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Darf der das? Debatte über Sterbehilfe

Annika Zeitler (mit Agenturen)18. Juli 2014

Ausgerechnet der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, würde seine krebskranke Frau im Ernstfall bei der Sterbehilfe unterstützen. Er entfacht damit eine ethische Diskussion.

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Nikolaus Schneider,
Bild: picture-alliance/dpa

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat seiner an Brustkrebs erkrankten Frau Anne zugesichert, sie gegen seine eigene theologische Überzeugung in die Schweiz zu begleiten, sollte sie Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen. Das würde er aus Liebe zu seiner Frau tun. Allerdings werde er auch alles versuchen, sie "für einen anderen Weg zu gewinnen", sagte Schneider.

Die großen Kirchen lehnen aktive Sterbehilfe ab. EKD-Chef Schneider hatte Ende Januar erst gesagt, aus christlicher Sicht sei eine Selbsttötung grundsätzlich abzulehnen. Aber schon 2012 räumte er ein, dass Sterbehilfe bei nahestehenden Personen in engen Grenzen zulässig sein sollte.

Patientenschützer: Schneider spielt Sterbehelfern in die Hände

"Die Eheleute Schneider denken über nichts Verbotenes nach. Der Suizid und dessen Begleitung stehen weder unter Strafe noch unter kirchlichem Bann - aber im Spannungsfeld von Ethik und Liebe", kritisierte der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, die Äußerungen des EKD-Chefs in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Schneider müsse wissen, dass in der Medienwelt seine differenzierte Sicht allein auf die Aussage verkürzt werde, seine krebskranke Frau in die Schweiz zur Sterbehilfe zu begleiten. "Er spielt den Sterbehelfern in die Hände", so Brysch weiter. Öffentlich werde dann kaum noch diskutiert, dass Schneider erklärtermaßen zugleich alles versuchen würde, seine Frau von diesem Vorhaben abzubringen.

Nikolaus Schneider und seine Frau Anne
Nikolaus Schneider: "Für Anne würde auch etwas gegen meine Überzeugung tun"Bild: picture-alliance/dpa

"Wenn Schmerzmittel nicht mehr wirken, dann geht Schmerzfreiheit vor Lebenszeit", sagte Schneider im Interview mit der Zeit. Die Evangelische Kirche und ihr Vorsitzender hatten sich stets gegen Sterbehilfe ausgesprochen. Nicht nur gegen Anbieter, die damit Gewinn machen wollen, sondern gegen jede Form organisierter Selbsttötung. Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten, in der Schweiz ist die organisierte assistierte Sterbehilfe aber erlaubt.

Schneider: "Ich will will die Diskussion."

Dass durch seine Äußerungen die gesellschaftliche Debatte um das Thema neu angestoßen wurde, hat sich laut Schneider so ergeben. "Wir haben ja nicht die Krebserkrankung bestellt, um in die eingreifen zu können. Aber es ist so, dass wir uns an dieser Diskussion durchaus beteiligen wollen." Zugleich betonte Schneider: "Ich will die Position der EKD nicht verändern, aber ich will die Diskussion."

Positive Reaktionen auf Schneiders Haltung zu Sterbehilfe

Bisher habe er aus der Öffentlichkeit verständnisvolle Reaktionen bekommen, auch zustimmende Reaktionen, sagte Nikolaus Schneider im WDR-Hörfunk. Auch der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Wolfgang Huber unterstützte das Ehepaar Schneider. Auch wenn die evangelische Kirche Sterbehilfe grundsätzlich ablehne, gehe es doch zuletzt darum, dass man "das tut, was einem das Gewissen sagt", sagte der Berliner Altbischof in einem Interview mit dem NDR. Die Position der evangelischen Kirche zur Sterbehilfe müsse aber wegen Schneiders Äußerungen nicht infrage gestellt werden, betonte Huber.

Nikolaus Schneider will seiner Frau zuliebe im November als Ratsvorsitzender zurücktreten. Der Wunsch, soviel Zeit wie möglich mit ihr und der Familie zu verbringen, sei mit seinen EKD-Ämtern nicht zu vereinbaren.