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Portugal den Rücken kehren

Antônio Netto/Greta Hamann8. Februar 2013

Die europäische Finanzkrise dreht die Richtung lang eingetretener Migrationspfade um: Immer mehr Brasilianer zieht es - weg von Portugal - zurück in die alte Heimat. Aber auch dort wird es nicht für alle rosig.

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Straßenbahnwaggons vor öffentlichem Gebäude in Lissabon (Foto: Getty Images)
Portugal LissabonBild: Getty Images

17 Jahre ist es her, dass die Brasilianerin Gabriela Nogueira ihre Heimat verließ und nach Portugal auswanderte. Damals, Mitte der 90er Jahre, kämpfte die brasilianische Wirtschaft mit vierstelligen Inflationsraten und einer Währungsumstellung. Nur wenige Brasilianer sahen eine Zukunftsperspektive im eigenen Land.

Wie viele andere entschied sich die junge Werbefachfrau Nogueira, ihr Glück in Europa zu suchen. "Ich sah außerhalb von Brasilien mehr Chancen auf eine sichere Zukunft", erinnert sich die inzwischen 42-Jährige. In Portugal konnte man damals gerade die ersten Einflüsse des Eintritts in den europäischen Markt spüren, das Land wuchs und entwickelte sich."

Migrationsland Portugal

Portugal war über zwei Jahrzehnte ein Einwanderungsland: Zwischen 1990 und 2010 vervierfachte sich die Zahl der Ausländer auf fast eine halbe Million. Die portugiesische Migrationsbehörde SEF (Serviço de Estrangeiros e Fronteira) zählt allein 110.000 Brasilianer unter ihnen.

Heute hat sich das Blatt gewendet: Portugal kämpft mit Staatsschulden, die Wirtschaft steht nahezu still. Währenddessen blüht Brasilien auf. Die Arbeitslosenquote liegt dort um sechs Prozent - in Portugal steuert sie auf das Dreifache zu.

Als Folge kehren sich die Migrationspfade um: Ende 2011 lebten 8000 Brasilianer weniger in Portugal als noch zu Beginn des Jahres. Insgesamt verließen in den Jahren 2010 und 2011 mehr als 17.000 Zuwanderer das Land.

Gabriela Nogueira legt den Kopf an die Schulter ihres Ehemanns (Foto: DW/A. Netto)
Gabriela Nogueira zog mit ihrem spanischen Ehemann zurück nach BrasilienBild: DW/A. Netto

Krisenland adé

2012 entschied sich auch Gabriela Nogueira, wieder nach Brasilien zurückzukehren. Leicht gefallen sei ihr die Entscheidung nicht, denn ihr Ehemann ist Spanier, und die fünfjährige Tochter ist in Portugal aufgewachsen. Gemeinsam entschieden sie sich dennoch für den Umzug, denn in Europa sahen sie keine Perspektive mehr. "In Portugal und den anderen europäischen Ländern ist der Arbeitsmarkt so verschlossen. Selbst mit guter Qualifikation bekommt man keine Stelle", sagt sie.

Seit Ende letzten Jahres leben die drei deshalb in der Wirtschaftsmetropole São Paulo. "Hier arbeitet man zwar viel, aber es gibt auch ein reichhaltiges kulturelles Angebot", bewertet Nogueira ihre Erfahrungen. Und in gewisser Weise, findet sie, ähnele São Paulo heute sogar Lissabon, wie sie es vor fast zwei Jahrzehnten kennenlernte.

Schwierige Rückkehr

Während Gabriela Nogueira aus familiären Gründen lange zögerte, nach Brasilien zurückzugehen, sehen sich manche ihrer Landsleute aus ökonomischen Gründen zur raschen Rückkehr gezwungen. Eliana Miranda kam 2005 mit dem Traum von einem besseren Leben und einem eigenem Haus nach Portugal. Sie arbeitete als Kindermädchen und Putzfrau, und - auch wenn sie bald merkte, dass es mit dem Eigenheim schwierig werden würde: anfangs lief alles gut.

Nun aber ist sie bereits seit Monaten arbeitslos, und ihr fehlt das Geld, um in ihre Heimat zurückzukehren. Deshalb wandte sie sich an die Internationale Organisation für Migration (IOM). Die weltweite Organisation hilft Migranten, die nicht die nötigen Mittel zur Heimkehr aufbringen können, mit finanzieller Rückendeckung der portugiesischen Regierung. Sie stellt Flugtickets und hilft teilweise sogar bei der Reintegration im Heimatland.

Die Projektassistentin Isabela Salim legt Zahlen vor, die eine deutliche Sprache sprechen: 2010 stellten 1397 Brasilianer einen Antrag auf Hilfe, 2011 waren es schon 1839 und 2012 kamen allein bis zur Jahresmitte noch einmal 1214 Anträge hinzu.

Für Brasilien sei die gestiegene Zahl an Rückkehrern ein Segen. Deshalb fordert Salim die dortige Regierung auf, Anreize zu schaffen und Brasilianern, die heimkehren wollen, Unterstützung anzubieten. "Diese Menschen bringen aus Portugal ein Know-how mit, von dem Brasiliens Wachstum profitieren kann - vor allem Personen, die im Bausektor und als Dienstleister arbeiten. Beide Bereiche schrumpfen in Portugal und expandieren in Brasilien", sagt Salim.

Bauarbeiter in einem Gerüst (Foto: Jürgen Sorges)
Brasilien braucht Fachkräfte im BausektorBild: J. Sorges

Ende eines Traums

Zwei Tage vor ihrem Abflug nach Belo Horizonte gesteht sich Eliana Miranda ein: "Meine Träume entsprachen nicht der Realität. Und jetzt ist sogar alles noch komplizierter." Nicht einmal das tägliche Überleben sei gesichert, denn auch in Brasilien erwartet die junge Frau kein einfaches Leben: "Ich weiß, dass die Dinge in Brasilien schwierig und sehr teuer sind", sagt Miranda "Doch dort habe ich wenigstens die Hoffnung, ein Chance zu bekommen. Hier in Portugal brauche ich es gar nicht weiter zu versuchen."