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Camerons einsamer Kampf

27. Juni 2014

Der britische Premier David Cameron hat praktisch keine Chance mehr, den Luxemburger Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionschef zu verhindern. Aber er kämpft weiter.

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David Cameron und Jean-Claude Juncker
Bild: picture-alliance/dpa

So richtig wohlzufühlen scheint sich Großbritanniens Premierminister David Cameron (im Artikelbild links neben Juncker) beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nicht. Nach einem Abendessen mit seinen Kolleginnen und Kollegen scherzte der 47-Jährige in Ypern mit einer Gruppe britischer Fahrradtouristen: "Wenn ich die Wahl hätte zwischen einem Europäischen Rat und einer Fahrradtour...", ohne den Satz zu vollenden. Seine Landsleute wussten auch so, was gemeint war.

Während des Abendessens kündigte Cameron nach Angaben von EU-Diplomaten den anderen Gipfelteilnehmern eine "harte Diskussion" über die Personalie Jean-Claude Juncker an diesem Freitag an. Im belgischen Ypern hatten die Staats- und Regierungschefs zum Auftakt des Gipfels der Millionen Toten des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918 gedacht.

Mehrheit im EU-Parlament für Juncker

Der ehemalige Ministerpräsident Luxemburgs Juncker war bei der Europawahl Ende Mai als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, EVP, angetreten. Die EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, war bei der Wahl stärkste Kraft geworden. Juncker leitet daraus den Anspruch ab, Präsident der EU-Kommission zu werden.

Er wird auch von den Sozialdemokraten und anderen Fraktionen im Europa-Parlament unterstützt. Nach anfänglichem Zögern stellte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hinter Juncker. Auf dem EU-Gipfel soll der 59-Jährige offiziell nominiert und dem EU-Parlament zur Wahl vorgeschlagen werden.

Merkel machte deutlich, dass Juncker auch gegen den Widerstand Camerons durchgesetzt werde. Im Gegenzug will die Kanzlerin aber "bei den inhaltlichen Fragen ein hohes Maß an Gemeinsamkeit" finden und dem britischen Premier "ein Stück" entgegenkommen.

Cameron steht in Großbritannien unter massiven Druck von EU-Gegnern. Bei der Europawahl wurde die EU-feindliche Partei UKIP stärkste Kraft. Für 2017 hat der konservative Premier ein Referendum über Ausstieg oder Verbleib Großbritanniens in der EU angekündigt. Juncker ist in den Augen Camerons ein europäischer Föderalist, der nicht für eine Reformpolitik in der EU steht.

Flexibler Stabilitätspakt

Eine Annäherung gibt es nach Agenturberichten beim Streit um den Stabilitäts- und Wachstumspakt. In dem der Nachrichtenagentur Reuters nach eigenen Angaben vorliegenden Entwurf der Abschlusserklärung heißt es, die Haushaltskonsolidierung müsse wachstumsfreundlich und differenziert fortgesetzt werden. "Die Möglichkeiten, die der bestehende Fiskalrahmen der EU für die Balance zwischen Haushaltsdisziplin und der notwendigen Unterstützung von Wachstum bietet, sollten genutzt werden."

Der Euro-Stabilitätspakt ist in die Diskussion geraten, weil die wirtschaftlich schwächelnden Euro-Schwergewichte Frankreich und Italien unter anderem fordern, öffentliche Investitionen für Wachstum nicht in die Defizitberechnung einzubeziehen. Die Bundesregierung lehnt eine Änderung des Pakts ab. Merkel hatte betont, der Stabilitätspakt biete bereits ausreichend Flexibilität, um neben der Haushaltskonsolidierung Wachstum zu fördern. Die Regeln dürften dabei nicht aufgeweicht, die vorhandene Flexibilität sollte aber genutzt werden, so die Kanzlerin.

wl/sti (dpa, afp, rtr)