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China gefährdet Südchinesisches Meer

Gabriel Dominguez | Rodion Ebbighausen17. April 2015

Die Philippinen beschuldigen China, 120 Hektar Korallenriffe nahe der umstrittenen Spratly Inseln zerstört zu haben. Die Deutsche Welle spricht mit dem Experten David Rosenberg über die ökologischen Folgen.

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China Expansionspolitik in Südchinesischem Meer
Bild: CSIS Asia Maritime Transparency Initiative/DigitalGlobe

Das philippinische Außenministerium sagte am Montag (13.04.2015), dass "Chinas massive Landgewinnungsaktivitäten dem ökologischen Gleichgewicht und der Artenvielfalt im Südchinesischen Meer großen und irreversiblen Schaden zufügen." Die philippinische Regierung spricht außerdem von einem wirtschaftlichen Schaden von bis zu 100 Millionen US-Dollar jährlich.

Hua Chunying, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, erklärte dagege: "Die Projekte der chinesischen Regierung auf den (südchinesischen) Inselgruppen wurden wissenschaftlich bewertet und sorgfältig evaluiert. Wir halten strikt an den Umweltstandards fest und berücksichtigen in vollem Umfang das ökologische Umfeld und die Fischerei. Es wird nicht zu Umweltzerstörungen kommen."

Im Interview erklärt David Rosenberg, Professor an der Australischen National-Universität, welche Folgen die chinesischen Anstrengungen für die Umwelt haben können.

Australien David Rosenberg
David RosenbergBild: Middlebury College

Deutsche Welle: Welchen Einfluss haben die chinesischen Landgewinnungsaktivitäten auf die Umwelt im Südchinesischen Meer?

David Rosenberg: Die gegenwärtigen Bautätigkeiten von China und Taiwan auf den Spratly Inseln dienen in erster Linie militärischen Zwecken. Itu Aba, Gaven Reef, Johnson South Reef und Fiery Cross Reef sind im vergangenen Jahr erheblich ausgebaut worden.

Alle diese Inseln und Riffen sind sehr klein. Itu Aba, die größte Insel der Spratlys, hat gerade mal eine Fläche von einem halben Quadratkilometer. Die Insel wird zurzeit von Taiwan kontrolliert. Der Hafen wird ausgebaut, um Fregatten und Schiffen der Küstenwache das Andocken zu ermöglichen. Außerdem wird das 1200 Meter lange Flugfeld ausgebaut.

Kurzfristig ist der Schaden Umwelt immens. Die lokalen Ökosysteme werden durch den Abbau von Sand und Korallen sowie das Aufschütten von Beton zerstört. Die langfristigen Folgen sind noch nicht abzusehen.

Welchen finanziellen Schaden kann die Zerstörung der Korallenriffe haben?

Es ist nicht einfach, das zu beziffern. Allerdings könnten die Folgen katastrophal sein. Korallenriffe bilden das Fundament der maritimen Nahrungskette. Sie stellen den Lebensraum für tausende Fischarten dar, unter ihnen einige der weltweit wertvollsten Bestände von Thunfisch und Schrimps.

Das sogenannte Korallendreieck aus Südchinesischem Meer, der Sulusee und der Sulawesisee sowie die angrenzenden Meere gelten unter Fachleuten als weltweites Zentrum der maritimen Artenvielfalt. Darüber hinaus hat die Region eine erhebliche Bedeutung für die Wissenschaft, wenn es um das Verständnis der Evolution und des Lebens auf der Erde geht.

Welche anderen Auswirkungen haben die Projekte auf die Region?

Die Bauaktivitäten Chinas müssen als Reaktion auf die häufigste Konfliktquelle im südchinesischen Meer verstanden werden: Fischer, die um stetig schwindenden Fischbestände konkurrieren. Lebensstandard und Bevölkerungszahl der Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Und damit auch die Nachfrage bzw. der Konsum von Fisch.

Das hat zu einer massiven Überfischung geführt. Bereits 1970 gingen die Bestände zurück. Seit 1980 sogar dramatisch, denn seitdem kamen immer häufiger Schleppnetze zum Einsatz.

Die Überfischung wird nicht nur anhand der stetig zurückgehenden Fangmengen, sondern auch an den immer kleiner werdenden Fischen deutlich. Außerdem gehen die Händler gezwungenermaßen dazu über, statt hochpreisigen, großen Fischen wie Thunfisch, Zackenbarsch oder Schnapper kleinere, weniger teure Fische wie Sardinen, Heringe und Makrelen anzubieten.

Der unkontrollierte Fischfang bzw. der Fischfang in umstrittenen Gewässern sind in der Region weit verbreitet. Das könnte im schlimmsten Fall zu einem unumkehrbaren Schaden führen, der zum Kollaps der regionalen Fischerei führen würde, wie es ihn 1990 etwa im Nordatlantik bei der Kabeljau-Fischerei gegeben hat.

Welche Position hat in diesem Streit China?

Pekings offizielle Position bei der UN ist: "China hat unbestrittene Souveränitätsrechte über die Inseln im Südchinesischen Meer und dem umliegenden Gewässern, es genießt souveräne Rechte und die Rechtshoheit über das Meer wie über den Meeresboden.

Präsident Xi Jinpings Strategie im Südchinesischen Meer: Durch ein immer offensiveres Auftreten mehr und mehr die Kontrolle über die Inselgruppen innerhalb der so genannten Neun-Punkte-Linie zu gewinnen. China will so seine aus seiner Sicht historische Rechte verteidigen im Blick auf die Fischerei, die Schiffahrtsrouten sowie Öl- und Gasreserven verteidigen.

In diesem Zusammenhang hat China seine Seeflotte aufgerüstet und militärische Basen auf mehreren Riffen in den Spratlys eingerichtet. China zögert nicht, seine Fischer durch bewaffnete Schiffe vor Verhaftung anderer Nationen zu schützen.

Die Volksrepublik hat im Januar 2014 auch neue Richtlinien zum Fischfang erlassen, nach denen alle ausländischen Fischer eine Erlaubnis von chinesischer Seite benötigen, wenn sie innerhalb eines sehr großen Gebietes in der Region fischen wollen. Teile des Gebiets werden auch von Vietnam und den Philippinen beansprucht.

Welche Möglichkeiten gibt es, um den Schaden für die Umwelt zu minimieren bzw. die Verursacher zur Verantwortung zu ziehen?

Erstens ist es wichtig, die chinesischen Bauvorhaben genau zu beobachten.

Zweitens kommt es darauf an, China in die multilateralen Anstrengungen zum Umweltschutz und Ressourcenmanagement in der Region einzubinden. Erst kürzlich, auf dem Boao Forum für Asien 2015, hat die Volksrepublik China offiziell das Jahr der maritimen Kooperation mit dem Verbande südostasiatischer Nationen (ASEAN) ausgerufen. Regionale Diplomaten und politische Führer sollten diese Angebote aufgreifen.

Drittens sollten Beispiele erfolgreichen Ressourcenmanagements wie im Golf von Tonking mehr Beachtung finden. In dem Abkommen haben sich Vietnam und China auf Regeln geeinigt, wann und unter welchen Umständen Fischer der jeweils anderen Nation in der exklusiven Wirtschaftszone des eigenen Landes fischen dürfen. So ist ein gemeinsames Management der Fischbestände entstanden.

Ökosysteme halten sich natürlich nicht an politischen Grenzen und solange es keine gemeinsame Politik gibt, wird es keine nachhaltige Fischerei geben.

David Rosenberg ist emeritierter Professor an der Australischen National Universität (ANU). Er hat unter anderem über Umweltpolitik im asiatisch-pazifischen Raum geforscht.