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Sánchez sorgt für Aufruhr

Moraes, Patrick / Hamann, Greta22. Februar 2013

Nach acht Jahren und vielen Ausreiseanträgen durfte die regimekritische Aktivistin Kuba verlassen. Doch auf ihrer Tour durch mehrere Länder wird sie nicht nur begeistert empfangen.

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Demonstranten für und gegen die kubanische Bloggerin Yoani Sanchez in Brasilien (Foto: reuters)
Demonstranten für und gegen die kubanische Bloggerin Yoani Sanchez in BrasilienBild: Reuters

Es gibt nicht viele Menschen, die sich freuen, wenn sie beleidigt werden – die Bloggerin, Aktivistin und Journalistin Yoani Sánchez aus Kuba schon. Bei ihrer Ankunft am vergangenen Sonntag in Recife erwarteten sie am Flughafen nicht nur Umarmungen und Blumensträuße. Gleichzeitig wedelten auch schon die ersten Castro-treuen Demonstranten und Kritiker der Bloggerin mit Dollarscheinen und hielten ihr die kubanische Flagge entgegen. Was ausdrücken sollte: Sie sei eine Agentin des US-amerikanischen Geheimdienstes, die von den USA dafür bezahlt werde, Kritik an der kubanischen Regierung zu üben. "Eines Tages wird man auch in meinem Land öffentlich seine Meinung äußern können", sagte Yoani Sánchez und freute sich, dass die Personen Gebrauch von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung machten.

Personenschutz verdoppelt

Demonstranten halten Schilder in der Hand. (Foto: AP)
Viele Proteste Castro-treuer Demonstranten begleiten Yoani Sánchez auf ihrer Reise durch Brasilien.Bild: picture-alliance/AP

Doch mittlerweile scheint ihr Lächeln nicht mehr ganz so zu strahlen wie bei ihrer Ankunft, und auch die Stimme der 37-Jährigen ist müder geworden. Spätestens bei ihrer fünften Station auf ihrer Reise in Brasilien in São Paulo merkte sie: Der Zwischenfall am Flughafen war erst ein kleiner Vorgeschmack. Nur unter massivem Personenschutz konnte Sánchez die Bücherei überhaupt betreten. Beim Sprechen wurde sie immer wieder von wütenden Zwischenrufen unterbrochen – genauso waren aber auch zahlreiche Unterstützer anwesend.

Zuvor musste die Bloggerin eine Filmvorführung über die Pressefreiheit in Kuba begleitet von Sicherheitsleuten verlassen. Der Film konnte nicht bis zum Ende gezeigt werden. Bei einer anderen Veranstaltung zogen Kritiker sie an den Haaren. Die Zwischenfälle führten dazu, dass ihr persönlicher Schutz während ihrer Reise durch Brasilien verdoppelt werden musste.

"Das ist kein Protest, das ist Fanatismus."

Yoani Sánchez umarmt Menschen. (Foto: reuters)
Der Empfang am Flughafen in Recife war herzlich. Gleichzeitig wurde gegen Sánchez protestiert.Bild: Reuters

Die Proteste trafen Yoani Sánchez nicht komplett unerwartet: "Einige Blogger haben mir bereits angekündigt, dass ich schwierige Zeiten haben würde hier in Brasilien", sagt Sánchez. Sie akzeptiere, dass man ihre Meinung in Frage stelle, doch für die letzten Proteste kann sie wenig Verständnis aufbringen: "Sowohl verbal als auch physisch war man aggressiv gegen mich, um mich zum Schweigen zu bringen. Das ist kein Protest, das ist Fanatismus." Auf ihrem berühmten Blog "Generation Y – Aus Kuba" schrieb sie am Abend: "Ich konnte den langen Arm sehen, der die Protestierenden bewegt. Er beginnt am Platz der Revolution in La Habana."

Trotz der zahlreichen Anfeindungen freut sich Yoani Sánchez über die Aufmerksamkeit, die sie in Brasilien erhält: "Diese Reise übertrifft meine Erwartungen um das Zehnfache." Denn genau wie die Castrotreuen, versammeln sich auch zahlreiche Sympathisanten der Bloggerin. Die Buh-Rufe vermischen sich mit dem Jubel der Anhänger. Die schüchtern wirkende Frau gleicht einem Popstar, der durch das Land tourt. Von einem Medienauftritt geht es zum nächsten. Sogar das brasilianische Parlament hat sie eingeladen.

Kubanische Reformen nicht bahnbrechend

Auch wenn sie mehrere Veranstaltungen aufgrund der Proteste früher als geplant verlassen musste, verpasste Yoani Sánchez nicht die Gelegenheit, erneut die kubanische Führung zu kritisieren. Die aktuellen Reformen des kubanischen Präsidenten Raúl Castro seien nicht so bahnbrechend, wie sie vom Ausland wahrgenommen würden: "Sie gehen in die richtige Richtung, aber zu langsam und ohne jegliche Tiefe. Eigentlich legalisieren die Reformen nur das, was zuvor eh schon praktiziert wurde. Vorher wurden die Autos auf dem Schwarzmarkt verkauft, jetzt ist es halt legal."

Ebenso kritisierte die Bloggerin die brasilianische Regierung für die Zurückhaltung in Bezug auf Kuba: "Brasilien fehlt Stärke und Aufrichtigkeit. Wir Kubaner vermissen eine klare Haltung der Regierung." Auch vor den USA und dem schon seit Jahrzehnten anhaltenden Embargo machte Sánchez nicht halt. Es sei ein Fossil, das aus den Zeiten des kalten Krieges übrig geblieben sei. Außerdem würde es dem kubanischen Regime eher entgegen kommen: "Viele sagen, es sei eine Art, Kuba zu unterdrücken. Aber in Wirklichkeit nutzt die Castroregierung dieses Embargo als Entschuldigung für die Situation im Land. Ich will gerne sehen, welchen Sündenbock Castro nutzt, sollte es das Embargo nicht mehr geben."

Hilfe von Freunden und Unterstützern weltweit

Der Besuch in Brasilien ist die erste Station einer dreimonatigen internationalen Reise, auf der die kubanische Bloggerin Vorträge geben und an Debatten über die Meinungsfreiheit teilnehmen wird. Nach Angaben von Sánchez wird die Tour von Organisationen wie Amnesty International und verschiedenen Presseunternehmen sowie einer Reihe von Freunden und Unterstützern finanziert. Weitere Stationen ihrer Reise sind Mexiko, Peru, die USA, Tschechien, Deutschland, Schweden, die Schweiz, Italien und Spanien.

Auf die Möglichkeit zum Besuch im Ausland wartete Yoani Sánchez lange. Zwanzig Ausreiseanträge lehnten die kubanischen Behörden in den vergangenen acht Jahren ab. Ihren Blog "Generation Y – Aus Kuba", auf dem sie von ihrem Alltag auf Kuba berichtet und immer wieder das System und die Regierung kritisiert, betreibt sie mit Hilfe von zahlreichen Freunden und Unterstützern aus dem Ausland. Sie übersetzen die Artikel auf bis zu zwanzig Sprachen und stellen sie ins Internet. Im Jahr 2008 erhielt sie von der Deutschen Welle den Weblog-Award The BOBs. Bis heute konnte sie den Preis noch nicht in Empfang nehmen.

Yoani Sánchez hält Brasilienflagge (Foto: reuters)
In 80 Tagen um die Welt: Brasilien ist die erste Station ihrer Reise.Bild: Reuters

Neben ihrem Blog schreibt Yoani Sánchez regelmäßig Gastbeiträge in internationalen Tageszeitungen wie der deutschen "taz – die tageszeitung", dem brasilianischen Blatt "Estado de Sao Paulo" und der spanischen Zeitung "El País".