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del Ponte tritt ab

Klaus Dahmann13. Dezember 2007

Die Chefin des Internationalen Tribunals für das ehemalige Jugoslawien geht. In der Sache war sie engagiert, häufig aber zu ehrgeizig. Auch deshalb blieb ihr der wichtigste Erfolg versagt. Klaus Dahmann kommentiert.

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Themenbild Kommentar
Bild: DW

Ja, man kann Carla del Ponte zu Recht als große Verfechterin der internationalen Justiz feiern. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Gräuel von Srebrenica als Völkermord und die systematischen Vergewaltigungen in Bosnien als Kriegsverbrechen eingeordnet werden. Als engagierte Fürsprecherin der Opfer hat sie bewiesen, dass die Zeit vorbei ist, da sich die Hauptverantwortlichen für Krieg und Leiden sicher wähnen konnten, während man höchstens die zweite oder gar dritte Reihe der Täter vor Gericht brachte.

Milosevic-Niederlage war vermeidbar

Klaus Dahmann
Klaus Dahmann

Engagiert ja, leider hat sie sich überengagiert gezeigt und – das mussten auch die Opfer letztlich feststellen – hartnäckig bis zur Sturheit und mit großem Hang zur Selbstdarstellung. Beispiel Slobodan Milosevic: Statt sich auf wenige Anklagepunkte gegen den maßgeblichen Drahtzieher der Gräuel im ehemaligen Jugoslawien zu beschränken, erweiterte sie ihren Katalog und zog dadurch den Prozess in die Länge. Milosevics Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends, bis er schließlich starb – als Unschuldiger, denn ein Urteil wurde nicht gefällt, und juristisch gilt ja jeder nicht verurteilte Angeklagte als unschuldig. Eine Niederlage, die die Chefanklägerin hätte vermeiden können.

Eine noch größere Niederlage erlitt Carla del Ponte mit Radovan Karadzic und Ratko Mladic: Der bosnische Serben-Führer und sein General sind weiter flüchtig - trotz aller Ultimaten an die Adresse Belgrads, und das waren so viele, dass sie die Grenze der Glaubwürdigkeit bei weitem überschritt. Als Politikerin hätte sie sich vermutlich mehr zurückgehalten – oder hätte mit konkreten Sanktionen drohen können – aber als Chefanklägerin hatte sie de facto nichts in der Hand, um Druck aufzubauen.

Schwieriger Umgang

Das zeigt sich auch dort, wo sie – vermeintlich – das letzte Wort hatte: Wenn es um die Beitrittsfähigkeit der Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens zur Europäischen Union ging, richtete sich stets der Blick auf sie. Bescheinigte sie einem Land gute Zusammenarbeit mit Den Haag, dann galt das als "Ritterschlag". Bis die Staatenlenker der EU bei Kroatien offenbar die Geduld verloren – und Carla del Ponte schließlich das bekannt geben durfte, was politisch opportun war. Hatte sie der Regierung in Zagreb lange den "Ritterschlag" verweigert, sprach sie ebenso plötzlich wie überraschend von guter Zusammenarbeit – und gab damit den Weg für Beitrittsverhandlungen frei.

Auch in Den Haag selbst hat sie sich keinen guten Namen gemacht – im Gegenteil: Der schwierige menschliche Umgang mit ihr war für einige Mitarbeiter sogar Anlass, sich eine andere Arbeitsstelle zu suchen.

Und so fällt die Bilanz nach acht Jahren Chefanklägerin für Carla del Ponte gemischt aus: Die Aufklärung der Ereignisse in der Region hat sie erfolgreich – weil schonungslos – vorangetrieben. Aber gleichzeitig hat sie ihr Amt und alle Beteiligten überstrapaziert. Unnötig.