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Boko Haram verübt Massaker in Stadt Baga

Katrin Matthaei9. Januar 2015

Im Norden Nigerias hat die islamistische Terrormiliz Boko Haram die Stadt Baga und zahlreiche Dörfer im Umland praktisch dem Erdboden gleich gemacht. Soldaten, die die Bewohner schützen sollten, waren zuvor geflüchtet.

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Nigeria Boko Haram Terrorist
Bild: picture alliance/AP Photo

Kämpfer der islamistischen Miliz Boko Haram haben mindestens elf Dörfer im Umkreis der Stadt Baga überrannt. Baga selbst, ein für die Region wichtiges Wirtschaftszentrum, wurde nach Angaben örtlicher Vertreter nahezu dem Erdboden gleich gemacht. Die Straßen seien mit Leichen übersät. Bezirksvorsteher Abba Hassan bezifferte gegenüber der deutschen Nachrichtenagentur DPA die Zahl der Toten auf mehrere Hundert.

Medienberichte, wonach bei den Angriffen bis zu 2000 Menschen getötet worden seien, wies Hassan aber entschieden zurück. Nach Angaben von Anmnesty International könnte es der bislang folgenschwerste Übergriff Boko Harams sein. Allerdings sind in der Region bei dem Angriff auch zahlreiche Mobilfunkmasten zerstört worden. Berichte ließen sich deshalb derzeit kaum unabhängig nachprüfen, sagte Mausi Segun von Human Rights Watch der Deutschen Welle. Mehreren Berichten zufolge sollen insgesamt rund 20.000 Menschen auf der Flucht sein, vor allem ins nahe gelegene Nachbarland Tschad.

"Wir sahen, wie Boko Haram die Leute umbrachte", sagte der Einwohner von Baga, Mohamed Bukar der Nachrichtenagentur Reuters. Er hatte sich mit seiner Familie in die Hauptstadt des Bundesstaates Borno, Maiduguri, retten können. "Es lagen Leichen in der Straße. Wir sahen viele Frauen und Kinder, manche riefen um Hilfe."

Wo sind die Soldaten?

Es war der zweite Angriff von Boko Haram auf die Stadt Baga innerhalb weniger Tage. Bereits am Samstag hatten Soldaten eine Militärbasis nach einem mehrstündigen Gefecht verlassen und die Bevölkerung schutzlos zurückgelassen. Der Stützpunkt gehört zu einer internationalen Eingreiftruppe, mit der Nigeria und seine ebenfalls von Boko Haram bedrohten Nachbarstaaten Tschad, Niger und Kamerun gegen die Sekte kämpfen wollen. Doch die Kooperation gestaltet sich schwierig. Zum Zeitpunkt des Angriffs hielten sich auf der Militärbasis offenbar nur einige Dutzend nigerianische Soldaten auf.

Streitkräfte in Kamerun (Foto: Reinnier KAZE/AFP/Getty Images)
Kämpft gegen Boko Haram: Kameruns MilitärBild: Getty Images/Afp/Reinnier Kaze

"Die nigerianische Armee und ihr Oberbefehlshaber, Präsident Goodluck Jonathan, haben ihren Ruf komplett verspielt - auch international", sagte Hussaini Mongunu, nigerianischer Sicherheitsanalyst und Ex-Militär, im Gespräch mit der DW. Präsident Jonathan selbst räumte zum Auftakt seines Wahlkampfes für die Wahlen am 14. Februar zwar Schwierigkeiten der Armee im Kampf gegen Boko Haram ein. Die Verantwortung liege aber bei seinen Vorgängern, die die Armee schlecht ausgerüstet hätten.

Das Nachbarland Niger hatte seine Soldaten schon vor dem Überfall vom Militärstützpunkt Baga abgezogen. "Vor dem Hintergrund, dass die nigerianischen Soldaten selbst die Stadt und die Umgebung verlassen haben, hätte ich es unverantwortlich gefunden, unsere Soldaten dort zu belassen", sagte der nigrische Abgeordnete Lamido Moumouni aus der an Nigeria und den Tschadsee grenzenden Region Diffa im Gespräch mit der DW.

Moumouni forderte ein gemeinsames Handeln aller durch Boko Haram gefährdeten Staaten. Der Terror mache an der Grenze nicht Halt. "Die Bevölkerung im Norden Nigerias und im Osten Nigers ist die gleiche: Was den einen passiert, geschieht zwangsläufig auch mit den anderen." Er appellierte an die Afrikanische Union, seinem Land bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms aus Nigeria zu helfen.

Flüchtlingsfamilie aus Nigeria bei Diffa Niger (Foto: DW/Larwana Malam Hami)
Nigerianische Flüchtlingsfamilie in Diffa im Süden des NigerBild: DW/Larwana Malam Hami

Kamerun fordert internationale Hilfe

Inzwischen geraten die anderen angrenzenden Staaten Tschad und Kamerun immer stärker in den Fokus der Islamisten. In einem kürzlich veröffentlichten Internetvideo hatte Boko Harams Anführer Abubakar Shekau dem Präsidenten Kameruns, Paul Biya, erstmals direkt gedroht. Die Organisation werde in Kamerun künftig ähnlich blutige Anschläge verüben wie in Nigeria, hieß es in dem Video.

Kameruns Luftwaffe hatte kurz nach Weihnachten Angriffe der Sekte auf eine Militärbasis im eigenen Land zurückgeschlagen. Biya forderte internationale Hilfe für den Kampf gegen die Terroristen: Eine weltweite Bedrohung bedürfe einer weltweiten Antwort.

Der Bundesstaat Borno, in dem Baga liegt, ist nun in großen Teilen unter Kontrolle der Terrorgruppe, deren Ziel die Errichtung eines Kalifats ist. Nach der Einnahme Bagas und der Militärbasis ist die Angst groß, dass Boko Harams nächstes Ziel Maiduguri sein könnte, die rund 200 Kilometer weiter südlich gelegene Hauptstadt des Bundesstaates.

Die entführten Mädchen von Chibok
In den Händen von Boko Haram: Die entführten Mädchen von ChibokBild: picture alliance/AP Photo

Der südafrikanische Experte Ryan Cummings befürchtet, dass die Sekte während den Wahlen am 14. Februar zuschlagen könnte. Die Sicherheitskräfte seien dann mit der Sicherung der Abstimmung im gesamten Land beschäftigt. Cummings ist Teil des Nigerian Security Network, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Sicherheitsberatern. Außerdem sei die Legitimität der Abstimmung in Gefahr: Die von Boko Haram kontrollierten Gebiete könnten nicht an der Wahl teilnehmen. Viele Wähler seien auf der Flucht. Der vom Terror betroffene Norden Nigerias gilt als Hochburg der Opposition. Sollten Präsident Goodluck Jonathan und seine Demokratische Volkspartei PDP die Wahlen gewinnen, stehe zu erwarten, dass die Opposition die Abstimmung für ungültig erkläre, so Cummings. "Aus der Vergangenheit Nigerias wissen wir, dass solche Situationen dramatische Auswirkungen auf die Stabilität des Landes haben können", warnt Cummings.