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Wege aus dem NSA-Debakel

Kay-Alexander Scholz18. November 2013

Der Deutsche Bundestag hat auf einer Sondersitzung über ein brisantes Thema debattiert: die NSA-Affäre und die Folgen für das deutsch-amerikanische Verhältnis. Kritik an den USA gab es von vielen Seiten.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Merkel fordert Aufklärung in US-Spähaffäre

"Das transatlantische Verhältnis und damit auch die Verhandlungen um ein transatlantisches Freihandelsabkommen werden ganz ohne Zweifel durch die im Raum stehenden Vorwürfe gegen die USA um millionenfache Erfassung von Daten auf die Probe gestellt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag in einer Regierungserklärung. "Die Vorwürfe sind gravierend, sie müssen aufgeklärt werden und wichtiger noch: Für die Zukunft muss neues Vertrauen aufgebaut werden." Dafür seien Transparenz wichtig und das Bewusstsein, dass das transatlantische Verhältnis für beide Partner Garant von Freiheit und Sicherheit sei.

Merkel nahm das erste Mal, nachdem durch die Veröffentlichungen des Whistleblowers Edward Snowden bekannt wurde, dass ihr Handy von US-Geheimdiensten abgehört wurde, im Bundestag Stellung zu den Abhöraktivitäten der National Security Agency (NSA). Ganz Kanzlerin ließ Merkel konkrete Maßnahmen offen, sondern umriss den Handlungsrahmen für die NSA-Affäre und die Belastung des transatlantischen Verhältnisses.

In der anschließenden zweistündigen Debatte wurde deutlich, wie vielschichtig das Thema inzwischen geworden ist.

Mehr parlamentarische Kontrollrechte?

In welchem Umfang ausländische Geheimdienste auf Kommunikationsdaten deutscher Bürger zurückgreifen und auf welchem Wege daran auch deutsche Geheimdienste beteiligt sein könnten, darüber fühlen sich einige Abgeordnete schlecht aufgeklärt. Fast sechs Monate nach Bekanntwerden der Affäre habe Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich noch "immer nichts vorzuweisen" und stehe mit "leeren Händen da", sagte Konstantin von Notz. "Warum hat die Spionageabwehr bei Merkel versagt und welche Telefone werden eigentlich noch abgehört?", fragte der Grünen-Politiker. Deshalb forderte von Notz eine Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), das sich laut Verfassung mit der Arbeit der Geheimdienste befasst. Eva Högl von der SPD schlug öffentliche TV-Übertragungen vor, wie jüngst in Großbritannien geschehen, merkte aber an, dass das PKGr bei der Arbeit ausländischer Dienste an seine Grenzen stoßen würden.

Auch die Möglichkeit eines Untersuchungsausschusses wurde diskutiert. Aber auch hier wurden Zweifel laut, ob dies das richtige Mittel zur Aufklärung sein könne. Schließlich müsse ja amerikanisches Regierungshandeln aufgeklärt werden, sagte Hans-Peter Uhl von der CDU/CSU-Fraktion.

Zusammenarbeit mit amerikanischen Abgeordneten

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich kritisierte die Informationspolitik der USA. Das Verhalten lasse "zu wünschen übrig", was aber auch zum Schaden der USA selbst sei, so Friedrich. Aber, so Friedrich, letztlich sei durch die Gespräche mit den Partnern in Washington das Problembewusstsein in der USA gestiegen. Im amerikanischen Kongress und im Senat gebe es nun eine breite Diskussion darüber, was Geheimdienste dürften und was nicht.

Unionskollege Michael Grosse-Brömer schlug vor, sich mit den amerikanischen Parlamentariern zusammenzusetzen. Den Vorschlag griff auch Thomas Oppermann von der SPD auf. Eine Zusammerarbeit der Parlamente könne, da viele die deutschen Ansichten über die politische Steuerung von Geheimdiensten teilten, eine Spaltung zwischen Deutschland und Amerika vermeiden helfen.

Diskussion um Snowden-Asyl

Ein Teil der Debatte drehte sich um die Frage, ob Edward Snowden Asyl in Deutschland bekommen sollte, auch um von ihm weitere Aussagen zu bekommen. Die Bundesregierung lehnt das auch weiterhin ab. Dabei habe die Welt doch erst durch Snowden von den Geheimdienst-Aktivitäten erfahren, erinnerte Gregor Gysi, Fraktionschef der Linkspartei. Er sei doch kein Krimineller, sondern wolle "die Weltbevölkerung vor Kriminalität" schützen. "Wir brauchen Snowden für die Aufklärung", appellierte Gysi an die Bundesregierungen und forderte "Mumm" gegenüber den Amerikanern, wo Snowden strafrechtlich verfolgt wird, souverän und auf Augenhöhe gegenüber zu treten.

"Er könnte uns als Kronzeuge sagen, in welchem Zusammenhang seine Veröffentlichungen zu sehen sind und Interpretationen geben", warb Christian Ströbele von den Grünen für eine Anhörung Snowdens in Deutschland. Ströbele hatte jüngst für Schlagzeilen gesorgt, weil er Snowden in seinem russischen Asyl getroffen hatte und dessen Asylgesuch mit nach Deutschland gebracht hatte.

Unionsvertreter gaben zu, dass der Fall Snowden kein einfacher sei. Gaben aber deutlich ihre Bedenken zum Ausdruck, dass sie die möglichen negativen Folgen eines Snowden-Asyls auf das deutsch-amerikanische Verhältnis stärker gewichten würden. "Ist es klug für Deutschland, wenn wir den Streit auf die Spitze treiben?", fragte Hans-Peter Uhl.

Der SPD-Politiker Oppermann regte eine "humanitäre Lösung" für Snowden an. Ihm sei nicht durch eine "Mutprobe oder eine einseitige Lösung" geholfen. Vielmehr müsse es "eine verhandelte Lösung in den Formen des Rechts" geben.

Digitale Souveränität erlangen

Neben der Aufklärung, den Kontroll-Möglichkeiten des Bundestags und dem Fall Snowden ging es in der Bundestagsdebatte auch um mögliche völker- oder zwischenstaatliche Abkommen und um technische Möglichkeiten des digitalen Datenschutzes für Bürger, Wirtschaft und Politik.

Bundesinnenminister Friedrich möchte den Verfassungsschutz stärken, warb für Verschlüsselungstechniken, regte erneut eine Meldepflicht der Unternehmen für Spionage-Angriffe an und sprach sich für einen engen Kontakt zur Internetwirtschaft aus. Ziel müsse eine "digitale Souveränität" sein. Es sei auch eine Aufgabe der Europäischen Union, die technologischen Möglichkeiten dafür zu fördern, damit ein "Rechts- und Sicherheitsraum" hergestellt werden könne. Beispiele seien eine europäische Cloud oder ein speziell europäisches Daten-Routing.

"Wir brauchen in Europa einen Schengenraum im Netz, gemeinsame Sicherheitsstandards nach innen und eine gemeinsame Terrorabwehr nach außen", sagte der CDU-Politiker Günter Krings, "aber auf rechtsstaatlichem und datenschutzrechtlich hohen Niveau".

Frank-Walter Steinmeier von der SPD bezweifelte, ob das der richtige Weg sein könne. "Das Netz ist worldwide", gab Steinmeier zu Bedenken. Lösungen für eine neue "Balance zwischen Sicherheit und Freiheit" könne man nicht "aus Lösungen der Vergangenheit ableiten" oder "durch Abschottung" erreichen. "Wir brauchen ein Völkerrecht im Netz, das müssen wir hinkriegen und dazu ist Politik da."