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BIZ: Finanzkrise ist noch nicht ausgestanden

Hilke Fischer30. Juni 2014

Die Kurse auf den weltweiten Aktienmärkten steigen und steigen - obwohl sich die Volkswirtschaften nur langsam von der schweren Finanzkrise erholen. Die Welt-Zentralbank BIZ warnt.

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Bankenskyline von Frankfurt Foto: Boris Roessler/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Auf den weltweiten Aktienmärkten geht es steil bergauf: Dax, Nikkei und Dow Jones steigen seit Jahren kontinuierlich, allen politischen und ökomischen Krisen zum Trotz. Sechs Jahre nach der Lehman-Pleite, die die komplette Weltwirtschaft in die Krise riss, herrscht ungebrochener Optimismus. Doch die Finanzkrise sei noch nicht ausgestanden, warnt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ): "Die Finanzmärkte sind euphorisch, befinden sich im Bann der Jagd nach hohen Renditen. Gleichzeitig sind Investitionen in die Realwirtschaft noch immer schwach und der makroökonomische und geopolitische Ausblick von hoher Unsicherheit geprägt", zitiert das Wall Street Journal Claudio Borio, den Chef der Abteilung für Wirtschaft und Geldpolitik der BIZ.

Die im schweizerischen Basel ansässige Bank gilt als die "Zentralbank der Zentralbanken". Sie dient als Plattform für den Austausch von Notenbankern in aller Welt und verwaltet in deren Auftrag Teile der globalen Goldreserven. Die BIZ war eine der wenigen Institutionen, die vor der schweren Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 gewarnt hatten.

Die Weltwirtschaft weise im vergangenen Jahr zwar ermutigende Entwicklungen auf, heißt es in dem am Sonntag (29.06.2014) veröffentlichten Jahresbericht der BIZ. Doch die Investitionen seien weiterhin verhalten, die Verschuldung im privaten und öffentlichen Sektor steige nach wie vor. "Geborgtes Geld darf nicht länger der wichtigste Wachstumsmotor sein", warnt die BIZ. Angesichts der lockeren Geldpolitik vieler Zentralbanken mahnt sie an, dass niedrige Zinsen das Problem der hohen Verschuldung nicht lösen würden. Auch nach sechs Jahren extrem lockerer Geldpolitik sei das globale Wachstum noch sehr schwach. Die Geldpolitik der Industrieländer setze zudem die Wirtschaft vieler Schwellenländer unter Druck.

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel Foto: http://www.bis.org/press/photo_gallery.htm
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in BaselBild: BIZ

Unbeachtete Gefahren durch risikofreudige Investoren

Weil die Zinsen für Erspartes nach wie vor in den meisten Industrienationen auf Rekordtief sind, bieten Aktien eine renditeträchtige Alternative. Die Gefahr der Blasenbildung hält Christian Schulz, Volkswirt bei der Berenberg Bank, jedoch für gering: "Die Aktienmärkte sind zwar in einigen Länder auf Rekordständen angekommen. Wenn man aber die Aktienkurse um die Preisentwicklung und die Wirtschaftsentwicklung in den Jahren nach der Krise bereinigt, dann sind die Aktienkurse zum Beispiel in der Eurozone auch heute noch durchschnittlich zehn bis 15 Prozent unter dem Stand von 2008", so Schulz. Einen besonderen Boom bei den Aktienkursen habe es hingegen in den USA, Großbritannien und Japan gegeben. "Da betragen die Zugewinne 20 bis 40 Prozent. Durch die gestiegenen Gewinne und Gewinnerwartungen der Firmen und dadurch, dass die Wirtschaft schneller wächst als in der Eurozone, lassen sich die aber auch rechtfertigen."

Ein ganz neues Risiko geht der BIZ zufolge von als eher konservativ geltenden Großinvestoren wie Pensionsfonds oder Vermögensverwalter aus: Durch die weltweit niedrigen Zinsen würden diese immer höhere Risiken eingehen, um unter Druck teils garantierte Erträge zu erwirtschaften, sagte der neue Chefvolkswirt der BIZ, Hyun Song Shin, der Nachrichtenagentur Reuters. So seien Investoren inzwischen oft bereit, teils hoch riskante Wertpapiere, etwa Anleihen von Firmen mit niedrigerer oder zweifelhafter Bonität, zu zeichnen. 2013 seien weltweit pro Quartal im Schnitt riskante Unternehmensanleihen im Wert von 90 Milliarden Dollar ausgegeben worden, die reißenden Absatz fanden. Vor der Krise waren es pro Quartal im Schnitt 30 Milliarden Dollar. "Diese Volumina sind im Vergleich zu den gesamten Finanzmärkten immer noch verschwindend gering", so die Einschätzung von Berenberg-Analyst Schulz. "Dass wir eine systemische Finanzkrise herbei-investieren, so wie das vor der Krise der Fall war, sehe ich im Moment nicht." BIZ-Chefökonom Shin ist da vorsichtiger: "Wir dürfen nicht blind werden für neue Risiken." Die Bemühungen um eine umfassende Regulierung der Finanzbranche dürften nicht bei den Banken stehenbleiben. Um möglichen Spekulationsblasen entgegenzuwirken - etwa an den in vielen Ländern angespannten Immobilienmärkten - spricht sich Shin für staatliche Gegenmaßnahmen aus.

Christian Schulz Foto: Christian Schulz
Berenberg-Volkswirt Christian SchulzBild: privat

"Neuer politischer Kompass nötig"

Den Banken hingegen sprach die BIZ ein verhaltenes Lob aus: Weltweit habe die Branche wieder recht gut Tritt gefasst, heißt es in dem Bericht. Gerade in Europa bleibe die Lage aber angespannt, die hohe Verschuldung der Institute sei weiterhin ein Risiko. Der laufende Bankenstresstest der Europäischen Zentralbank sei ein Schritt in die richtige Richtung. Die Ergebnisse sollen im November veröffentlicht werden. Außerhalb des Euro-Raums, vor allem in den USA, hätten sich der BIZ zufolge die Gewinne der Banken im vergangenen Jahr wieder deutlich verbessert.

Um die Finanzkrise nachhaltig zu überwinden, brauche es einen neuen politischen Kompass, resümiert die BIZ. Die Politik müsse eine längerfristige Perspektive einnehmen. "In den Krisenländern muss mehr Gewicht auf Bilanzsanierung und strukturelle Reformen gelegt werden und vergleichsweise weniger auf geld- und fiskalpolitische Impulse", heißt es im Jahresbericht. In den Ländern, die von den schlimmsten Auswirkungen der Finanzkrise verschont geblieben sind und dank kräftiger Finanzbooms wachsen, sollte vermehrt darauf hingearbeitet werden, diese Booms einzudämmen - und sich für einen möglichen Abschwung zu wappnen.