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Polit-Poker

Bernd Gräßler2. Februar 2009

Der Pachtvertrag mit den USA von 1903 gilt auf ewig. Völkerrechtler empfehlen, ihn für nichtig erklären zu lassen. Nur mit öffentlichem Druck und politischen Geschick könne Kuba die Rückgabe Guantanamo erreichen.

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Blick auf die US-Marinebasis Guantanamo-Bay auf Kuba mit Piers unbd Schiffen (Foto: AP)
Seit mehr als 100 Jahren nutzen US-Kriegschiffe den Stützpunkt Guantánamo an Kubas SüdküsteBild: AP

Zuerst lobte Kubas greiser Revolutionsführer Fidel Castro den neuen Mann im Weißen Haus für dessen Absicht, die Beziehungen zu Kuba zu verbessern. Dann folgte ziemlich harsch die Aufforderung: Barack Obama solle nicht nur das Gefangenenlager auf Guantanamo schließen, sondern die Militärbasis auf Kuba endlich räumen. Deren Existenz verletze die elementaren Prinzipien internationalen Rechts schrieb Castro auf der Internetseite "cubadebate.de". Alles andere als die bedingungslose Räumung des 117 Hektar großen Territoriums an der Südküste Kubas wäre ein "Akt des Hochmutes und des Missbrauchs seiner immensen Macht". Mit diesen Worten attackierte der 82-jährige Castro den neuen US-Präsidenten Barack Obama.

Verpachtet auf alle Ewigkeit

Der Pachtvertrag von 1903, in dem Kuba den USA unbefristet die Nutzung eines Teils der Bucht von Guantanamo einräumen, ist seit dem Sieg der Revolutionäre um Fidel Castro und Ernesto "Che" Guevara ein ständiger Zankapfel zwischen Havanna und Washington.

Fidel Castro (Foto: AP)
Fidel Castro: der greise Revolutionär lobt und attackiert ObamaBild: AP

Nach ihrem Sieg im Krieg gegen Spanien hatten sich die USA 1898 zur neuen Schutzmacht Kubas aufgeschwungen und gegen Zahlung eines lächerlichen Pachtzinses Teile der Bucht von Guantanamo als Kohleverladestation und Marinebasis in Besitz genommen, und zwar auf alle Ewigkeit.

Auf ähnliche Weise sicherten sich zu jener Zeit die Amerikaner den Panamakanal, die Briten Hongkong und die Portugiesen Macao. Die Juristen sprechen von "ungleichen Verträgen". Doch was im Rückblick als schreiend ungerecht empfunden wird, ist auch heute noch schwierig zu beenden, sagt Christian Tams, Professor für Völkerrecht an der Universität Glasgow.

Kleine juristische Chance für Havanna

Dem Vertragstext nach scheine Kuba erst einmal nicht im Recht zu sein, denn es habe 1903 und dann noch einmal 1934 ausdrücklich in einem Vertrag eingewilligt, dass Guantanamo als Marinestation ohne zeitliche Befristung von den USA genutzt werden könne, sagt Tams. "Insofern spricht der Vertragstext erst einmal gegen die von Castro geäußerte Sicht." Allerdings biete die Wiener Vertragsrechtskonvention, die das Recht von zwischenstaatlichen Verträgen regelt, eine juristische Chance für Havanna. Indem nämlich die kubanische Revolution als "tiefgreifende Umgestaltung der Vertragsumstände" interpretiert werde.

Kuba könnte vorbringen, dass der Guantanamo-Stützpunkt auf einem Allianzvertrag beruhe. Anfangs des 20. Jahrhunderts seien Kuba und die Vereinigten Staaten eine Militärallianz eingegangen und hätten sich als strategische Partner - wenn auch klein und groß - gesehen. "Diese Grundlage ist weggefallen seit der kubanischen Revolution und seit 50 Jahren, in denen sich Kuba und die Vereinigten Saaten nicht mehr als Partner, sondern als Erzfeinde sehen", gibt Tams zu bedenken.

Stolzer Verzicht auf Dollars

Seit Fidel Castros siegreichem Einzug in Havanna 1959 verzichtet Kuba deshalb demonstrativ auf den von Washington zu zahlenden Pachtzins von 4085 Dollar pro Jahr für Guantanamo.

Einen anderen juristischen Ansatz, um das koloniale Relikt aus der Welt zu schaffen, verfolgte der deutsche Linkspartei-Politiker Norman Paech. 2007 forderte er - allerdings vergeblich - die Bundesregierung auf, Druck auf Washington auszuüben, damit es Guantánamo an Kuba zurückzugebe. Die Nutzung der Bucht als Gefängnis für angebliche Terroristen stehe in gravierendem Widerspruch zum ursprünglichen Vertragstext, so Paechs Argument. Allerdings lasse Obama das Gefangenenlager nun schließen und damit sei dieses Argument hinfällig geworden, räumt Paech ein: "Jetzt kann man es im Grunde nur politisch versuchen, indem auch die USA davon überzeugt werden, dass sie diesen Stützpunkt nicht mehr brauchen."

Völkerrechtler Prof. Dr. Christian J. Tams (Foto: Christian J. Tams)
Völkerrechtler wie Prof. Dr. Christian J. Tams raten Kuba, sich ein Gutachten beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu besorgenBild: Christian J. Tams

Paech, der ebenfalls von Haus aus Völkerrechtler ist, stimmt mit seinem Glasgower Kollegen Tams überein: Kuba könnte in der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution einbringen, wonach der Internationale Gerichtshof in Den Haag ein Gutachten über die Nichtigkeit des Pachtvertrag erstellen solle.

Hoffen auf Obamas Einsicht

Doch selbst wenn der Internationale Gerichtshof Catro Recht geben würde, müsste Kuba letztlich sein Recht mit öffentlichem Druck und politischem Gespür durchsetzen und auf eine Portion Einsicht des neuen US-Präsidenten hoffen. 1977 nutzte Panamas Präsident Omar Torrijos geschickt die Amtszeit von James Carter, der ein neues Verhältnis zu Lateinamerika anstrebte, um einen Vertrag über die Rückgabe des Panamakanals zu schließen, der ebenfalls 1903 an die USA "auf alle Ewigkeit" verpachtet worden war.

Sollte Obama eine Rückgabe Guantanamos ernsthaft in Erwägung ziehen, so hat Castro schon einmal wissen lassen, zu welcher Gegenleistung man nicht bereit sei. Ein Systemwandel auf Kuba komme nicht in Frage. Dagegen habe man schließlich ein halbes Jahrhundert gekämpft.