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Biogas aus heimischem Holz

5. Juni 2009

Im österreichischen Güssing steht eine Anlage, die aus Holz synthetisches Erdgas gewinnt. Sie gilt als einzigartig. Die Stadt ist zum Anziehungspunkt für alle geworden, die sich für Biomasse-Kraftwerke interessieren.

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Arbeiter hält Hackschnitzel vor Biomassekraftwerk Güssing (© EEE GmbH)
Holzschnitzel als EnergieträgerBild: EEE GmbH

Das Biomasse-Kraftwerk in Güssing erweckt internationale Aufmerksamkeit: Das Kraftwerk, das seit 2002 ununterbrochen in Betrieb ist, vergast Holzschnitzel, so dass kein Kohlendioxid entsteht. Die Schnitzel bringt ein Traktor alle 15 Minuten als frisch geschlagenes und geschreddertes Eichen- und Buchenholz aus den umliegenden Wäldern auf einen Sammelplatz. 2,5 Tonnen Holzschnitzel pro Stunde werden in der Vergasungsanlage verarbeitet. Das Endprodukt des Prozesses: Strom und Fernwärme für alle Haushalte und Industriebetriebe des 4000-Seelen-Ortes im österreichisch-ungarischen Grenzland. Der Ort nennt sich deshalb "energieautark".

Erdgas zum halben Preis von Benzin

Methanierungsanlage in Güssing, Österreich (© EEE GmbH)
Die Methanierungsanlage - hier wird Holz zu synthetischem ErdgasBild: EEE GmbH

Seit April 2009 wird in Güssing auch synthetisches Erdgas produziert. Theoretisch könnten mit diesem Biogas alle Fahrzeuge des Ortes mit Kraftstoff versorgt werden: Es reicht nämlich für rund 1600 Pkw mit einer Fahrleistung von 10.000 Kilometern pro Jahr. Die Fahrt mit Biogas kostet auch nur halb so viel wie eine Fahrt mit Benzin oder Diesel.

Die Holzvergasungsanlage - ein weltweites Vorzeigeprojekt - hat eine kleine Wiener Firma mitentwickelt: "Wir haben 2003 bereits die ersten Versuche einer Methansynthese aus dem Gas gemacht und ab 2005 zusätzlich auch Treibstoffsynthese, das heißt Benzin und Diesel", sagt Christian Aichernig, Chef der Firma "Repotec".

"2020 werden mindestens 10 Prozent des Gasbedarfs mit Holz erzeugt"

Pro Stunde liefert die Anlage 100 Kubikmeter Biogas, anders ausgedrückt: Aus fünf Kilogramm Holzschnitzeln entsteht ein Kubikmeter synthetisches Erdgas, das entspricht dem Energiegehalt von rund einem Liter Diesel. Der Wirkungsgrad bei der Umwandlung liegt bei 65 Prozent. Das sei ein sehr guter Wert, sagt Aichernig und wagt eine Prognose: Im Jahr 2020 würden europaweit mindestens zehn Prozent des Gasbedarfs auf diese Weise erzeugt.

Schwachpunkt des Projektes: Es steckt noch in den Kinderschuhen. Zwar ließe sich das Biogas an der Tankstelle, die gleich neben dem Kraftwerk steht, in den Autotank füllen, sagt Aichernig. Doch das ist bislang Theorie. "Wir schaffen eine neue Infrastruktur, an die man sich erst gewöhnen muss. Später könnte man zum Beispiel städtische Busse oder Regionalbusse mit diesem Gas betanken."

Keine Sorge um den nachwachsenden Rohstoff Wald

Wie wird die von Wald umgebene Gemeinde Güssing aber in zehn oder 20 Jahren aussehen, wenn die Bauern wie bisher ihre Bäume zu Hackschnitzeln fürs Biogas verarbeiten und die Autofahrer erst einmal auf den Geschmack kommen? Diplomingenieur Aichernig sieht keine Gefahr und betont, dass "in Österreich – und in allen europäischen Ländern – nur 35 bis 40 Prozent des Holzzuwachses genutzt werden."

Der Schuh drückt ihn und seine kleine Firma woanders: Die Debatte um den gefährlichen Feinstaub, der durch Biomasse-Kraftwerke entstehe, macht "Repotec" das Leben schwer. Der Firmenchef vermutet dahinter eine Kampagne der fossilen Energiewirtschafts-Lobby. Dabei, behauptet der Ingenieur, entstünden durch moderne Staubfilter keine "nennenswerten Emissionen".

Derzeit sammeln er und seine Projektpartner, die Technische Universität Wien, das Schweizer Paul-Scherrer-Institut und das Umwelttechnikunternehmen CTU aus Winterthur, Fördermillionen, um in Güssing ein zweites Biomasse-Kraftwerk hochzuziehen. Das erste ist mittlerweile an seine Kapazitätsgrenze gestoßen.

Autor: Alexander Musik
Redaktion: Mareike Röwekamp