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"Es muss leicht klingen"

Astrid Prange22. April 2014

Sechs Romane des Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez übertrug sie ins Deutsche. Im DW-Gespräch erklärt die Übersetzerin Dagmar Ploetz ihre schwierige Suche nach leichten Formulierungen.

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Bild: Kiepenheuer & Witsch

Deutsche Welle: Was ist für Sie als Übersetzerin das besondere Vermächtnis von Gabriel García Márquez?

Dagmar Ploetz: Ich habe ein Vierteljahrhundert mit ihm verbracht. Mit seiner Sprache, seinen Bildern, und seiner Welt. Ich habe mich mit seinen Ansichten auseinandergesetzt. Das hat mich begleitet. Vom Gefühl her ist es so, als ob auch von mir ein Stück abstirbt, obwohl die Literatur und die Übersetzungen bleiben.

Wie war Ihr erster Eindruck, als sie Márquez persönlich kennenlernten?

Ich habe ihn nur ein einziges Mal gesehen, das war bei einem Mittagessen, zu dem ich extra nach Barcelona eingeflogen wurde, weil seine Agentin meinte, ich müsste ihn einfach mal kennenlernen. Die Begegnung liegt erst fünf Jahre zurück. Damals schien er mir sehr freundlich, väterlich und Anteil nehmend.

Hat García Marquez Ihnen Ihre Arbeit leicht gemacht - oder war es schwer, seine blumige Sprache ins Deutsche zu übertragen?

Seine Sprache war voll und farbig. Wenn einem das liegt und man Spaß an der Suche nach den entsprechenden Begriffen hat, dann ist das einfach und macht Freude. Schwierig war es insofern, weil er immer gesagt hat, es muss leicht klingen. Nicht nur die Übersetzung - auch das Original. Er hat selbst sehr lange daran gearbeitet, dass die Sachen einfach wirkten und dasselbe bei der Übersetzung zu erreichen, ist nicht immer ganz leicht.

Können Sie Ihre mühsame Suche nach den leichten Wörtern beschreiben?

Ich gehöre eher zu den intuitiven Übersetzern. Ich warte lange, überlege und probiere immer wieder neue Formulierungen aus.

Wie kann man den magischen Realismus aus Lateinamerika in die deutsche Sprache und Mentalität übertragen? Braucht es dafür zusätzliche, erklärende Einschübe?

Nein, das mache ich nie. Ich mache kein Glossar und keine Fußnoten. Ich bin auf eine wundersame Weise jetzt bestätigt worden, weil mir jemand eine Anekdote von Gárcia Márquez über das Übersetzen und Übersetzer zugeschickt hat - und zwar noch aus der Zeit, bevor ich anfing, ihn zu übersetzen.

Literaturnobelpreisträger Gabriel Gárcia Márquez 2010. (Foto: ddp images/AP Photo/Miguel Tovar)
Gabriel Gárcia MárquezBild: picture-alliance/AP

Sie haben mehrere lateinamerikanische Schriftsteller ins Deutsche übersetzt, auch Isabel Allende. Was war für Sie das Besondere an García Márquez?

Seine Texte wirken leicht, melodiös und eingängig. Doch man merkt ihnen an, dass sehr viel daran gearbeitet worden ist. Und das hat mich angespornt, ebenfalls an meiner Übersetzung zu feilen.

War es García Márquez wichtig, durch die Übersetzungen seiner Romane auch die Leser in Europa für lateinamerikanische Themen und Politik zu interessieren?

Ich glaube, es war ihm nicht so wichtig. Nur in der Erzählung "Doce cuentos peregrinos", die ich übersetzt habe, beschreibt er die Erfahrungen von Lateinamerikanern in Europa und reflektiert generell über dieses Thema. Aber seine Nobelpreisrede [im Jahr 1982, Anm. d. Red.] war ein Tadel an Europa, das Lateinamerika vergessen hat. Auch als Journalist hat er sehr viel dafür getan, dass die Situation in Lateinamerika bekannt wurde.

Kolumbien hat drei Tage lang Staatstrauer dekretiert. Warum genießen Schriftsteller dort so einen hohen Stellenwert?

Márquez hat einfach viel für sein Land getan. Sein Ziel war es, die kulturelle Abhängigkeit der Region von den USA und Europa zu verringern. Er hat zum Beispiel ein kolumbianisches Nachrichtenmagazin - so ähnlich wie der deutsche "Spiegel" - gekauft und wieder in Gang gebracht. Und er hat eine Stiftung für junge Journalisten aus Lateinamerika in Cartagena gegründet. Immer wieder hat er sich in die Politik eingemischt, sogar in die Friedensverhandlungen der kolumbianischen Regierung mit den revolutionären Streitkräften, der FARC-Guerilla. García Márquez hat mit seiner Literatur sehr viel dazu beigetragen, Kolumbien ins Bewusstsein der Welt zu bringen, ohne es explizit zu wollen. Außerdem war der Nobelpreis 1982 für das ganze Land eine enorme Sache. Die Kolumbianer lieben ihn dafür, es bedeutet sehr viel für ihre Identität.

Warum hat er seiner Heimat dennoch den Rücken gekehrt?

Es war eine Liebe aus der Ferne. Garcia Márquez hatte zwar ein Haus in Cartagena und war immer mal wieder zur Arbeit in Bogotá, aber er lebte hauptsächlich in Mexiko. Als Grund dafür hat er angegeben, dass die Kolumbianer ihm zu sehr auf die Pelle rücken, alles von ihm erwarten und glauben, dass er allen Ansprüchen gerecht werden kann. Diesem Anspruch hat er sich verweigert.

Seit 1989 übersetzt Dagmar Ploetz den kolumbianischen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Gabriel Gárcia Márquez. Die 1946 im bayerischen Herrsching geborene Romanistin und Germanistin verbrachte ihre Jugend in Argentinien (1948 bis 1965). Sie übersetzte insgesamt sechs Romane von Gárcia Márquez, darunter "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" und verfasste zudem eine Monographie über ihn. Dagmar Ploetz lebt in München.

Das Interview führte Astrid Prange.