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BND-Affäre belastet die Koalition

Kay-Alexander Scholz4. Mai 2015

Die Spionageaffäre beherrscht das politische Berlin: Der Bundestag, sein Kontrollgremium und ein Untersuchungsausschuss werden sich mit dem Thema befassen. Längst schon ist der Koalitionsfrieden gestört.

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Vizekanzler Gabriel und Kanzlerin Merkel im Bundestag (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/H. Hanschke

Auch nach dem langen Wochenende ist die BND-Affäre das Topthema in Berlin. Überraschend kündigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière an, diesen Mittwoch vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) aussagen zu wollen. Der Minister hat sich selbst zur Sitzung des geheim tagenden Gremiums eingeladen, das dürfen die Mitglieder der Bundesregierung. De Maizière will in die Offensive gehen und die ihm gegenüber gemachten "Unterstellungen" ausräumen, sagte er auf einer Tagung in Berlin.

Kern dieser Unterstellungen ist, dass de Maizière schon im Jahr 2008, damals Chef des Bundeskanzleramts und damit zuständig für die Geheimdienste, von der umstrittenen Zusammenarbeit zwischen BND und NSA gewusst habe. Das verneint er nun. Er habe damals nur künftigen Missbräuchen vorbeugen wollen - konkrete Erkenntnisse über Missbräuche der NSA habe es nicht gegeben.

BND-Affäre: Thomas de Maiziere geht in die Offensive (Foto: Getty Images)
BND-Affäre: Thomas de Maiziere geht in die OffensiveBild: AFP/Getty Images/J. Macdougall

Doch der Vorwurf steht weiterhin im Raum, der BND habe europäische Firmen sowie ranghohe Politiker der EU ausgespäht. Inoffiziell soll die Bundesregierung das sogar in einem Geheimpapier bestätigt haben. Nach eigenen Angaben konnte das ZDF Politmagazin "Frontal 21" das Papier einsehen. Darin habe die Regierung eingeräumt, dass die amerikanische Spionage-Praxis gegen deutsche Interessen verstoße. Mindestens bis August 2013 soll die NSA deutsche und europäische Ziele ausspäht haben.

Zwei Bühnen in einer Woche

Neben de Maizière will auch der derzeitige Kanzleramtsminister Peter Altmaier vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) aussagen. Dort gehöre die Aufklärung der Geschehnisse hin, betonte am Montag Regierungssprecher Steffen Seibert erneut. Er bat um Verständnis dafür, dass über Geheimdienst-Arbeit nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werde.

Doch neben dem PKGr gibt es derzeit noch eine zweite Bühne für die BND-Affäre: den NSA-Untersuchungsausschuss. Am Donnerstag sollen vier leitende BND-Mitarbeiter als Zeugen zum Umgang mit sogenannten Selektoren befragt werden. Selektoren können Suchbegriffe zu bestimmten Themen, aber auch Telefonnummern, Standortdaten oder E-Mail-Adressen sein. Die Opposition will Einblick in die Liste der Selektoren bekommen, die der BND für die Amerikaner abgefragt haben soll. Ob das geschehen kann, ist noch offen. Denn dazu müssen die amerikanischen Partner einbezogen werden. Dieses "bewährte Konsultationsverfahren" laufe noch, sagte Regierungssprecher Seibert und trat dem Eindruck entgegen, die Deutschen müssten bei den Amerikanern um Erlaubnis bitten. Die deutsche Seite allein werde entscheiden, so Seibert.

Auch die Bundeskanzlerin werde, sollte sie vom NSA-Ausschuss eingeladen werden, dort gerne hingehen, sagte Seibert zu aktuellen Forderungen aus der Opposition. Doch der Ausschussvorsitzende, der CDU-Politiker Patrick Sensburg, sagte, er sehe aktuell keinen "Grund, von der vom Ausschuss beschlossenen Planung der Zeugenbefragung" abzuweichen. Doch so ganz kann sich Angela Merkel wohl nicht aus der Affäre heraushalten.

Misstöne in der Regierungskoalition

Ausgerechnet der SPD-Vorsitzende, Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel zeigt inzwischen mit dem Finger auf die Kanzlerin: Er habe sie zwei Mal ausdrücklich danach befragt, ob es Wirtschaftsspionage gegen deutsche Unternehmen gegeben habe. "Beide Male ist das von der Kanzlerin verneint worden", sagte Gabriel in Berlin. Sollte dennoch Spionage stattgefunden haben, "sei das eine schwere Belastung des Vertrauens der Wirtschaft in staatliches Handeln". Die jetzige Affäre sei mehr als einer der üblichen und alle paar Jahre wiederkehrenden Skandale um Geheimdienste, so Gabriel. Schon in der vergangenen Woche hatte die SPD-Generalsekretärin dem Kanzleramt vorgeworfen, in der Aufsicht über den BND kläglich versagt zu haben. Für Merkels CDU sind solche Angriffe des Koalitionspartners SPD nicht ohne. Denn der SPD wird es dabei nicht allein um die Sache an sich gehen.

Früher Wahlkampf? Sigmar Gabriel greift Angela Merkel an (Foto: dpa)
Früher Wahlkampf? Sigmar Gabriel greift Angela Merkel anBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Die Hälfte der gemeinsamen Regierungszeit ist vorüber. Und obwohl das Kabinett Merkel bisher vor allem sozialdemokratische Politik durchgesetzt hat, kann die SPD davon in Meinungsumfragen nicht profitieren. Da kommt so eine Geheimdienst-Affäre offenbar ganz gelegen zur Profilbildung.

Dass in der BND-Affäre groß-koalitionärer Sprengstoff liegt, zeigte sich am Montag auch beim dritten Koalitionspartner, der bayerischen CSU. Die Christsozialen forderten eine Zeugenvernehmung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Wesentliche Vereinbarungen mit der NSA stammten schließlich aus der Zeit, in der Steinmeier Kanzleramtschef war und damit die Aufsicht über den BND hatte, sagte der CSU-Innenexperte Stephan Mayer, der auch Mitglied des PKGr ist. Steinmeier sei 2002 verantwortlich für die Intensivierung der Zusammenarbeit mit der NSA gewesen. Das entsprechende Abkommen ist geheim, soll den Amerikaner aber weitgehende Rechte einräumen.

Im Nachbarland Frankreich spielt die BND-Affäre keine Rolle, obwohl angeblich französische Politiker und Firmen ausgespäht worden sein sollen. Bei einem Telefonat am Wochenende zwischen Merkel und François Hollande sei es ausschließlich um die Ukraine-Krise gegangen, sagte Regierungssprecher Seibert.

Auch in den französischen Medien taucht das Thema kaum auf. Allerdings könnte das auch damit zusammenhängen, dass Frankreich schärfere Antiterrorgesetze plant und die Regierung das Thema nicht hochkochen lassen will. Außerdem wird die Arbeit der Geheimdienste in Frankreich weniger kritisch gesehen als in Deutschland, wo die Erfahrungen zweier Diktaturen noch immer sehr lebendig sind.