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Healthy Campus

Antje BInder4. Juni 2012

Feiern, Fastfood, wenig Sport. Seit dem letzten Herbst befragen Wissenschaftler der Uni Bonn und der Sporthochschule Köln Studierende zu ihrem Ernährungs- und Bewegungsverhalten. Jetzt gibt es eine erste Auswertung.

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Teenager-Mädchen auf dem Sofa (Foto: Fotolia/ runzelkorn)
Bild: Fotolia/runzelkorn

Über seine Gesundheit hat sich Sascha Schindler bisher kaum Gedanken gemacht. Einmal in der Woche spielt der Geschichtsstudent Fußball, zwei Mal geht er außerdem ins Fitness-Studio. Außerdem kocht er regelmäßig mit seiner WG. "Eine Tiefkühlpizza ist auch manchmal dabei", gibt er zu. Auch, dass er ab und zu raucht, wenn er ausgeht und vielleicht auch mal zu viel trinkt. Ungesund würde sich Sascha Schindler aber nicht beschreiben.

Jeder vierte Student ist "Couch Potato"

Für die Universität Bonn und die Sporthochschule Köln ist der Gesundheitszustand ihrer Studenten jedoch ein Grund zur Beunruhigung. Seit letztem Herbst läuft eine Studie der beiden Hochschulen: Wissenschaftler haben einen Fragebogen entwickelt und 600 Erstsemester zu ihrem Bewegungs- und Ernährungsverhalten befragt. Eine erste Auswertung zeigt: Kölner und Bonner Studenten leben ungesund. Viele Studierende leiden unter gesundheitlichen Problemen an Gelenken, Muskulatur und Knochen. An regelmäßigen Kopf- und Magenschmerzen sowie Übergewicht. Etwa jeder vierte Student sei außerdem ein so genannter "Couch Potato", treibe also in seiner Freizeit so gut wie keinen Sport. Als Hauptgrund nennt die Studie Prüfungsstress und Überbelastung.

"Es hat sich hinsichtlich des Sporttreibens einiges geändert. Früher hatten die Studenten mehr Freizeit. In den Bachelor- und Masterstudiengängen quetschen sich die Studenten ihre Kurse in den Stundenplan und reißen das Pensum ab", sagt Peter Preuß, Leiter des Hochschulsports an der Uni Bonn. Er ist "entsetzt" über die Ergebnisse der Studie. 25 Prozent Sportverweigerer, "das ist schon sehr, sehr viel. Aus meiner Sicht als Sportler."

Sascha Schindler, Student der Universität Bonn (Foto: DW / Antje Binder)
Alles andere als ein Couch Potato: Sascha Schindler, Student der Universität BonnBild: DW

In Deutschland steckt der "Healthy Campus" noch in den Kinderschuhen

Das denken auch die Hochschulleitungen und haben im Nachklang der Befragung eine Initiative gegründet. "Healthy Campus" nennt sie sich und soll Studenten gesünder machen. "Im angloamerikanischen Raum ist der Begriff Healthy Campus sehr weit verbreitet. Da ist das ganze Konstrukt auch deutlich weiter gesponnen. Wir stecken hier noch ein wenig in den Kinderschuhen", sagt Peter Preuß. Auf lange Sicht soll die Initiative den Zugang zu Sportangeboten vereinfachen und das Speisenangebot der Mensen ausgewogener und gesünder machen. Bis es so
weit ist, gibt es Vorträge und Informationsveranstaltungen über Gesundheitsthemen. Dort finden zum Beispiel Gesundheitschecks statt. Studierende können ihren Body Mass Index, ihr Körperfett, Puls und Blutdruck untersuchen lassen. Doch sind die Studenten wirklich so ungesund, wie die Studie behauptet? Zumindest geben die wenigsten Studenten zu, ungesund zu leben. Wenn man sich auf dem Campus umhört, dann wird offenbar schon jetzt das Angebot des Hochschulsports gut angenommen. "Ich gehe ins Fitnessstudio und zwei Mal in der Woche joggen", erzählt Romanistik-Studentin Stephanie Stuke, dass Studenten an ihrer Universität ungesund sein sollen kann sie nicht nachvollziehen. "Das Sportangebot von der Uni ist doch sehr umfangreich", sagt sie.

Vor allem Studienstress führt zu ungesundem Verhalten

Marco Merle könnte man als typischen Stress-Studenten bezeichnen. Gerade hat er seine Abschlussarbeit geschrieben. Er macht viel Sport, geht vier Mal die Woche Klettern, drei Mal die Woche Joggen, Fitnessstudio, Triathlon. Zum Ausgleich, sagt Wirtschaftsstudent Marco Merle, der sich gerade am Stand von Healthy Campus hat durchchecken lassen. Es gab keine Überraschung bei dem durchtrainierten Wirtschaftstudenten. Obwohl die Ernährung gerade stressbedingt schlecht ist, wie er zugibt. "In jungen Jahren kann man das relativ gut ausgleichen. Ich muss nicht großartig darauf achten. Ich kann auch Fastfood essen, und das Leistungsniveau nimmt nicht ab."

Fertigprodukte, Tiefkühlgerichte, Imbiss "to go". Es ist nicht der Mangel an Sport, sondern ungesunde Ernährung, die Studenten ungesund macht. "Bei vielen muss es schnell gehen und praktisch sein", sagt Professor Peter Stehle, Ernährungsphysiologe an der Uni Bonn. "Zählen Sie mal, wenn Sie aus der Uni kommen, wie viele Imbisse in der Umgebung sind. Sie werden überrascht sein. Mich wundert es nicht, dass wir wegen des Überangebots zu viel essen." Es gebe außerdem Studien, dass wir verlernen würden zu kochen, erzählt Stehle. Doch gehörte schnelles und ungesundes Essen bei Studenten nicht schon immer zum Lebensstil? Sind Studenten heute tatsächlich ungesünder, wie es die Studie behauptet?

Dr. Peter Preuß, Manuela Preuß, Prof. Dr. Georg Predel von der Initiative Healthy Campus der Universität Bonn (Foto: Universität Bonn, Dieter Hermann)
Die Initiatoren des Healthy Campus in Bonn: Peter und Manuela Preuß und Georg Predel (rechts)Bild: Universität Bonn, Dieter Hermann

Für einen Langzeitvergleich liegen in Deutschland zu wenige Daten vor

"Schwer zu sagen, Daten aus den letzten Jahrzehnten gibt es nicht", sagt Sportwissenschaftler Peter Preuß. Und auch Peter Stehle ist skeptisch. "Es ist schwierig zu vergleichen. Das liegt zum einen daran, dass wir von früher keine Daten haben. Und außerdem haben wir bisher zu wenig ausgefüllte Fragen von den Studenten." Die Studie sei eine Abschätzung und liefere bisher keine verlässlichen Daten. "Es gibt Hinweise, dass es ein ganz generelles Problem ist in der deutschen Bevölkerung", so Stehle. Frage man also in Ausbildungsbetrieben, Berufsschulen, so erhielte man ganz ähnliche Ergebnisse, "im Schnitt sind wir alle etwas zu dick. Der durchschnittliche BMI liegt über dem wünschenswerten Wert, bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen."

Außerdem laufe die Studie erst seit acht Monaten und liefere noch keine verlässlichen Daten, gibt Peter Stehle zu. Doch setzt sie ein wichtiges Signal – Gesundheit darf im Leistungsstress nicht zu kurz kommen. Ein Zeichen, das die Universität Bonn nicht ganz ohne Eigennutz setzt. "Die Uni erhofft sich davon, dass die Studierenden die Universität Bonn auswählen, weil sie attraktiv ist", sagt Peter Preuß. Dass Gesundheit ein Verkaufsargument sein kann, das haben auch Universitäten im Wettbewerb um neue Studenten verstanden.