1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bewegung in der deutschen Drogenpolitik?

Matthias von Hein19. November 2014

Bundesstaaten in den USA legalisieren Marihuana. Lateinamerika sucht nach dem gescheiterten Drogenkrieg nach neuen Ansätzen in der Drogenpolitik. Und in Deutschland? Da kommen demnächst Legalisierungsspots in die Kinos.

https://p.dw.com/p/1DpjC
Eine Hand greift an eine blühende Cannabis-Pflanze (Foto: AP Photo/Matilde Campodonico)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Theoretisch dürfte US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus bis zu sechs Marihuana-Pflanzen anbauen, um sich selbst oder seinen Staatsgästen einen Joint zu drehen. In einer Volksabstimmung hatten die Wähler Anfang November entschieden, Marihuana in der Hauptstadt Washington zu legalisieren. Ebenso entschieden die Wähler in Alaska und Oregon. In Colorado und Washington State ist Cannabis bereits seit November 2012 vollkommen legalisiert - inklusive Anbau und Handel. Der britische Guardian berichtet, in Colorado würde Marihuana bereits mehr Steuern generieren als Alkohol - ohne dass dort die Welt untergegangen sei.

Mehrere Schraubgläser mit Cannabis stehen in einem Regal (Foto: FREDERIC J. BROWN/AFP/Getty Images)
Gut sortiert: Marihuana-Fachhandel in den USABild: Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Weltweit mehren sich die Stimmen, die nach einer anderen Drogenpolitik rufen, weil der sogenannte "Krieg gegen die Drogen" offensichtlich gescheitert sei. Auch in Deutschland kommt Bewegung in die Debatte um einen anderen Umgang mit Drogen. Anfang der Woche wurde auf einer Fachtagung in Frankfurt am Main ein breiter Konsens deutlich: Suchtexperten und Mediziner, Juristen und Polizisten waren sich dort einig: Das Strafrecht ist das falsche Werkzeug. Der Eigengebrauch von Cannabis sollte nicht bestraft werden. Die Frankfurter Gesundheitsdezernentin kündigte einen Modellversuch an.

Betäubungsmittelgesetz verfassungswidrig?

Der Kampf gegen den Missbrauch - selbst bei weichen Drogen - läuft zur Zeit mithilfe des Betäubungsmittelgesetzes. Der Bremer Strafrechtler Lorenz Böllinger hält dieses Gesetz - das auch das Verbot von Cannabis regelt - sogar für verfassungswidrig. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte Böllinger, das Betäubungsmittelgesetz sei weder geeignet, noch erforderlich, noch proportional zum Anlass, also einem möglicherweise drohenden Schaden durch Drogenkonsum. Diese Bedingungen müssten aber erfüllt sein, wenn der Staat mit Gesetzen in die Bürgerrechte eingreift. Aus Sicht des Bremer Strafrechtsprofessors hat das Betäubungsmittelgesetz hier aber nur eine kontraproduktive Wirkung: "Es schädigt die Bevölkerung, weil es Beschaffungskriminalität gibt, weil junge Menschen, die eigentlich keine Kriminelle sind, stigmatisiert, kriminalisiert und in kriminelle Karrieren gedrängt werden." Dem Drogenmissbrauch sei mit den in der Präventionsforschung entwickelten Mitteln sehr viel besser beizukommen als mit Strafverfolgung. Außerdem sei die Regelung unproportional, "weil für eine extrem geringe soziale Problematik ein massives Geschütz aufgefahren wird - nämlich das Übel des Strafrechts." Unter deutschen Strafrechtlern steht Böllinger mit seiner Meinung nicht allein. Bereits vor einem Jahr haben über die Hälfte der deutschen Strafrechtsprofessoren eine Resolution des sogenannten "Schildower Kreises" unterzeichnet, die eine Überprüfung des Betäubungsmittelgesetzes fordert.

Drogenbeauftragte: Legalisierung falsches Signal

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, lehnt eine generelle Legalisierung von Cannabis dagegen ab. In der Antwort auf eine Anfrage der Deutschen Welle schreibt Mortler: "Es würde ein falsches Signal senden und damit den Konsum verharmlosen." Eine Trendwende in den USA nach den Referenden Anfang November kann Mortler nicht erkennen. Immerhin will die Bundesdrogenbeauftragte mehr schwerstkranken Patienten den Zugang zu Cannabis als Medizin ermöglichen. Erwiesen ist zum Beispiel die Wirksamkeit bei Multipler Sklerose. Es wird eingesetzt bei Appetitlosigkeit im Rahmen von Krebstherapien oder bei Aidserkrankungen und in der Schmerztherapie.

Marlene Mortle, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, bei der Vorstellung des Drogen- und Suchtberichts 2014 (Foto: imago/Metodi Popow)
Lehnt Legalisierung ab: Drogenbeauftragte MortlerBild: imago/Metodi Popow

Die Haltung Mortlers spiegelt die Ansicht der Mehrheit in der deutschen Gesellschaft. Eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des Deutschen Hanfverbandes, der sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzt, kam jetzt zu interessanten Ergebnissen: Über 80 Prozent der Befragten sind für einen erleichterten Zugang im Krankheitsfall. Ebenfalls über 80 Prozent ziehen eine kritische Bilanz des weltweiten Kampfes gegen die Drogen. Eine Mehrheit für die Legalisierung von Cannabis gibt es in Deutschland bislang allerdings noch nicht. Aber immerhin 30 Prozent würden inzwischen die Einrichtung von Fachgeschäften begrüßen, in denen Erwachsene Cannabis reguliert und legal kaufen können.

Cannabis-Spots im Kino

Georg Wurth will sich mit diesen Zahlen nicht zufrieden geben. Der Vorsitzende des Deutschen Hanfverbandes kündigt eine bislang in Deutschland beispiellose PR-Kampagne für die Legalisierung von Cannabis an: Ab nächster Woche werden in deutschen Kinos Spots des Hanfverbandes über die Leinwände flimmern. Wurth legt Wert auf die Feststellung: "Dabei geht es nicht um Werbung für Drogen oder Cannabis. Das ist nicht unser Anliegen. Es geht um die Frage: Ist das Verbot ein sinnvoller Umgang damit?". Knapp eine halbe Million Euro steckt der Hanfverband in diese Kampagne – Geld, das Wurth Anfang des Jahres bei einer Fernseh-Show gewonnen hat.

Portrait von Georg Wurth, Vorsitzender Deutscher Hanfverband (Foto: Deutscher Hanfverband)
Bringt Cannabis-Spots ins Kino: Hanfverband-Chef WurthBild: Deutscher Hanfverband