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Chinesisches Theater

Zhang Danhong26. Januar 2014

Was ist der Sinn des Lebens? Wie definiert man Glück? Mit diesen Fragen hat sich der chinesische Schriftsteller Shen Jiji vor 1200 Jahren beschäftigt. Sie sind auch für ein deutsches Theaterpublikum interessant.

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Szene aus dem Theaterstück "Hirsetraum" (Foto: IMart GmbH)
Bild: IMart GmbH

Auf der Bühne wird Hirse gewaschen und dann in Töpfen auf fünf elektrische Herde gestellt. Dass das Essen das Wichtigste für die Chinesen darstellt, ist kein Gerücht. "Hirse war vor 1200 Jahren die Hauptnahrung für die Chinesen. Später wurde sie vom Reis abgelöst", sagt Regisseur Huang Ying. Er hat das Stück "Hirsetraum" im Januar 2014 im Frankfurter Gallus Theater aufgeführt. "Die alte Esskultur will ich auf der Bühne nochmal lebendig werden lassen. Und das deutsche Publikum soll urteilen, ob ihm das alte China schmeckt."

Träume werden wahr - im Traum

Das Stück spielt im Jahr 820 n. Chr.: Der erfolglose Gelehrte Lu trifft in einem Gasthaus auf einen taoistischen Meister, der ihm ein magisches Kissen schenkt. Während das Wasser in den Reiskochern zu brodeln anfängt, schläft Lu auf dem Kopfkissen ein. All seine Träume aus der Wirklichkeit werden im Traum wahr: Er heiratet eine schöne Frau, belegt den ersten Platz bei der kaiserlichen Beamtenprüfung und macht Karriere.

Szene aus dem Theaterstück "Hirsetraum" (Foto: IMart GmbH)
Im Traum begegnet Lu seiner TraumfrauBild: IMart GmbH

"Der Schriftsteller Shen Jiji hat diese zwei Zeiten - die Zeit zur Zubereitung einer Mahlzeit und die eines ganzen Lebens - in Kontrast gestellt und das Glück zu definieren versucht. Im Traum hat sich Lu für ein Karriereleben entschieden", sagt Regisseur Huang der DW.

Verblasster Glanz

Auf der Bühne kocht inzwischen die Hirse, der Duft breitet sich im Gallus Theater aus. Lu erlebt den Höhepunkt seiner Karriere. In festlichem Gewand wird er zum Kanzler ernannt. Doch schnell verblasst der Glanz. Er fällt in Ungnade und wird in die Peripherie verbannt. Vereinsamt und den nahenden Tod spürend sehnt sich der Protagonist nur nach einem: einer Hirsemahlzeit. Nun ist es dunkel auf der Bühne, der Boden wird blau angestrahlt, der alte Lu starrt die Fische in einem Aquarium an.

Szene aus dem Theaterstück "Hirsetraum" (Foto: IMart GmbH)
Vereinsamt und verzweifeltBild: IMart GmbH

Oft werde er gefragt, was das Aquarium bedeutet, sagt Huang, der in China einer der erfolgreichsten Theaterregisseure ist. "Wasser bringt ein fließendes Gefühl auf die Bühne, ist ein beliebtes Element der chinesischen Ästhetik. Fische im Aquarium spiegeln das Dilemma der Menschheit wider", philosophiert er. Diese Fische beneideten ihre Artgenossen im weiten Meer um ihre grenzenlose Freiheit, die Fische draußen wiederum sehnten sich wahrscheinlich nach dem unbekümmerten Leben im Aquarium.

Lu ist auf der Bühne inzwischen aufgewacht. Als er merkt, dass alles nur ein Traum war, macht er einen Freudensprung und verbeugt sich vor dem taoistischen Meister. Gierig macht er sich über die gerade gar gewordene Hirse her.

Szene aus dem Theaterstück "Hirsetraum" (Foto: IMart GmbH)
Die Hirse schmeckt überraschend gutBild: IMart GmbH

Auch das Publikum ist anschließend zum Hirse-Essen eingeladen. Wie hat ihm das alte China gefallen? "Es war wunderschön, vor allem die starken Bilder waren sehr beeindruckend. Am liebsten würde ich es noch mal sehen", sagt etwa Basha Rang. Aljoscha Crema findet die Musik und das Bühnenbild "hervorragend". Für ihn besteht die Moral der Geschichte darin, "dass Ruhm und Reichtum nicht alles ist, dass man auch mit einem bescheidenen Leben glücklich sein kann".

Von Bertolt Brecht beeinflusst

"Mit dem Streben nach Glück ist es so eine Sache", sagt Huang. "Was Du jetzt erreichen willst, ist nicht unbedingt das, was Dich später glücklich macht." Deswegen lerne er aus der Geschichte: Genieße das Leben, genieße den Moment. Dass so eine uralte Geschichte so viel Interpretationsspielraum für das moderne Publikum biete, sei das Faszinierende für ihn an der chinesischen Kultur, so der Regisseur. Aber auch das deutsche Theater habe ihn beeinflusst, vor allem Bertolt Brecht.

Regisseur Huang Ying (Foto: DW)
Regisseur Huang Ying freut sich über den lang anhaltenden ApplausBild: DW/Zhang Danhong

"Bevor ich nach China zurückkehre, mache ich noch einen Abstecher nach Berlin, um endlich Brecht-Theater in seiner Heimat zu sehen", erzählt Huang voller Vorfreude. Er werde so viel wie möglich deutsches Theater verschlingen, um es in China langsam zu verdauen. "Dann vermische ich es mit der chinesischen Kultur. Vielleicht kommt ja was ganz Tolles dabei raus."