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Energiewende Deutschland

Bernward Janzing2. Juli 2012

Die Deutsche Energiewende wird vor allem von Bürgern getragen. Sie errichten Windparks und Solaranlagen. Um größere Energieprojekte umzusetzen, schließen sich immer mehr Bürger in Genossenschaften zusammen.

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Eine Windkraftanlage und eine Photovoltaikgrossanlage in Gnannenweiler auf der Schwaebischen Alb (Foto: Daniel Maurer/dapd)
Bild: dapd

Die Genossenschaft erlebt in Deutschland eine neue Blüte. Neue Energiegenossenschaften werden gegründet, um gemeinsam die Energiewende auf lokaler Ebene voranzutreiben und von den erneuerbaren Energien zu profitieren.

Ein typisches Beispiel ist die Ökumenische Energiegenossenschaft Horb bei Stuttgart, die schon mehrere Solarkraftwerke realisierte. Bernhard Bok war dort eine treibende Kraft - und er hat mit Genossenschaften viel Erfahrung, denn er war vor seiner Pensionierung Vorstand der genossenschaftlich organisierten örtlichen Volksbank. Für ihn war es daher keine Frage, auch den Ausbau der erneuerbaren Energien auf genossenschaftliche Beine zu stellen. "Wir sind hier im Bundesland der Genossenschaften", erklärte Bok. Nirgendwo in Deutschland sei die Unternehmensform der Genossenschaft so stark vertreten wie in Süddeutschland. Von der Landwirtschaft sei die Entwicklung damals ausgegangen. Gemeinsinn war seinerzeit gefragt, und so organisierte man sich in landwirtschaftlichen Genossenschaften.

Bürgerbeteiligung statt anonymer Investoren

Genossenschaften, die Mitte des 19. Jahrhunderts häufig aus der Not geboren wurde, finden heute aus anderem Grund wieder Freunde: Der Wunsch nach Bürgerbeteiligung und Selbstverwaltung vor Ort wird bei den Menschen immer stärker. Sie suchen eine Alternative zu unbekannten Investoren und der damit einhergehenden Fremdbestimmung. So sind die lokalen Bürgergesellschaften in Zeiten der weltweiten ökonomischen Turbulenzen auch der bewusste Gegenentwurf zu den internationalen Finanzmärkten. Häufig sind die traditionsreichen Genossenschaftsbanken, wie die Volks- und Raiffeisenbank, bei der Gründung und Finanzierung beteiligt.

Das Bild zeigt das Schuldach der Energiegenossenschaft Johannes Mayer links Bernhard Bok, beides Gründer der Genossenschaft. (Foto: Bernward Janzing)
Mayer und Bok auf einem Schuldach der Energiegenossenschaft in HorbBild: Bernward Janzing

Großprojekte werden möglich

Das Spektrum der Energiegenossenschaften ist groß, es geht dabei längst nicht nur um Solaranlagen oder Windkraftwerke. In der Gemeinde St. Peter im Schwarzwald baute zum Beispiel vor gut einem Jahr die Genossenschaft Bürger Energie St. Peter eine zentrale Wärmeversorgung für den Ort mit heimischer Energie. Ein modernes Holzheizwerk im Ort liefert  nun Wärme für über 150 Häuser, die oft veralten Ölheizungen wurden entfernt. Rund 8500 Meter Rohrleitungen ließ die Genossenschaft dafür im Ort verlegen.

Energiegenossenschaft St. Peter von Mai/Juni 2010 (Fotograf: Roman Appenzeller)
Die Gründer der Genossenschaft von St. Peter vor FernwärmleitungenBild: Bürger Energie St. Peter eG

Um das Projekt zu realisieren, taten sich unterschiedliche Akteure aus dem Ort zusammen, wobei jeder sein spezifisches berufliches Wissen einbrachte. Markus Bohnert, Vorstandsmitglied der Bürgergenossenschaft, ist beruflich als Förster tätig, andere Unterstützer kamen aus dem Heizungsbau, der Bauplanung oder dem Marketing.

Die Idee der Genossenschaft entstand 2007. Eine anschließende Umfrage unter allen Bürgern von St. Peter zeigte dann, dass die Menschen sehr aufgeschlossen waren. Vor allem wollten auch die Großabnehmer dabei sein, wie die Gemeinde mit ihren Gebäuden, kirchliche Einrichtungen, sowie zahlreiche Hotels und Restaurants im Ortskern. Also wurde die "Bürger Energie St. Peter eG" gegründet.

Lokale Wertschöpfung

Ausschlaggebend für den aktuellen Boom der Genossenschaften ist aber nicht nur der Wunsch vieler Bürger, die Energiewende lokal voran zu bringen und die regionale Wertschöpfung zu stärken. Auch eine Gesetzesnovelle hat Anteil an dem Erfolg: Seit August 2006 gilt in Deutschland ein neues Genossenschaftsgesetz, das die Gründung der Bürgerunternehmen deutlich erleichtert hat. Seither benötigt man nur noch drei statt sieben Gründungsmitglieder. Auch die erforderliche Zahl der Vorstandmitglieder wurde bei kleinen Genossenschaften reduziert.

Mit diesen Änderungen ist die Genossenschaft zu einer Massenbewegung geworden: Im süddeutschen Baden-Württemberg, heißt es vom dortigen Genossenschaftsverband, sei heute jeder dritte Bürger Mitglied einer Genossenschaft.