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Entscheidung im Netz

Thorsten Faas19. September 2013

Ob Facebook oder Twitter - Parteien und Kandidaten für die Bundestagswahl nutzen alle Social-Media-Kanäle, um im Wahlkampf zu punkten. Politologe Thorsten Faas rechnet allerdings mit Ernüchterung nach der Wahl.

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Mann vor Twitter- und Facebook-Symbolen (Foto: Reuters)
Meinungsbildung in den Sozialen Netzwerken?Bild: Reuters

Fast 80 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren nutzen laut einer Studie der deutschen TV-Sender ARD und ZDF "zumindest gelegentlich" das Internet; das sind rund 54 Millionen Menschen. 1997, also vor gerade einmal 16 Jahren, waren es magere vier Millionen.

Das Internet alleine macht die Welt aber in keiner Weise politischer, denn die Menschen nutzen das Netz im Privatbereich überwiegend zum Einkaufen, Online-Banking oder um sich zum Beispiel über Facebook auszutauschen. Und damit stehen die Wahlkämpfer im Internet vor den gleichen Herausforderungen wie ihre analogen Pendants in der Offline-Welt: Wie verbreite ich meine Wahlkampfbotschaft möglichst effektiv?

Thorsten Faas (Foto: Peter Pulkowski)
Politiker müssen noch viel über Netzwerkeffekte lernen, meint Thorsten FaasBild: Peter Pulkowski

Social Media intelligent genutzt

Barack Obama hatte in den USA besser als jeder andere verstanden, online und offline zu verbinden. Über das Internet hat er seine Anhänger elektrisiert und mobilisiert, ihnen darüber das Gefühl vermittelt, ganz eng in die Kampagne involviert zu sein. Zugleich hat er diese Anhänger als Multiplikatoren für seine Botschaften genutzt, die diese dann offline - über Wahlkampfveranstaltungen oder viele, viele Telefonanrufe - oder online in soziale Netzwerke hinausgetragen haben.

Auch im laufenden Bundestagswahlkampf gibt es intensive Bemühungen der Parteien und ihrer Spitzen, im Internet und insbesondere in Sozialen Netzwerken Wahlkampf zu betreiben. Inzwischen folgen Kanzlerin Angela Merkel auf Facebook mehr als 350.000 Menschen. Ihr Herausforderer von der SPD, Peer Steinbrück, hat rund 50.000 Follower, Gregor Gysi von der Linkspartei mehr als 20.000, die Piratenpartei - die Netzthemen ganz oben auf ihrer Agenda hat - mehr als 80.000. Doch was die User erreicht ist klassische Parteikommunikation in Wahlkampfzeiten: Die Parteien senden ihre Botschaften an ihre Anhänger. Das entspricht Plakatwänden und Wahlkampfständen in einer digitalen Variante.

Wahlplakate mit Kanzlerin Merkel und SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück (Foto:dpa)
Wahlkampf der herkömmlichen ArtBild: picture alliance/dpa

Offline, online, analog und digital

Die zentrale Frage bleibt: Wie kommt Politik eigentlich zu den Menschen? Zum einen ganz wie in alten Zeiten durch die klassischen Medien. Und manchmal gibt es noch einen zwischenmenschlichen Austausch über den Wahlkampf. Am Gartenzaun oder am Arbeitsplatz. Oder eben via Facebook. Politische Gespräche zwischen Bürgerinnen und Bürgern, von denen wir nach unseren Untersuchungen wissen, dass sie sehr wirksam sind.

Es gibt also ganz viele Kommunikationskanäle, offline und online, analog und digital. Die Botschaften haben aber unterschiedliche Wirkungen. Kommen sie von einer Partei, werden sie eher als Werbung wahrgenommen. Der Austausch zwischen Menschen wirkt immer vertrauter und ist damit anscheinend glaubwürdiger.

Hausbesuch 2.0

Ziel der Parteien muss es also sein, Profile und Botschaften zu produzieren, die sich in den Weiten des Netzes schnell verbreiten, indem Menschen sie "liken", "sharen" und "kommentieren". Erst damit kommt der Wahlkampf im Netz plötzlich auch bei den Menschen an, die sich selbst gar nicht so sehr dafür interessieren - und das außerdem über Menschen, mit denen sie persönlich in den sozialen Netzwerken verbunden sind, die sie kennen, denen sie vertrauen. Über Freunde und Kontakte taucht Politik plötzlich in den eigenen Profilen auf - ob sie das wollen oder nicht. Ein Hausbesuch 2.0 fast.

Solche Netzwerkprozesse in Gang zu setzen, das muss das Ziel des Wahlkampfs in sozialen Netzwerken sein. Und es ist möglich - Videos und Bilder werden millionenfach angeklickt und bahnen sich den Weg in die Weiten des Netzes. Als Bundeskanzlerin Merkel beim TV-Duell gegen ihren Herausforderer Steinbrück eine Kette in den Farben der Deutschlandfahne trug, war dies in kürzester Zeit Diskussionsthema in den Sozialen Netzwerken.

Halsausschnitt mit Deutschlandkette (Foto: ARD/Max Kohr)
Halskette als DiskussionsthemaBild: picture-alliance/dpa/ARD/Max Kohr

Aber es ist schwierig, solche Effekte gezielt anzuschieben und zu nutzen - mindestens so schwierig wie der analoge Wahlkampf. Die Parteien jedenfalls tun sich damit auch in der diesjährigen Auflage des Wahlkampfs noch schwer.

Thorsten Faas ist Politikwissenschaftler an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er leitet den Bereich "Empirische Politikforschung" am Institut für Politikwissenschaft.