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Berlins Syrien-Politik aus der zweiten Reihe

Sven Pöhle11. September 2013

Die Bundesregierung begrüßt den Vorschlag, Syriens Chemiewaffen international zu kontrollieren. Aber der Einfluss der deutschen Politik auf die Ereignisse in Syrien ist gering.

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Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (Foto: AFP/Getty)
Westerwelle: "Jetzt ist die schnellstmögliche Herstellung von Transparenz notwendig"Bild: MACDOUGALL/AFP/Getty Images

"Mit der Bewegung der letzten Stunden sind die Chancen für eine politische Lösung in Syrien wieder gestiegen", meint Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt den diplomatischen Vorstoß, der jetzt langsam Form annimmt:

Syrien ist laut Außenminister Walid al-Muallim bereit, die syrischen Giftgasbestände offenzulegen. Ein Militärschlag gegen Syrien könnte damit vorerst abgewendet sein. Zuvor hatte Russland eine Äußerung von US-Außenminister John Kerry aufgegriffen und die internationale Kontrolle der syrischen Chemiewaffen vorgeschlagen.

Auf eine diplomatische Lösung hatten deutsche Politiker parteiübergreifend immer gehofft. Diese scheint nun auch möglich, weil sich neben Russland mit China auch die zweite Vetomacht, die zuvor Sanktionen gegen Syrien im Sicherheitsrat verhindert hatte, dem diplomatischen Vorstoß anschloss.

Akteur oder Zuschauer?

"Zu dieser gemeinsamen Linie hat die deutsche Außenpolitik in den letzten Tagen durchaus beigetragen", sagt der FDP-Politiker Rainer Stinner, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Deutschland habe sich aktiv an dieser Lösung beteiligt, indem es intensiven Kontakt mit Russland gesucht habe. Ziel sei es gewesen, Moskau davon zu überzeugen, sich nicht mit einem Regime gemein zu machen, das möglicherweise Chemiewaffen eingesetzt habe, so der liberale Politiker Stinner.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein syrischer Kollege Walid al-Muallim (Foto: AFP/Getty)
Auf Linie gebracht? Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein syrischer Kollege Walid al-MuallimBild: AFP/Getty Images

Jan van Aken von der Linkspartei sieht die bisherige Rolle Deutschlands im Syrienkonflikt ganz anders: "Die deutsche Bundesregierung ist Zuschauer – und zwar schlechter Zuschauer." Bundeskanzlerin Merkel sei in der Syrien-Frage einen Zickzack-Kurs gefahren. Es fehle der Bundesregierung am Willen, überhaupt in Syrien einzugreifen.

Der lange Schatten der Libyen-Enthaltung

Thomas Jäger hält den deutschen Einfluss für gering. Der Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln glaubt, dass Deutschland im Sicherheitsrat und bei Verhandlungsrunden nichts ausschlaggebendes beigesteuert hat. "Insofern hat sich Deutschland auch den eigenen Fähigkeiten entsprechend positioniert."

Die Bundesregierung hat ihre Syrien-Politik stark mit der Politik der westlichen Partner abgestimmt, sich dabei über das weitere Vorgehen aber nicht festgelegt. So auch, als die westlichen Bündnispartner Deutschlands unter dem Eindruck des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes laut über einen Militärschlag gegen das Assad-Regime nachdachten.

Einer der Gründe für die Zurückhaltung der deutschen Syrien-Politik liegt in der jüngeren deutschen Vergangenheit. 2011 hatte Berlin die westlichen Verbündeten beim Votum über eine Militärintervention in Libyen im UN-Sicherheitsrat verstimmt. Deutschland enthielt sich und fand sich damit auf der Seite Russlands und Chinas wieder, die sich ebenfalls ihrer Stimme enthielten. Dabei war den westlichen Verbündeten auch noch das deutsche "Nein" zu einer möglichen Beteiligung am Irak-Krieg 2003 präsent.

Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Flughafen(Foto: dpa)
Bundeskanzlerin Merkel unterstützt syrische FlüchtlingeBild: picture-alliance/dpa

Konzentriert hat sich die deutsche Syrien-Politik vor allem auf die humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge. Im Juni hatte Angela Merkel angekündigt, dass die Bundesregierung die Hilfe für die Vertriebenen noch in diesem Jahr um 200 Millionen Euro erhöhen werde. Deutschland hat bislang 190 Millionen Euro für die syrischen Flüchtlinge bereitgestellt. Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung zur Aufnahme von 5000 syrischen Flüchtlingen bereiterklärt. In den kommenden Tagen und Wochen reisen sie in Deutschland ein.

Beteiligung bei der Vernichtung von Chemiewaffen?

In der aktuellen Situation gehe es zunächst darum, den diplomatischen Vorstoß mit Leben zu füllen, sagt Politik-Experte Jäger. "Inwiefern die Bundesregierung hier eine Rolle spielen kann, wird daran liegen, welche Dienste und Fähigkeiten man für diesen Prozess anbieten kann."

DW Infografik: Syriens Drohpotential
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Außenminister Westerwelle forderte Damaskus auf, unverzüglich die internationale Konvention zur Ächtung von Chemiewaffen zu unterzeichen und zudem eine Überprüfung durch internationale Inspekteure vor Ort zuzulassen. Außerdem müsse weiter nach den Verantwortlichen für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz im August gesucht werden und gegebenenfalls der internationale Strafgerichtshof eingeschaltet werden.

Westerwelle stellte zudem eine deutsche Beteiligung bei der Vernichtung syrischer Chemiewaffen in Aussicht. Die Expertise dazu sei in Deutschland vorhanden, sagt Oliver Meier, Experte für Rüstungskontrolle und Abrüstung von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Bis diese ins Spiel komme, könne es allerdings noch dauern.