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Brasilien bleibt gelassen

Jan D. Walter/ Astrid Prange31. Januar 2014

Brasilien distanziert sich von seinem kranken Nachbarn Argentinien. In der Wirtschaftskrise erweist sich die Verbundenheit der südamerikanischen Nachbarländer als brüchig.

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Dilma Rousseff Cristina Kirchner Brasilien Argentinien,. Foto: REUTERS/Enrique Marcarian
Bild: Reuters

Beliebt sind sie nicht. Argentinier gelten in Brasilien als arrogant, impulsiv und hochfahrend. Viele verwechselten ihre Hauptstadt Buenos Aires mit Paris und dünkten sich als Europäer - so sehen es zumindest viele Brasilianer. Angesichts der gravierenden Wirtschaftskrise in Argentinien konnte sich da die brasilianische Tageszeitung "O Globo" einen hämischen Kommentar nicht verkneifen: Argentinien sei das einzige Land der Welt, das den Abstieg von einer wohlhabenden Nation zu einem armen Entwicklungsland geschafft habe.

Doch es ist nicht nur Häme, mit der die brasilianische Presse Argentiniens Agonie kommentiert. Mitten in der Krise zeigt sich auch die wachsende wirtschaftliche und politische Distanz zwischen den beiden rivalisierenden Nachbarländern in Südamerika. Trotz der Mitgliedschaft im gemeinsamen Markt "Mercosur" fährt Brasilien einen eigenen Kurs - auch bei den aktuellen Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit der EU.

Distanz zu Buenos Aires

"Noch vor fünf Jahren war Argentinien der zweitwichtigste Importmarkt für Brasilien. Mittlerweile hat die Bedeutung der Einfuhren aus Argentinien bei den Importen nach Brasilien insgesamt abgenommen", erklärt Theo Saad vom brasilianischen Industrieverband CNI (Confederaçāo Nacional da Indústria). Die aktuelle Krise in Argentinien ziehe Brasilien deshalb nicht mehr so stark in Mitleidenschaft wie dies 2001 bei der Staatspleite Argentiniens noch der Fall war.

Trotzdem gehört Argentinien nach China und den USA noch immer zu den wichtigsten Handelspartnern Brasiliens. Dazu trägt insbesondere die brasilianische Automobilbranche bei, für die Argentinien ein wichtiger Absatzmarkt ist - der Sektor macht rund die Hälfte aller brasilianischen Exporte nach Argentinien aus.

Doch während die Exporte von Brasilien nach Argentinien zwischen 2012 und 2013 von 17,9 Milliarden US-Dollar auf 19,6 Milliarden US-Dollar stiegen, stagnierten die Importe aus Argentinien nach Brasilien im gleichen Zeitraum - so weist es die Statistik des brasilianischen Industrie- und Handelsministeriums (Mindic) aus.

Im Gegensatz zu Deutschland allerdings spielen Im- und Exporte für Brasiliens Wirtschaft eine untergeordnete Rolle: Das Gesamtvolumen der Ein- und Ausfuhren beträgt nur rund 20 Prozent des brasilianischen Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Außenhandelsquote bei annähernd 80 Prozent.

Proteste gegen argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner. Foto: REUTERS/Marcos Brindicci
Massenproteste: In ihrer Heimat gerät Argentiniens Staatspräsidentin Cristina Kirchner zunehmend unter DruckBild: Reuters

Brasilien braucht Argentinien nicht

"Selbst eine Staatspleite in Argentinien würde Brasilien nicht ernsthaft in Gefahr bringen", meint Federico Foders, Lateinamerika-Experte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Die Sorge, dass ein argentinischer Zahlungsausfall auch Brasiliens Bonität senken könnte, hält er für unbegründet: "Die Investoren kennen den Unterschied zwischen beiden Ländern sehr gut. Das eine ist stabil, das andere nicht".

Innerhalb des gemeinsamen Marktes Mercosur sorgt die argentinische Außenhandelspolitik zunehmend für Unmut. Staatspräsidentin Kirchner will mit Zöllen und zusätzlichen Handelsbarrieren die schwindenden Devisenreserven des Landes sowie die einheimische Industrie schützen.

Mit der EU, ohne Argentinien

"Argentinien ist bekannt für seine besondere Kreativität beim Aufbau solcher Hindernisse", meint der britische Ökonom Edmund Amann von der Universität Manchester. Auch die anderen Mercosur-Länder täten sich schwer, ihre Handelsbarrieren einfach fallen zu lassen. Argentiniens Kurs sei allerdings besonders restriktiv.

Bei den Verhandlungen zur Vorbereitung des Freihandelsabkommens zwischen Mercosur und der EU wollen Brasilien und Uruguay deshalb auch ohne Argentinien voranschreiten. "Brasilien und Uruguay sind ernsthaft interessiert, ihren Außenhandel auszubauen", meint Ökonom Amann.

Der mächtige Verband der brasilianischen Industrie aus Sao Paulo "Fiesp" unterstützt den Kurs. Angesichts der neuen Verhandlungsrunde der Mercosur-Unterhändler, die wahrscheinlich im Februar 2014 in Caracas stattfinden soll, erklärte Rubens Barbosa, Vorsitzender des Fiesp-Außenhandelsrates: "Brasilien darf nicht zur Geisel Argentiniens werden". Die Vorschläge aus Buenos Aires zur Liberalisierung des Handels zwischen Mercosur und EU blieben hinter den Angeboten der anderen Mercosur-Mitglieder zurück.