1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Butter, Brot und grüner Käse

Kerstin Schweighöfer17. August 2009

Im Norden der Niederlande wird es noch gesprochen: Friesisch. Es ist wie viele andere Minderheitensprachen vom Aussterben bedroht. Doch viele Projekte und Kampagnen sollen die Sprache davor bewahren.

https://p.dw.com/p/J84s
Eine Mühle in der Stadt Dokkum, Friesland (Foto: Niederländisches Büro für Tourismus NBT)
Die friesische Stadt DokkumBild: Niederländisches Büro für Tourismus NBT

Das rote Schild mit den dicken weißen Buchstaben ist unübersehbar. Schon von weitem leuchtet es dem Besucher entgegen - gleich neben dem mächtigen Turm der Oldehoofster-Kirche im Zentrum von Leeuwarden, der Hauptstadt der niederländischen Provinz Friesland. "AFUK" steht darauf, eine Abkürzung für "Allgemeine Friesische Unterrichtskommission". 1928 wurde dieses Institut "zur Förderung der friesischen Sprache gegründet", erklärt Mitarbeiter Gjalt Jelsma, der drinnen im "AFUK"-Buchladen mit Verkäuferin Renske gerade die letzten friesischen Neuerscheinungen bespricht.

Kleiner Anstoß soll Großes bewirken

Egal ob Romane, Reiseführer, Kinder- oder Kochbücher: "Pro Jahr erscheinen rund 150 Bücher auf friesisch", erklärt Jelsma und deutet mit einer weitausholenden Handbewegung auf die vollen Regale ringsherum. "Wir sorgen dafür, dass sie auch gelesen werden!"

Ein Bücherregal mit friesischer Literatur bei der AFUK in Leeuwarden (Foto: Kerstin Schweighöfer/ DW)
Friesische Literatur bekommt man bei der AFUKBild: DW

Die "AFUK" bringt Unterrichtsmaterial für Schulen und Sprachkurse heraus und entwickelt Kampagnen, um die Friesen zu ermutigen, friesisch zu sprechen. "Manchmal muss man ihnen auf die Sprünge helfen", weiß Jelsma, der als Sohn eines friesischen Bauern geboren wurde und dessen Muttersprache Friesisch ist: "Ich bin stolz darauf, ein Friese zu sein!"

Verliebt ins Friesische

Doch wie so viele Minderheitensprachen ist auch Friesisch vom Aussterben bedroht. Nur 50 Prozent der rund 700.000 Einwohner Frieslands sprechen noch täglich Friesisch. An niederländischen Universitäten gibt es lediglich 30 Studenten, die diese Sprache studieren - was sie noch nicht einmal in Friesland selbst tun können, denn dort gibt es keine Universität.

Friesisch studieren kann man lediglich in Groningen, Amsterdam oder in Leiden bei Professor Rolf Bremmer. Der ist zwar selbst kein Friese, spricht die Sprache aber fließend und hat regelmäßig telefonisch Kontakt mit der "AFUK", um seine Studenten zum Erfahrungsaustausch vorbei zu schicken. "Ich finde Friesisch schön, ich habe mich in diese Sprache verliebt. Fragen Sie mich nicht, warum! Ich habe mich ja auch in meine Frau verliebt und nicht in ihre Freundin", so Bremmer.

Die Allgemeine Friesische Unterrichtskommission AFUK, ein Institut zur Förderung der friesischen Sprache in Leeuwarden (Foto: Kerstin Schweighöfer/ DW)
Sitz der AFUK in LeeuwardenBild: DW

Friesisches Erbe

Wegen der vielen Akzente und Diphtonge wie "au" oder "ei" ist Friesisch für die Niederländer relativ schwer zu lernen. Die Sprache steht der englischen viel näher als der niederländischen. Die Angelsachsen hielten sich einst in diesem Küstenstreifen auf, bevor sie den Ärmelkanal überquerten: Käse etwa heißt im Friesischen tsiis, fast wie das englische cheese. "Und Skiep heißt Schaf, auf englisch sheep", erklärt Professor Bremmer.

Friesisch hat schon seit dem Mittelalter eine lange Tradition als eigenständige Sprache, geriet dann aber während des 17. Jahrhunderts immer mehr unter den Einfluss des Niederländischen. Und die Friesen passten sich an, nicht zuletzt, um mit den anderen Provinzen leichter Handel treiben zu können. Während der Romantik im 19. Jahrhundert begannen die Friesen sich zunehmend auf ihre eigene Sprache und Kultur zu besinnen; ein zweiter Schub folgte nach dem Zweiten Weltkrieg: Friesisch stieg in der Provinz Friesland offiziell zur zweiten Amtssprache auf.

Auf und ab für das Friesische

An Schulen ist die Sprache mittlerweile Pflichtfach. An zehn Prozent aller Grundschulen wird inzwischen sogar jeweils zu 50 Prozent auf Niederländisch und zu 50 Prozent auf Friesisch unterrichtet. Auch die friesische Kultur blüht: Theater, Literatur oder Musik. Zum Beispiel von Nynke Laverman, die sich auf friesischen Fado, eine besondere Musikrichtung, spezialisiert hat.

Segelboote auf der Nordsee vor Friesland (Foto: Niederländisches Büro für Tourismus NBT)
Segelvergnügen in Leeuwarden in FrieslandBild: Niederländisches Büro für Tourismus NBT

Doch Friesisch ist trotz der Bemühungen noch lange keine gleichberechtigte Sprache: An den meisten Schulen ist sie lediglich ein Unterrichtsfach, das nur wenige Wochenstunden unterrichtet wird. Die Zahl der Schulkinder, die Friesisch beherrschen, sinkt jedes Jahr um fünf Prozent. In größeren friesischen Städten wie Leeuwarden sprechen die meisten Menschen immer noch Niederländisch.

Mit Optimismus Friesisch lernen

Die "AFUK" verteilt deshalb Aufkleber in Cafés und Kneipen, auf denen steht: "Praat Maar Frysk!" - zu deutsch: "Du kannst ruhig Friesisch sprechen!" Dass solche Maßnahmen angebracht sind, zeigt sich gleich vor dem Gebäude der "AFUK" auf dem großen Kirchplatz. Es sind Semesterferien und eine Studentin verdient sich beim Eisverkaufen etwas hinzu. Sie bedient gerade eine junge Mutter. Beide sprechen Niederländisch miteinander - und merken dann lachend, dass sie beide Friesisch als Muttersprache gelernt haben.

Zwei Friesinnen, eine Studentin und eine junge Mutter an einem Eisstand in Leeuwarden (Foto: Kerstin Schweighöfer/ DW)
Ihre Muttersprache ist FriesischBild: DW

Die junge Mutter hat ihre zwei Kinder auf eine jener Grundschulen geschickt, wo gleichberechtigt in Niederländisch und Friesisch unterrichtet wird. "Bald können sie Friesisch reden, lesen und schreiben", erzählt sie. Und das sei doch das Wichtigste, um eine Sprache am Leben zu erhalten. Deshalb ist sie trotz allem zuversichtlich: "Friesisch wird nicht aussterben, dafür tun wir unser Bestes!"