können und überhörten die mahnenden Stimmen, die vor ihrem eigenen Untergang warnten.