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Burkhardt: Deutschland muss mehr tun

Nils Naumann13. Juni 2014

Deutschland will 10.000 weitere Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Das haben die Innenminister von Bund und Ländern beschlossen. Günter Burkhardt von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl ist trotzdem nicht zufrieden.

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Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Burkhardt, Deutschland nimmt in der Europäischen Union mit Abstand die meisten Flüchtlinge auf. Gleichzeitig geben wir 450 Millionen Euro für Flüchtlingslager in den Nachbarstaaten Syriens aus. Jetzt hat Deutschland beschlossen, das Kontingent für Syrien-Flüchtlinge von 10.000 auf 20.000 zu verdoppeln. Trotzdem fordern Organisationen wie Pro Asyl noch mehr syrische Flüchtlinge nach Deutschland zu lassen. Warum?

Günter Burkhardt: Pro Asyl fordert, dass Menschen mit Angehörigen in Deutschland einreisen dürfen. In Deutschland gibt es eine syrische Gemeinschaft. Bei Beginn des Bürgerkriegs lebten 33.000 syrische Staatsangehörige in Deutschland, außerdem eine unbekannte Zahl deutscher Staatsbürger syrischer Herkunft. Das ist eine einzigartige Situation. In den anderen Staaten Europas gibt es keine derartig große syrische Gemeinschaft. Diese Menschen sagen: "Ich möchte gerne, dass meine Mutter, mein Bruder, meine Verwandten kommen." Und Integration gelingt gut, wenn es eine Gemeinschaft gibt. Eine Gemeinschaft, die hilft bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche. Das muss berücksichtigt werden. Man kann nicht nur europäische Zahlen vergleichen.

Dabei geht es ja um rund 80.000 Angehörige. Wenn die alle einreisen dürften, kämen doch enorme finanzielle Lasten auf Deutschland zu. Wer soll denn das bezahlen?

Die Frage ist doch: Sind das Lasten, müssen wir diese Leute tatsächlich dauerhaft versorgen? Hier ist die Erfahrung, gerade wenn ich den Anknüpfungspunkt der Familie habe, dass sie schnell Jobs und Wohnungen finden und dass die Integration gelingt. Das bedeutet, dass Deutschland eher davon profitiert, wenn diese Leute, von denen ja viele gut ausgebildet sind, zu uns kommen.

Aber ist das nicht alles ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein - schließlich können wir nicht halb Syrien in Deutschland aufnehmen?

Es ist bei der syrischen Flüchtlingskrise, genau wie bei allen anderen Flüchtlingskrisen so, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in der Nachbarregion lebt und auch dort bleiben will. Es sind eher weniger Menschen, die sagen, wir wollen weiter ziehen.

Syrien Flüchtlinge im Libanon (Foto: REUTERS/Mohamed Azakir)
Leben in Zelten: syrische Flüchtlinge im LibanonBild: Reuters

Wenn wir aber verhindern wollen, dass ein Staat wie der Libanon destabilisiert wird, dort leben eine Million Flüchtlinge bei vier Millionen Einwohnern, dann muss Europa mehr bringen. Europa muss gemeinsam ein Aufnahmeprogramm stemmen. Mit diesem Programm sollten einige hunderttausend Syrer nach Europa geholt werden. Im Moment versagen die anderen Staaten Europas völlig.

In den Nachbarländern Syriens sind insgesamt fast drei Millionen Flüchtlinge untergekommen. Auch in Syrien selbst gibt es Millionen Binnenflüchtlinge. Wäre es nicht viel wichtiger, diesen Menschen vor Ort zu helfen, als ein paar tausend weitere Flüchtlinge aufzunehmen?

Das eine schließt das andere nicht aus. Es ist ja zum Glück so, dass Deutschland und andere Staaten wichtige finanzielle Beiträge leisten und das Überleben in den Erstaufnahmeländern sichern. Aber es ist absehbar, dass die Nachbarstaaten nicht alleine und nicht auf Dauer diese Flüchtlinge aufnehmen können. Und deswegen wollen wir, dass diejenigen, die Verwandte in Deutschland haben, einreisen dürfen.

Wie ist eigentlich die Situation der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge in Deutschland?

Sie werden in Deutschland verteilt und sie bekommen Unterstützung bei der Suche nach Arbeit und Wohnung. Im Vergleich zur Situation dort wo sie herkommen ist das für sie ein Riesenschritt. Sie haben die Chance, in Deutschland Fuß zu fassen.

Günter Burkhardt ist Geschäftsführer der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl.