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Boko Haram nimmt Militärbasis ein

Katrin Matthaei5. Januar 2015

Längst ist Boko Haram zur Bedrohung auch für Nigerias Nachbarstaaten geworden. Doch deren militärische Zusammenarbeit kommt nicht in die Gänge. Jetzt hat Boko Haram eine multinationale Militärbasis eingenommen.

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Angriff von Boko Haram im nordöstlichen Stadt Konduga nahe Maiduguri / Nigeria
Bild: dpa

Schnellfeuergewehre und Panzerabwehrraketen - ein ansehnliches Waffenarsenal soll Boko Haram in die Hände gefallen sein, als die islamistische Terrorgruppe am Samstag (03.01.2015) die Militärbasis der Stadt Baga im Norgen Nigerias eroberte. Nach wenigen Stunden Feuergefecht flohen die Soldaten vom Stützpunkt. Auch die Stadt selbst ist nun unter der Kontrolle von Boko Haram. Hunderte Zivilisten sind laut Augenzeugenberichten auf der Flucht. Mit der Einnahme von Baga ist die nordöstliche Region Nigerias an der Grenze zu den Nachbarstaaten Niger, Tschad und Kamerun nun praktisch in den Händen der Terrorgruppe.

Die Militärbasis ist Sitz der multinationalen Eingreiftruppe (MNJTF): Die wurde 1998 zur Bekämpfung der Grenzkriminalität im Vierländereck Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger eingerichtet. Im vergangenen Halbjahr einigten sich die betroffenen Staaten darauf, das Mandat auf die Bekämpfung von Boko Haram auszuweiten. Geplant ist die Entsendung von 2800 Mann - 700 pro Land. Wie viele Soldaten aus welchen Ländern sich zum Zeitpunkt der Einnahme tatsächlich in der Militärbasis aufhielten, ist unklar. Denn die grenzüberschreitende Bekämpfung von Boko Haram kommt nur schleppend voran. Offenbar hatten Niger und Kamerun bereits im Vorfeld Bedenken, das Hauptquartier der Eingreiftruppe in der unsicheren Stadt Baga einzurichten.

Bewaffnete Soldaten in Kampfanzug in einer Reihe angetreten Foto: Reinnier KAZE/AFP/Getty Images
Kameruns Armee kämpft ebenfalls gegen Boko Haram. Doch die mit Kooperation Nigeria stockt.Bild: Getty Images/Afp/Reinnier Kaze

Ein Vertreter des tschadischen Außenministeriums, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte im Gespräch mit der DW, der Tschad habe die Probleme mit Boko Haram allmählich satt. Die nigerianische Regierung und Boko Haram seien offenbar nicht bereit, eine Lösung zu finden. Nur sie selbst kennten die wahren Ziele, die sie in der Region verfolgten. Ihr Streit sorge für Unsicherheit und behindere das friedliche Zusammenleben in dem betroffenen Gebiet. Nähere Informationen zu der Einnahme des Militärstützpunktes konnte allerdings auch er nicht nennen.

Kritik an Nigerias Armee

Die rasche Einnahme der Militärbasis schürt weiter Kritik an der nigerianischen Armee. Die Stadt war in den vergangenen zwei Jahren vier Mal von Boko Haram überfallen worden. Die Armee sei dennoch mangelhaft auf einen Angriff vorbereitet gewesen, sagt Kabiru Adamu, Sicherheitsanalyst aus Nigerias Hauptstadt Abuja im Gespräch mit der DW. "Das ist wirklich inakzeptabel", so Adamu. Alle umliegenden Gemeinden seien bereits unter der Kontrolle von Boko Haram gewesen. In seinen Augen war es eine Frage der Zeit, bis die Sekte Baga erneut angreifen würde.

Weil die Gegend schon unter Boko-Haram-Kontrolle war, konnten die Truppen auf der Basis nicht wirklich agieren", erklärt dagegen Ryan Cummings, südafrikanischer Analyst beim Nigerianischen Netzwerk für Sicherheit, einem Zusammenschluss von internationalen Wissenschaftlern und Sicherheitsberatern. "Weil die Basis logistisch und operativ abgeschnitten war, konnte sie keine Verstärkung bekommen", so Cummings.

Karte Nigeria Deutsch/Englisch
Im Nordosten Nigerias liegt die Hochburg von Boko Haram

Internationales Eingreifen umstritten

Warum das Militärbündnis nicht in die Gänge kommt, obwohl Boko Haram immer weiter Richtung Osten - also Richtung Niger, Tschad und Kamerun - vordringt, ist unklar. Dabei stünden die Chancen nicht schlecht, gemeinsam die Terrorgruppe effektiv zu bekämpfen, sagt Cummings. "Boko Haram würde so eine zweite Front aufgezwungen: die nigerianische Armee im Westen auf der einen Seite und Tschad und Kamerun im Osten auf der anderen." 2800 Soldaten seien genug, um Boko Haram einzugrenzen oder zumindest zurückzudrängen, so Cummings.

Dass die Anrainerstaaten die Sekte und deren asymmetrische Kriegsführung militärisch effektiv bekämpfen können, glauben allerdings nicht alle. "Es ist sehr schwierig, solch eine Bewegung einzudämmen", sagt etwa Abou Oumarou, ehemaliges hochrangiges Führungsmitglied der Armee in Nigerias Nachbarstaat Niger, im Gespräch mit der DW. "Boko Haram ist keine Armee, die mit den Truppen der Nachbarstaaten sozusagen in eine militärische Auseinandersetzung tritt." Stattdessen werde Boko Haram der militärischen Auseinandersetzung gegen die internationalen Truppen ausweichen und sich unter der einheimischen Bevölkerung verstecken - um dann zum Gegenschlag auszuholen, ist Oumarou überzeugt. "Eine militärische Lösung - auch mithilfe etwa der Europäer - kann es nicht geben", sagt er. "Es muss eine Feuerpause ausgehandelt werden und dann einen Dialog geben."

Wahlen in Gefahr

Nach der Einnahme der Stadt Baga und der Militärbasis ist die Angst groß, dass Boko Harams nächstes Ziel Maiduguri sein könnte, die Hauptstadt des Bundesstaates Borno. Borno ist die Hochburg von Boko Haram. Aber auch große Städte in den ebenfalls betroffenen nigerianischen Bundesstaaten Adamawa und Yobe sind in Gefahr. "Das sind Städte, in denen Hundertausende Menschen leben", warnt der Südafrikaner Ryan Cummings. Er befürchtet, dass die Sekte bei den Wahlen am 14. Februar zuschlagen könnte, wenn die Sicherheitskräfte mit der Sicherung der Abstimmung im gesamten Land beschäftigt sind.

Nigerias Präsident Goodluck hebt beide Arme zu einer Siegerpose Foto: AP Photo
Nigerias Präsident Goodluck Jonathan will sich bei der Wahl im Februar 2015 im Amt bestätigen lassenBild: picture-alliance/AP

Für die anstehende Abstimmung ist es katastrophal, dass Boko Haram nun weite Teile des Nordostens unter seine Kontrolle gebracht hat. Die Wahlen werden dort nicht stattfinden. Viele Bewohner der Region werden zudem nicht abstimmen können, weil sie auf der Flucht sind oder vertrieben wurden. Die Legitimät der Wahl ist damit gefährdet. Das kommt nicht zuletzt der politischen Opposition zupass: Sie ist im Nordosten stark verankert. Sollten Präsident Goodluck Jonathan und seine Demokratische Volkspartei PDP die Wahlen gewinnen, steht zu erwarten, dass die Opposition die Abstimmung für ungültig erklären wird. "Aus der Vergangenheit Nigerias wissen wir, dass solche Situationen sehr große Auswirkungen auf die Stabilität und die Sicherheit des Landes haben können", warnt Cummings.