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Diamanten fürs Volk

Stefanie Duckstein / (spe)4. Juli 2007

Botswana ist ein reiches Land, vor allem wegen eines Rohstoffs: Diamanten. Eine stabile Demokratie und gute Regierungsführung haben dem Land viel Lob ausländischer Regierungen und Geberorganisationen eingebracht.

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Diamanten werden geprüft
Die Prüfung lohnt sich: <br>Diamanten in BotswanaBild: DW / Duckstein

Koolatotse rast mit seinem weißen Landrover die Serpentinen hinab. 350 Meter tief in den offenen Tagebau. In seiner Sonnenbrille spiegeln sich Plateaus von Geröll.

Mit seinen 32 Jahren hat sich der technische Manager der Mine schnell hochgearbeitet. Einmal hat er selbst einen Diamanten gefunden, erzählt er, in der Südmine, nur so groß wie ein Fingernagel. In solchen Fällen heißt es warten, bis die Sicherheitsmitarbeiter kommen und prüfen, ob es sich wirklich um einen Diamanten handelt. 33 Prozent des Wertes bekommt der Finder. Koolatotse lacht: "Das waren vielleicht 5000 Pula, gut 600 Euro, da er leider bei der Bohrung beschädigt wurde. Es war kein perfekter Diamant."

Vom Volk attestiert: Gute Regierungsführung

Herr Koolatotse, technischer Manager der Jwaneng-Mine
Der technischer Manager in seinem HabitatBild: DW/Duckstein

15 Millionen Karat trotzen die Minenarbeiter dem harten Kimberlitgestein Jahr für Jahr ab, sagt Koolatotse und schaut in die Ferne. Wert: 1,5 Milliarden Euro. Jeder dritte Diamant in der Welt kommt aus Botswana. Debswana, ein Joint-Venture der botswanischen Regierung und des südafrikanischen Diamantenkonzern De Beers, hebt und verwaltet den Schatz. Über 50 Prozent der Gewinne gehen an den Staat. Debswana zahlt die Miete aller Minenarbeiter. Strom, Wasser und auch eine kleine Rente.

Viel habe er mit Politik nicht am Hut, meint Koolatotse, aber genug, um auf sein Land stolz zu sein. Die Regierung mache ihren Job ganz gut, er sei zufrieden damit, wie sie mit dem Einkommen aus den Diamanten umgehe. "Wir profitieren davon. Die Regierung bemüht sich wirklich um das Gemeinwohl aller Arbeiter."

In vier Jahrzehnten zum Wohlstand

1967, nur ein Jahr nach der Unabhängigkeit, entdeckte man im braunen Kalaharisand die ersten Diamanten. Ein großes Versprechen für ein Land, das zu den ärmsten der Welt gehörte. Die Edelsteine bescherten dem Binnenland ganz plötzlich einen unglaublich großen Geldsegen. Und Botswana wurde zum leuchtenden Beispiel Afrikas: Eine umsichtige Verteilungspolitik der Regierung und eine geringe Korruption machten Botswana zu dem, was es heute ist, einem nahezu schuldenfreien Land mit konstantem Wirtschaftswachstum. Und es scheint, als würde auf alle, auf wirklich alle Batswana ein wenig Glanz der Diamanten fallen.

Morgan steuert sein Taxi durch die Innenstadt und bekräftigt: "In unserem Leben spielen die Diamanten eine große Rolle. Sie bieten uns einen großen Rückhalt." Bildung sei gratis, der Schulbesuch kostenlos, das Gesundheitswesen weitgehend von der Regierung subventioniert.

Gratis-Medikamente gegen die Immunschwäche

Sein kleiner Toyota Corolla schiebt sich durch den Nachmittagsstau, vorbei an verspiegelten Hausfassaden und riesigen Einkaufszentren zum Princess Marina Hospital. Die Klinik beherbergt eine der größten HIV/Aids-Ambulanzen der Welt. Täglich erhalten hier bis zu 300 AIDS-Patienten ihre lebensverlängernden Medikamente.

Schatzsuche in der Jwaneng-Mine
Schatzsuche in der Jwaneng-MineBild: DW / Duckstein

Kabelo, ein schmächtiger Mann Anfang Dreißig, schlängelt sich durch die wartenden Patienten ins Behandlungszimmer. Er ist Polizist, seine Arbeitskollegen wissen nichts von seiner Krankheit. Er fürchtet den Klatsch und Ausgrenzung. Nur seiner Familie hat er es erzählt, keinem seiner Freunde. "Diese Krankheit wurde immer geheim gehalten bei uns. Deshalb ist das Stigma so groß."

Bei nur 1,7 Millionen Einwohnern bedroht die Immunschwäche Botswana in seiner Existenz. Jeder Dritte ist HIV-positiv - eine der höchsten Infektionsraten der Welt. Die Regierung entschloss sich im Jahr 2002 als eines der ersten Länder überhaupt, die infektionshemmenden antiretroviralen Medikamente kostenlos und flächendeckend auszugeben. Die Diamanten machen’s möglich.

Kalahari-Buschmänner kämpfen für ihre Kultur

"Diamanten für Entwicklung" – das ist das Motto Botswanas. Am Aufschwung sollen alle teilhaben. Also auch die Basarwa, die letzten Jäger und Sammler der Kalahari Wüste im Zentrum des Landes. Schulen, Krankenhäuser, frisches Trinkwasser für Nomaden in einem Siedlungsgebiet so groß wie die Schweiz – das war dem Staat letztlich zu teuer. Ende der 1990er Jahre ordnete die Regierung die Umsiedlung der etwa 4000 Basarwa an den Rand der Kalahari an. Auch die Buschmänner sollten vom Aufstieg des Landes profitieren.

"Alles Lüge", empört sich der Menschenrechtler Roy Sesana. Zwar seien viele Basarwa zur Schule geschickt worden - doch ohne Ergebnis. "Wie viele von uns sind Krankenschwestern, wie viele sind Lehrer? Nennen Sie mir einen Basarwa, der in der Verwaltung oder der Regierung arbeitet!" Die eigene Kultur und Sprache, das Erbe der Basarwa würden in den Schulen nicht gelehrt. Für ihn sei der Reichtum Botswanas kein Grund, das Land zu preisen.

Das Misstrauen ist groß bei den Basarwa. Seit Jahren schon währt der Konflikt mit der Regierung. Roy Sesana erhielt in seinem Kampf für die Rechte der Ureinwohner Afrikas den alternativen Nobelpreis. Der Staat hält sie für primitiv und wolle sie umerziehen, meint Roy Sesana. Sie passten eben nicht mehr hinein in das Bild vom modernen, aufstrebenden Botswana. Ordentliche Bürger wollten sie aus ihnen machen, in ordentlichen Dörfern, die ihre Kinder ordentlich in die Schule schicken.

Ein Sieg für die Menschenrechte

Ende 2006 gewann Roy Sesana den Prozess gegen die Vertreibung der Buschmänner
Ende 2006 gewann Roy Sesana den Prozess gegen die Vertreibung der BuschmännerBild: DW/Duckstein

"Für mich als Buschmann sind die Diamanten wertlos", urteilt Sesana. Diamanten schafften zwar Einkünfte, aber davon hätten die ursprünglichen Kalahari-Bewohner gar nichts. Im Gegenteil, sie würden von ihrem Land verwiesen, damit mit dem durch die Diamanten erwirtschafteten Geld beispielsweise Tennisplätze gebaut werden könnten. "Das Geld der Diamanten wurde benutzt um mich aus der Zentral-Kalahari zu vertreiben."

Roy Sesana und seine Anhänger klagten vor dem obersten Gericht und erzielten einen spektakulären Erfolg: Das Gericht gab zu, dass die Vertreibung rechtswidrig war. Im Dezember 2006 kehrten die ersten Basarwa wieder in ihre Heimat zurück. Selten haben Ureinwohner auf dieser Welt einen solchen Triumph gefeiert.

Ressourcen gerecht verteilen

50 bis 60 Jahre noch sollen die Diamantenvorkommen vorhalten. Eine vage Schätzung, denn man vermutet weitere, noch unentdeckte Minen unter dem Kalaharisand. Der Wohlfahrtsgedanke sei fest verwurzelt in der Kultur der Batswana, weiß Marc Meinardus von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Gaborone.

Nicht Blut- sondern Gutdiamanten werden hier gefördert
Nicht Blut- sondern Gutdiamanten werden hier gefördertBild: DW / Duckstein

Die Menschen, die in Botswana die Politik lenkten, seien tatsächlich tief überzeugt, dass sie etwas für ihr Volk tun müssten. Kleptokratie sei nicht verbreitet, und niemand käme auf den Gedanken, unglaubliche Summen in die Schweiz zu verschieben. "Die waren vorher schon reich und sind es auch heute noch", beobachtet der Projektleiter, "aber sie haben das Bewusstsein, wir müssen für unsere 'Mama' sorgen.”

Botswana verfängt sich nicht den Fallstricken von Korruption, Kleptokratie und Misswirtschaft wie vielen andere ressourcenreiche Staaten Afrikas, urteilt Meinardus. Reichtum allein reicht nicht, um ein Land aus der Armut zu führen. Diamanten sind noch kein Garant für Wachstum und Wohlstand. Es braucht vor allem den politischen Willen, die vorhandenen Ressourcen auch gerecht zu verteilen. Botswana hat diesen Willen. Und der macht das Land zu einem Vorbild, nicht nur im afrikanischen Vergleich.