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Chemiewaffen-Deal: Zu früh gefreut?

Klaus Jansen14. September 2013

Politisch haben sich die USA und Russland geeinigt, wie Syrien mit seinen Chemiewaffen umzugehen hat. Wie das praktisch und vertraglich durchzusetzen ist, steht auf einem anderen Blatt. Viele Fragen bleiben offen.

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John Kerry und Sergej Lawrow (Foto: afp)
Bild: Philippe Desmazes/AFP/Getty Images

Eigentlich sieht der Deal zwischen den Außenministern John Kerry und Sergej Lawrow klar umrissen aus. Sie verkündeten am Samstag (14.09.2013) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Genf, Syrien solle innerhalb einer Woche eine Liste seiner Chemiewaffen an die UN überreichen. Internationale Inspektoren sollten dann schnellstmöglich Zutritt zu den angegebenen Depots bekommen, spätestens ab Mitte November müssten Inspektoren der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) den Abtransport der Waffen vorbereiten. Bis Mitte 2014 sollten die C-Waffen außer Landes gebracht werden, damit sie dort zerstört werden können.

Gefährlicher Abtransport

Bei der Umsetzung dieser Einigung sieht Michael Brzoska vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg aber Probleme. Der Rüstungsexperte bedauert, dass die beiden Außenminister nichts zu einer Waffenruhe gesagt haben. "Der Transport von Chemiewaffen ist ohnehin schon hochproblematisch." Bei einem Autounfall könnten die Stoffe zum Beispiel leicht entweichen. "Wenn der Transport dann noch unter Kampfbedingungen stattfindet, ist das sehr riskant." Der Chemiewaffen-Experte Oliver Meier ist generell dagegen, die Chemiewaffen weit zu transportieren. "Eigentlich sollte man zentrale Lagerstätten im Land selbst bauen. Der Transport außer Landes ist mit hohen Risiken verbunden", so der Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

DW-Grafik: Syriens Drohpotential
Wo lagert Syrien seine Chemiewaffen? Der Bericht dazu soll in einer Woche vorliegen.

Syrien soll etwa 1000 Tonnen solcher Waffen haben, davon sind Russland und die USA überzeugt. Sicherheitsexperte Brzoska glaubt, dass die Regierung in Damaskus in der Lage ist, wie gefordert innerhalb einer Woche eine Übersicht über ihre Bestände zu liefern. Zumindest dann, wenn zunächst nur die Chemiewaffen angegeben werden, und nicht - wie sonst üblich - auch eine lange Reihe von Chemikalien, mit denen man die Waffen herstellen könnte. "Aber was ist, wenn Syrien erklärt: Wir haben ein Lager, das von den Rebellen überrannt wurde, und wir wissen nicht, was mit den Chemiewaffen dort passiert ist? Was macht man dann?" Die Oppositionskräfte der Freien Syrischen Armee lehnen die russisch-amerikanische Initiative ab, sie wollen nach wie vor nicht mit Assad verhandeln. Fraglich also, wie hier die Zusammenarbeit funktionieren und die Sicherheit der Inspektoren gewährleistet werden soll.

Mögliche Vertragsfehler

Der diplomatische Vorstoß Russlands und der USA war in dieser Form möglich geworden, weil Syrien den Vereinten Nationen einen Beitrittsantrag zur Chemiewaffen-Konvention zugeschickt hat. Das Land erklärt sich damit bereit, chemische Kampfstoffe weder zu verwenden noch zu produzieren, zu lagern oder weiterzugeben.

Aber auch hier lauern Fallstricke, meint Michael Brzoska. Syriens Machthaber Baschar al-Assad hatte verkündet, er sei nur zur Zusammenarbeit bereit, wenn die USA auf Militärschläge verzichten. "Wenn das auch in den syrischen Ratifizierungsunterlagen steht, dann geht das nicht. Man darf nach der Chemiewaffenkonvention keine Einschränkungen machen, die gegen die Substanz des Vertrages gehen." Die OPCW prüft in den kommenden Tagen, ob der Antrag Syriens formal korrekt ist. Wenn dort unzulässige Bedingungen gestellt werden, würde das den bisherigen Verhandlungserfolg zurückwerfen. Da US-Präsident Barack Obama seine militärische Drohung gegen Syrien - auch außerhalb einer UN-Resolution - aufrechterhält, bleibt ohnehin abzuwarten, ob Assad seine Beitrittserklärung nicht noch zurückzieht.

Russische Chemiewaffen-Vernichtungs-Anlage (Foto: dpa)
Das Giftgas könnte zu dieser Vernichtungs-Anlage in Russland gebracht werdenBild: picture-alliance/dpa

Politik gegen Statuten

Eigentlich wäre es die alleinige Aufgabe der OPCW - die im Auftrag der Vereinten Nationen handelt -, sich um den Beitritt Syriens zur Chemiewaffenkonvention zu kümmern. Doch der Fall Syrien ist ein "faktischer Sonderfall", meint Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Hier sind bereits Chemiewaffen eingesetzt worden. Das ist in dieser Form schon einzigartig." Deshalb sieht es jetzt so aus, dass gängige Statuten beim Beitritt zur Konvention auf politischem Wege außer Kraft gesetzt werden.

Michael Brzoska, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg (Foto: privat)
Michael Brzoska hofft auf eine baldige FriedenskonferenzBild: privat

"Der Sicherheitsrat nimmt sich solche Rechte. Er kann über das hinausgehen, was der Vertrag vorsieht; das ist einfach so", sagt Michael Brzoska vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Auch die französische Regierung betont, dass der Fall nicht der OPCW allein überlassen werden dürfe. Jetzt brauche man eine bindende Resolution des UN-Sicherheitsrates. Russlands Außenminister Lawrow kündigte am Samstag an, dass jetzt noch etliche Einzelheiten geklärt werden müssen. Für Michael Brzoska ist der erste Schritt zumindest getan, jetzt müsse man aber dringend nachlegen. "Jetzt muss es möglichst schnell eine Friedenskonferenz mit allen Kriegsbeteiligten geben. Denn mit den Chemiewaffen allein ist das Problem nicht gelöst."