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Malikis Machtbasis schwindet

Andreas Gorzewski11. August 2014

Unbeirrt vom innen- und außenpolitischen Druck klammert sich Iraks Premier Al-Maliki an die Macht. Doch nun wendet sich das Blatt im irakischen Parlament gegen ihn. Er will aber nicht aufgeben.

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Nuri al-Maliki im Jahr 2011 (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Iraks Premierminister Nuri al-Maliki verliert offenbar endgültig die Macht. Immer mehr Verbündete wenden sich von dem seit acht Jahren amtierenden Regierungschef ab. Die Irakische Nationale Allianz, die mit Al-Malikis Partei verbündet war, kündigte am Montag (11.08.2014) einen eigenen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs an. Der Schiit Haider Al-Abadi soll anstelle seines Parteifreundes Al-Maliki ein Kabinett zusammenstellen.

Vorausgegangen war eine Klage von Al-Maliki vor dem höchsten Gericht gegen Staatspräsident Fuad Massum. Dieser hatte sich geweigert, Al-Maliki mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Laut Verfassung hätte ein Vertreter des größten Parteienblocks bis zum vergangenen Wochenende das Mandat dafür erhalten müssen. Stattdessen beauftragte Präsident Massum nun überraschend Al-Abadi und konterte so den Vorwurf, er habe gegen die Verfassung verstoßen. Al-Maliki ließ als Reaktion loyale Truppen an zentralen Orten in der Hauptstadt Bagdad aufmarschieren. Trotzig verkündete er, eine dritte Amtszeit anzustreben. Weder die Bedrohung durch die sunnitische Terrororganisation "Islamischer Staat" noch wachsender Widerstand in den eigenen schiitischen Reihen oder Mahnungen aus den USA und dem Iran hatten ihn zum Einlenken gebracht. Doch seine Zeit scheint nun abzulaufen.

Haider al-Abadi im Juli 2014 (Foto: EPA)
Haider al-Abadi soll eine Mehrheit im Parlament suchenBild: picture-alliance/dpa

Seit den Parlamentswahlen im vergangenen April ringen die Parteien um die Regierungsbildung. Al-Maliki gewann mit seinem Parteienblock zwar die meisten Sitze. Für eine absolute Mehrheit fehlten ihm jedoch weitere Koalitionspartner. Der Schiit, der zuletzt auch das Innen- und Verteidigungsministerium kontrollierte, herrschte in den vergangenen Jahren zunehmend autoritär. Vor allem die Sunniten fühlten sich von seiner Politik ausgegrenzt. Die religiösen Spannungen halfen dem "Islamischen Staat", viele Sunniten im Kampf gegen die Regierung in Bagdad auf ihre Seite zu ziehen. Nun soll Al-Abadi einen Anlauf machen, in der politischen Dauerkrise eine stabile Regierung unter Beteiligung möglichst aller Gruppen zu bilden. Der Ingenieur hat einen Doktortitel der Universität Manchester und war Sprecher des Islamischen Dawa-Partei. Er erklärte sich bereit, binnen 30 Tagen eine neue Regierung zu bilden.

Indirekte Rücktrittsforderung von Groß-Ayatollah Sistani

Innerhalb des schiitischen Lagers war der Rückhalt für Al-Maliki schon seit Langem gesunken. So hatte der sehr einflussreiche Groß-Ayatollah Ali Sistani die Politiker aufgerufen, sich nicht an ihre Posten zu klammern. Al-Maliki hatte auf die indirekte Rücktrittsforderung empört reagiert. Doch auch andere Gruppen aus Al-Malikis Parteienblock rückten von dem Regierungschef ab. Die US-Regierung, die Al-Maliki noch 2006 mit zur Macht verholfen hatte, ging deutlich auf Distanz. Im Streit zwischen Al-Maliki und Präsident Massum hat sich Washington klar auf die Seite des Staatschefs gestellt und die Nominierung von Al-Abadi als "Meilenstein" bezeichnet. Doch der irakische Präsident hat eher eine repräsentative Funktion, keine Macht.

"Al-Maliki kann das nicht überstehen", meint Aymenn Jawad Al-Tamimi, Analyst der Denkfabrik Middle East Forum. Es gebe zwei Gründe, warum sich der bisherige Premier an die Macht klammere. Erstens habe er damit sehr viel Geld verdient. "Außerdem will er nicht als derjenige in die Geschichte eingehen, der das Land auseinanderfallen ließ", sagt Al-Tamimi im DW-Gespräch. Das Problem von Al-Maliki sei, dass sein Parteienblock nicht mehr zu ihm stehe. "Ich denke, er hat nicht mehr genug Anhänger, um für eine dritte Amtszeit anzutreten", sagt der Nahost-Experte.

USA halten sich offenbar zurück

Es ist unklar, wie stark der Einfluss der USA auf die Entwicklung im Irak ist. Die US-Regierung tritt nach Einschätzung von Julien Barnes-Dacey von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations eher bedächtig auf. Sie wollten nicht den Fehler wiederholen, den sie in Syrien gemacht hätten. "Sie wollen nicht direkt einen Absetzung Al-Malikis fordern, ohne die Möglichkeiten zu haben, dies auch durchzusetzen", sagt er. Ihre Rückendeckung für den weitgehend machtlosen Präsidenten Massum sei nicht auf das Staatsoberhaupt als Person bezogen. Sie wollten damit vielmehr einen politischen Prozess fördern, der auf eine Ablösung Al-Malikis hinauslaufe.

Nach Ansicht von Al-Tamimi profitiert der Irak, wenn Al-Maliki von der Macht verdrängt würde. "Es ist besser, dass er geht, weil er als Person zu sehr polarisiert hat", erläutert der Forscher des Middle East Forum. Um den "Islamischen Staat" zurückzudrängen, seien lokale Bündnisse mit Sunniten nötig. Das sei mit Al-Maliki nicht mehr möglich gewesen. "Er spaltet zu sehr, er ist zu autoritär und zu paranoid." Solange der zweimalige Premier noch an der Macht bleibe, werde es keine Weiterentwicklung geben.

US-Außenminister Kerry (l.) und Iraks Premier al-Maliki im Juni 2014 (Foto: Reuters)
US-Außenminister Kerry (l.) hatte sich deutlich von Al-Maliki distanziertBild: REUTERS

Für den Irak sei nun das Wichtigste, dass sich der gesamte schiitische Block hinter einen Kandidaten stelle, der auch bei den Kurden akzeptabel sei. "Ich denke, Haider Al-Abadi passt in dieses Profil", sagt Al-Tamimi. Der Schiit habe gute Aussichten, Al-Maliki zu beerben. Ob dieser sich kampflos aus dem Amt drängen lässt, ist zweifelhaft. Er werde jedes Machtmittel einsetzen, das er zur Verfügung hat, ist Al-Tamimi überzeugt. Dazu zählten neben seinem Einfluss auf das höchste Gericht auch die Einheiten des Verteidigungs- und Innenministeriums. "Am Ende wird es jedoch nicht reichen, es sind einfach zu viele gegen ihn."