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China und die Eurokrise

Zhang Danhong12. Januar 2013

Europa ist der wichtigste Handelspartner Chinas. Ein Viertel der Währungsreserven Pekings sind in Euro-Anleihen investiert. Grund genug für China, der Eurozone zu helfen, dachten die Europäer.

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Ein Euroschein steckt mit zwei chinesischen Stäbchen in einer Wiese (Foto: dpa)
China hat Interesse an EuropaBild: picture-alliance/dpa

Vor knapp tausend Jahren begab sich der deutsche König Heinrich IV. auf den Weg nach Italien, um Papst Gregor VII. zu bitten, ihn vom Kirchenbann zu befreien. Nicht nur der Weg zur Burg Canossa, wo sich der Papst aufhielt, war beschwerlich. Vor der Burg harrte König Heinrich noch mehrere Tage im Büßerhemd aus. Der Gang nach Canossa ist seitdem das Synonym für einen erniedrigenden Bittgang.

Als einen solchen Gang bezeichnet der britische Finanzexperte David Marsh die China-Reise des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy im Oktober 2011, denn auch er trat in Peking als Bittsteller auf: "Das war absolut beschämend. China ist nach wie vor ein armes Land. Obwohl das Land über eine Menge Währungsreserven verfügt, hat China pro Kopf nur ein Zehntel des Wohlstands von Frankreich", sagt Marsh gegenüber der DW.

David Marsh, Chairman of Official Monetary and Financial Institutions Forum (Foto: DW)
Hoffen auf China hält David Marsh für unrealistischBild: DW/Z. Danhong

China kann Europa nicht retten

Sarkozy hatte es tatsächlich auf die gigantischen Devisenreserven Pekings abgesehen, die weit über drei Billionen Dollar betragen. Zudem wächst das Land in einem atemberaubenden Tempo. Im vergangenen Jahr hat die chinesische Wirtschaftsleistung um 1,3 Billionen Dollar zugelegt. "Das ist so, als schüfe man alle 12,5 Wochen ein weiteres Griechenland oder nahezu jährlich ein weiteres Spanien", schrieb Gold-Sachs-Ökonom Jim O'Neill im "Handelsblatt".

Dennoch war es naiv zu glauben, dass China die Rolle des Weißen Ritters spielen könnte. Sein Land habe zwar aus diplomatischen Gründen immer wieder Anleihen europäischer Staaten gekauft, sagt Mao Zhenhua, Direktor des Wirtschaftsinstituts der Volksuniversität, aber "manche Länder sind mit großen Risiken behaftet und werden von Investoren gemieden. Es ist doch klar, dass wir uns da auch zurückhalten. Wir sind nicht besser und haben auch nicht mehr Glück als andere", so Mao im Gespräch mit der DW.

Prof. Mao Zhenhua, Gründer der chinesischen Ratingagentur Chengxin (Foto: DW)
"Wir haben nicht mehr Glück als andere", meint Mao ZhenhuaBild: DW/Z.Danhong

Enttäuschung auf beiden Seiten

Während Europa zerknrischt war, dass sich die Chinesen doch nicht massiv mit spanischen und italienischen Anleihen eingedeckt hatten, zeigte sich die Pekinger Regierung enttäuscht darüber, dass die Währungsunion das Schuldenproblem nicht in den Griff bekommt.

Der Grund für das zögerliche Krisenmanagement ist für den Wirtschaftswissenschaftler Mao Zhenhua der Konstruktionsfehler des Euro: Die Fiskalpolitik und die Geldpolitik sind voneinander getrennt. Bei jeder kleinen Krise müsste sich ein Mitgliedsstaat an die Europäische Zentralbank wenden. Das brauche Zeit und die Zustimmung von anderen. "Deswegen wäre es gut, wenn die Reformen in Richtung eines Staatenbundes gehen, in dem die Fiskalpolitik koordiniert und höhere Transfers geleistet werden."

Doch davon ist Europa meilenweit entfernt. Vom Reformeifer im Sommer, als der Euro zu zerbrechen schien, war auf dem EU-Gipfel Mitte Dezember nichts mehr zu spüren.

China wünscht sich einen starken Euro

Das bedeutet, dass die Eurozone weiterhin mit Schocks und Schwankungen leben müsse, unter denen China bereits sehr gelitten hat: "Die Eurozone war ein großer Markt für chinesische Produkte und eine wichtige Quelle der Direktinvestitionen in China. Beides läuft nicht mehr so gut wie früher. Zudem sinken die Renditen der Investitionen in europäische Staatsanleihen", sagt Mao Zhenhua.

Doch nicht nur aus diesen Gründen wünschen sich die Chinesen einen stabilen Euroraum. Sie wollen einen starken Euro als Balance zum Dollar. Denn ein alles dominierender Dollar sei nicht gerecht, meint der renommierte Wissenschaftler aus Peking: "Aus chinesischer Sicht ist eine stabile Eurozone unerlässlich für eine stabile Weltwirtschaft. Das hält die Ausbeutung durch den Dollar in Grenzen." Auch bei den Währungsreserven biete der Euro eine Alternative zum Dollar. So könne China die Risiken diversifizieren und sein Vermögen sichern.

Symbol Wechselkurs, Dollarkurs, Eurokurs
Der Euro darf nicht ins Bodenlose fallen...Bild: ullstein bild - Klein

Warnung vor einem Grexit

Wie die meisten seiner chinesischen Kollegen spricht sich Mao gegen einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion aus: "Das wäre ein sehr gefährlicher Schritt. Denn wer würde Griechenland folgen? Wie schließt man sie aus? Das ist alles nicht geklärt." Deswegen sei für ihn eine verkleinerte Eurozone dasselbe wie ein Auseinanderbrechen der Währungsunion.

Solange die Zukunft der Gemeinschaftswährung ungewiss bleibt, wird sich Chinas Unterstützung also weiterhin auf die verbale oder indirekte Ebene durch den Internationalen Währungsfonds beschränken. Ein weiterer Gang nach Canossa würde daran nichts ändern. Für den deutschen König hatte sich die Mühe damals durchaus gelohnt: Sein Kirchenbann wurde vom Papst aufgehoben.