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Gauck: Gemeinsam zum Wohle Europas

3. September 2013

Joachim Gauck ist als erster deutscher Präsident seit 17 Jahren zu einem offiziellen Besuch in Frankreich. Dabei rief er beide Länder dazu auf, trotz Meinungsverschiedenheiten eng zusammenzuarbeiten.

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Präsident Hollande und Bundespräsident Gauck bei de Begrüßung in Paris (Foto: reuters)
Bild: Reuters

Mit Blick auf die Euro-Krise und notwendige Reformen in Europa sagte Bundespräsident Gauck bei einem festlichen Abendessen im Elysée-Palast, trotz mancher Meinungsverschiedenheiten müssten Deutschland und Frankreich zum Wohle Europas zusammenarbeiten und versuchen Kompromisse zu finden. "Warum sollten wir leugnen, dass es auch 'freundschaftliche Spannungen' gibt beim Streit um den richtigen gemeinsamen Weg?", fuhr Gauck fort. Doch bleibe es auch künftig die Verantwortung beider Länder, sich einig zu werden, damit Europa weiterkomme. Gauck erinnerte daran, dass die Väter der deutsch-französischen Annäherung nach dem Zweiten Weltkrieg der Einsicht gefolgt seien, "dass wir in Europa nicht gegeneinander, sondern nur miteinander die Zukunft gewinnen können".

Der Bundespräsident fügte hinzu: "Genauso können wir es heute formulieren." Die Europäer sollten "vielleicht dankbar dafür sein", dass sie die gegenwärtige Krise zwinge, mit sich selbst "ehrlich zu sein, Schwächen offen zu legen und zu beheben". Der Anspruch sei, "als freies und friedliches, starkes und fortschrittliches, offenes und wettbewerbsfähiges, soziales und humanes Europa auch morgen eine gestaltende Rolle in dieser Welt zu spielen". Dafür müsse Europa noch "viel offener" sein. Es gelte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die Überwindung von Krieg und Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung, Solidarität und die Absage an Rassismus und Diskriminierung von Minderheiten zu bewahren, sagte der Bundespräsident weiter.

Gemeinsame Haltung zu Syrien angemahnt

Der französische Staatschef François Hollande hatte zuvor bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gauck Europa zu einer gemeinsamen Haltung in der Syrien-Krise aufgerufen. Zugleich machte er deutlich, dass er nicht von jedem europäischen Staat eine Beteiligung an einem möglichen Militärangriff in Syrien erwarte: "Jeder hat seine Verantwortung. Frankreich wird seiner Verantwortung gerecht werden."

Gauck: Lösung für Syrien ist möglich

Gauck nannte den Gifgaseinsatz in Syrien am 21. August einen "Tabubruch", der "unerträglich, ja entsetzlich" sei. "Das erfordert eine angemessene Reaktion." Die internationale Gemeinschaft müsse "endlich eine gemeinsame Sprache finden". Zugleich machte Gauck deutlich, dass eine deutsche Beteiligung an einem möglichen Militäreinsatz nicht zur Debatte stehe. Das habe unter anderem historische Gründe.

Gedenken in Oradour

Nach den politischen Gesprächen in Paris mit Präsident Hollande und Premierminister Jean-Marc Ayrault wollen am Mittwoch Gauck und Hollande gemeinsam in das zentralfranzösische Oradour-sur-Glane reisen, wo eine SS-Panzerdivision 1944 ein Massaker an 642 Dorfbewohnern verübte. Unter den Opfern waren hunderte Frauen und Kinder. Vor Gauck war noch nie ein deutscher Spitzenpolitiker in dem Ort, der in Frankreich ein Inbegriff für die Nazi-Gräuel ist. Der Besuch wird als besondere Geste der Versöhnung gewertet. Auf französischer Seite wird der Besuch in einer Linie gesehen mit der Versöhnungsgeste von Verdun, zu der sich 1984 der damalige Präsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl trafen. Der gemeinsame Besuch in Oradour sei auch ein Anliegen Hollandes gewesen, hieß es in Paris.

Gauck sagte schon vor seinem Besuch in Oradour: "Ich bin froh, dass es inzwischen möglich ist, als deutscher Bundespräsident diesen Ort des Schreckens zu besuchen." Die Bewohner von Oradour hatten jahrzehntelang jeden offiziellen Kontakt zu Deutschland abgelehnt. Gauck unterstrich nun, er reise nach Oradour "demütig und im Bewusstsein: Ich repräsentiere ein anderes Deutschland." Er werde das vor Ort auch zeigen, indem er sein Haupt beuge.

50 Jahre Élysée-Vertrag

Der Besuch des Bundespräsidenten geht am Donnerstag mit einem Abstecher in die europäische Kulturhauptstadt Marseille in Südfrankreich zu Ende. Gauck will nach Angaben des Bundespräsidialamts im 50. Jahr der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags mit seinem Besuch in Nachbarland auch die Vielfalt und Intensität der bilateralen Beziehungen aufzeigen. Einen offiziellen Staatsbesuch in Frankreich hatte zuletzt Bundespräsident Roman Herzog im Jahr 1996 absolviert.

qu/nis (dpa,afp)