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Blumen aus aller Welt für die größte Blumenbörse weltweit

Ruth Reichstein28. April 2008

Frühling – die Natur erwacht und die Knospen sprießen. Auch das Geschäft mit Blumen boomt – zumindest in den Niederlanden. Jede Blume, die in Europa verkauft wird, war vorher hier: auf der größten Blumenbörse der Welt.

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ARCHIV - Der Valentinstag naht. Bei FloraHolland in Naaldwijk, einem der größten Blumenumschlagsplätze der Welt, stehen die Mitarbeiter bereit für die hektischsten Tage im Jahr (undatiertes Handout). Rund sechs Milliarden Schnittblumen gehen jährlich durch ihre Hände. Und der 14. Februar, an dem sich Liebende in aller Welt mit Blumen beschenken, ist auch in Naaldwijk das wichtigste Datum. In dem kleinen Ort zwischen Rotterdam und Den Haag befindet sich die größte Niederlassung von FloraHolland, dem Weltmarktführer mit einem Umsatz von gut 2 Milliarden Euro. Foto: FloraHolland (zu dpa-Korr "Niederländische Blumenbörse gerüstet für Valentinstag" vom 09.02.2007) +++(c) dpa - Report+++
Arbeitsalltag auf der FloraHolland: Blumen annehmen und möglichst schnell wieder verkaufen.Bild: picture-alliance/ dpa

Elf Milliarden Schnittblumen werden hier jedes Jahr gehandelt. Im vergangenen Jahr erzielte Flora Holland einen Umsatz von vier Milliarden Euro und gehört damit zu den Branchen, die stetig wachsen. Gärtner aus aller Welt liefern ihre Schnittblumen nach Holland, wo sie dann wiederum von Händlern aus der ganzen Welt ersteigert werden. Aber der Handel mit den schönen Blumen, die jedes Herz erfreuen, hat auch seine negativen Seiten.

Auf handgroßen Metallrollen schieben sich die Blumencontainer auf Schienensträngen durch die riesige Kühlhalle der Blumenversteigerung in Naalwijk. Die Container, auf denen die Blumen, die an diesem Morgen versteigert werden sollen, warten, ähneln mannshohen Metallregalen. Jos Gouverneur, ein niederländischer Blumenhändler, geht durch die Regalreihen. Vor einem der Container bleibt der hagere Händler stehen, fährt sich durch seine grauen Haare und nimmt dann einen Bund roter Rosen aus einem Eimer.

People work in the bulbfields in Lisse, Netherlands, Thursday, 12 April 2007. EPA/PIETER FRANKEN +++(c) dpa - Report+++
Riesige Blumenfelder in Lisse - Blumenanbau in den Niederlanden.Bild: picture-alliance/ dpa

Der Blumenflüsterer

"Diese Rose heißt First Red", sagt Gouverneur. Sie ist 80 Zentimeter lang und hat 20 Stiele im Bund. Der Name der Gärtnerei steht hier drauf, erklärt Gouverneur und deutet mit dem Zeigefinger auf ein Etikett am Eimer. "Das ist hier in Holland. Die Länge steht drauf – es sind sogar 90 Zentimeter", fügt er hinzu. Die sollen gleich versteigert werden, denn heute sind sie billig und kosten 30 bis 40 Cent.

Jeden Morgen kommt Jos Gouverneur hierher – seit über 20 Jahren. Mittlerweile hat der 63-Jährige Unterstützung von drei Mitarbeitern, die für ihn die Blumen ersteigern, aber der Händler, der seine Ware nach Deutschland, Frankreich und Spanien liefert, will die Qualität immer noch selbst prüfen. "Die längeren Blumen, zum Beispiel Rosen, die haben dickere Stiele, was bedeutet, dass sie besser haltbar sind. Bei der Chrysantheme hängt es vom Gewicht ab. Das ist alles Fingerspitzengefühl", sagt Gouverneur und steckt den Bund Rosen zurück in den Eimer. Der Metallwagen wird weiter geschoben in Richtung Tribüne, denn von dort aus sollen die Blumen unter den Hammer kommen.

Naaldwijk in Rotterdam ist nicht die Wall Street in New York

Florist arranges bouquet of flowers
Blumen als Gestecke oder als Sträusse zum Muttertag - Hauptsache sie werden schnell weiterverkauft und -verarbeitet.Bild: AP

Jeden Tag kaufen hier über 2000 Händler rund 10.000 Rohcontainer voller Rosen, Amaryllis oder Tulpen – insgesamt elf Milliarden Blumen im Jahr. In den frühen Morgenstunden kommen die Händler in die Kühlhalle, um die Ware zu prüfen. Wenig später versuchen sie auf der Tribüne die schönsten Blumen für den niedrigsten Preis zu ersteigern. Hier wird allerdings nicht gebrüllt, sondern es geht ganz gesittet zu: Eine riesige Uhr zeigt den geforderten Höchstpreis an, dann fällt der Preis, bis einer der Händler seinen Knopf drückt. Jos Gouverneur drückt heute besonders schnell bei den Rosen.

Die Händler arbeiten konzentriert. "Man darf nicht gestört werden, denn man muss aufpassen, dass man nichts verpasst", erklärt Gouverneur. Ständig kreisen Fragen durch ihre Köpfe: Wie wird es heute? Geht der Preis runter? Geht der Preis hoch? "Genau wie bei der Aktienbörse. Das ist so ein Spiel", fügt der Blumenhändler hinzu. Ein Spiel, das teilweise groteske Auswirkungen hat. Einige der Blumen, die Jos Gouverneur einkauft und nach Südfrankreich liefert, sind am Vortag eben von dort in die Niederlande transportiert worden. Teilweise sind die Wege noch weiter – zum Beispiel einmal Kenia und zurück. Allein für Jos Gouverneur fahren täglich eine Handvoll Lastwagen durch Europa und er gehört noch zu den kleineren Händlern.

Fairer und umweltschonender Blumenhandel: Noch immer eine Zukunftsvision

A worker moves a bunch of roses at a flower farm in Naivasha, Kenya, Wednesday, Feb. 7, 2008 . Kenyan flowers _ mostly roses _ account for a quarter of Europe's cut flower imports, and Kenyan growers have been pushing to keep exports up for the Valentine's Day holiday despite ethnic violence that has paralyzed the East African country. (AP Photo/Bernat Armangue)
Rosen aus Kenia - keine Seltenheit in Europa. Transporte sind billig, aber auch umweltschädlich.Bild: AP

Theo de Groot neben den Blumenhändlern und beobachtet das Treiben der Versteigerung regelmäßig. Als Leiter der Stiftung MPS bietet er allerdings nicht mit. Das MPS, Milieu Programma Sierteelt oder Umweltprogramm Zierpflanzen, haben niederländischen Gärtner gemeinsam mit der Blumenversteigerung gegründet. Das Ziel ist, Umwelt- und Sozialstandards im Blumengeschäft einzuführen. Aber noch ist es bis dahin ein langer Weg wie auch Theo de Groot erklärt: "Der Transport verbraucht einfach unglaublich viel Energie und CO2. Im Norden von Europa brauchen die Gärtner viel Energie für die Beheizung der Gewächshäuser. Im Süden braucht man weniger Energie zum Heizen, aber dafür kommt dann der Transport dazu."

Ein Arbeiter der Oserian Blumenfarm am Naivasha-See in Kenia sitzt in Schutzkleidung und mit Gesichtsmaske auf einem Traktor, um ein Blumenfeld mit Pflanzenschutzmitteln zu besprühen. Mehrere andere Blumenfarmen stehen unter Verdacht, Arbeiter auch ohne diesen Schutz für das Versprühen der teils gesundheitlichen Chemikalien einzusetzen (Foto vom 07.04.2005). Die Arbeitskräfte sind billig. Der staatliche Mindestlohn liegt bei 25 Euro monatlich. Kenia hat im vergangenen Jahr knapp 60.000 Tonnen Schnittblumen exportiert und ist damit vor Kolumbien und Israel der größte Lieferant für den europäischen Markt. Foto: Ulrike Koltermann. (Zu dpa-Reportage: "Rote Rosen aus Kenias 'Tal der Glücklichen' - Für Hungerlohn geerntet" vom 19.04.2005) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Für einen Hungerlohn schufften - Arbeiter der Oserian Blumenfarm am Naivasha-See in Kenia. Viele Farmen stehen dort unter Verdacht, die Arbeiter auch ohne Schutzbekleidung den Chemikalien auszusetzen.Bild: picture-alliance/ dpa

Die Untersuchungen fangen gerade erst an und schon gibt es Zertifikate, die an Betriebe vergeben werden, die zum Beispiel weniger Spritzmittel einsetzen. Aber gerade in Afrika, wo immer mehr Blumen produziert werden, entsprechen die Arbeitsbedingungen nach wie vor selten europäischen Standards, sagt Gerard Roest von der holländischen Gewerkschaft FNV. "Die Arbeitsbedingungen sind fürchterlich – zum Beispiel im Umgang mit Spritzmitteln." Die Kontrollen seien weniger streng und Mittel, die in Europa verboten seien, werden dennoch hier produziert und dann nach Afrika exportiert, wie zum Beispiel das Pflanzenschutzmittel DDT. "Der Einsatz wäre hier in Europa völlig undenkbar", fügt Roest hinzu.

Aber die billigen Blumen aus Afrika machen auch den europäischen und speziell den niederländischen Gewächshäusern Druck. In kaum einer Branche ist der Anteil von Schwarzarbeitern so hoch wie in der Blumenproduktion. Nach Angaben der Gewerkschaft beschäftigen fast 40 Prozent der Betriebe Arbeiter, ohne Sozialabgaben abzuführen. Der Blumenhändler Jos Gouverneur weiß, dass all das den Preis seiner Ware beeinflusst. An diesem Morgen hat er Blumen im Wert von 26.000 Euro eingekauft – darunter allein 47.000 Rosen.