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Berlin-Marathon: Tierisches Training

Marcel Fürstenau23. September 2014

DW-Reporter Marcel Fürstenau ist leidenschaftlicher Läufer und fiebert dem Berlin-Marathon am Sonntag entgegen. 42,195 Kilometer laufend durch seine Stadt - die Vorfreude bei ihm könnte nicht größer sein.

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Marcel Fürstenau beim Berlin-Marathon
Bild: P. Baumeister

Wer einen Marathon durchstehen will, muss vor allem eines können: seinen inneren Schweinehund überwinden! Dieses imaginäre Tier kennt jeder, der sich einer unangenehmen Aufgabe stellt. Dabei liebe ich den Marathon doch! Aber nur so lange, bis sich jedes Mal aufs Neue dieser verdammte Schweinehund meldet. Ich begegne ihm meistens sieben, acht Kilometer vor dem Ziel. Und ich bin absolut sicher, dass mir dieses ganz und gar unromantische Rendezvous auch am kommenden Sonntag wieder blüht. Angeblich geht das sehr vielen Läufern so, vermutlich allen. Außer den Siegern, die nach zwei Stunden und ein paar Minuten durchs Brandenburger Tor laufen. Kurz dahinter befindet sich der Zielstrich, den sie lächelnd überqueren.

Aber haben Kenianer und Topläufer aus anderen Ländern wirklich noch nie einen inneren Schweinehund gesehen? Bei mir hat das merkwürdige Viech ein eher abstraktes Aussehen. An ein Schwein oder einen Hund erinnern mich meine steinharten Oberschenkel jedenfalls nie, wenn sie sich nach etwa drei Stunden Marathonlauf melden. Blöderweise ist das Ziel dann noch ziemlich weit entfernt. Zwar sehen die Beinmuskel so aus wie immer, fühlen sich aber an wie Beton...

Der Duft von Wildschweinen signalisiert Gefahr

Jeder wird verstehen, dass mir angesichts dieser unerfreulichen Erfahrungen mit dem Schweinehund die echten Tiere lieber sind. Obwohl, so ganz ohne sind die auch nicht. Jedenfalls wenn man ihnen in freier Wildbahn begegnet. Und das ist in meinem Fall der Wald vor meiner Haustür im Norden Berlins. Hier, im Tegeler Forst, beginnt mein ausgedehntes Trainingsrevier. In ihm hausen auch alle möglichen Tiere. Einen Besuch im Zoologischen Garten kann ich mir ersparen. Da war ich das letzte Mal Anfang des Jahrtausends, als meine Kinder noch klein waren und ich Fußball spielte statt Marathon zu laufen.

Zwei Wildschweine im Wald.
Allzu nahe sollte man den Wildschweinen nicht kommen - das gilt auch für schnelle Läufer...Bild: picture-alliance/dpa

Tiere gehören also zu meinem Alltag. Und das liegt am wenigsten an Frau Müller, meiner Katze. Die bringt von ihren Spaziergängen manchmal eine Maus mit. Aber das lässt mich ziemlich kalt. Es ist lästig, aber ungefährlich. Meine Trainingsläufe hingegen sind manchmal ganz schön brenzlig, gerade während der Vorbereitung auf den Berlin-Marathon. Anfang September war wieder so ein Tag. Abends um sieben verschwindet im Osten Deutschlands schon die Sonne, es wird also langsam dunkel. Und dann kommen jene Vierbeiner aus ihren Verstecken, die ich im günstigsten Fall riechen kann: Wildschweine. Die hinterlassen auf der Trüffelsuche einen Duft, der stark an Maggi-Sauce erinnert.

Der Fuchs wunderte sich über den komischen Läufer

So lange die possierlichen Tierchen auf Distanz bleiben, sind sie mir einigermaßen egal. Aber wehe, sie kommen näher und das noch im Rudel! Genau so war es an jenem Abend vor drei Wochen. Dabei wollten die Wildschweine eigentlich vor mir abhauen, als sie mich in meinem Höllentempo den Waldweg entlangrasen sahen. Unpraktischerweise kreuzten sich nach einer Linkskurve unsere Wege. Keine zehn Meter lagen zwischen mir und der Horde. Ich stoppte abrupt ab und bildete mir ein, die Keiler, Bachen und Frischlinge hätten das gleiche getan. Zum Glück war das eine Sinnestäuschung. Im nächsten Moment waren sie auf der anderen Seite des Weges, wo wir in gebührendem Abstand noch ein Weilchen parallel unterwegs waren.

Nach diesem Schrecken war der Fuchs, der mich kurz danach staunend anblickte und dann im Dickicht verschwand, eine eher belanglose Begegnung. Dabei ist ja immer wieder mal von Tollwutgefahr die Rede. Einem Reh bin ich bei diesem tierischen Trainingslauf übrigens nicht begegnet, obwohl gerade dieses scheue Tier dort weit verbreitet und häufig anzutreffen ist. Meine Frau riet mir nach dieser Episode besorgt davon ab, um diese Uhrzeit im Wald meine Runden zu drehen. Aber was soll ich machen? Morgens laufen ist auch keine Lösung, weil es zu dieser Jahreszeit um halb sieben im Wald nicht gerade taghell leuchtet. Die tierischen Waldbewohner sind dann also noch auf Tour.

"Am Wilden Eber" wird die Sau raus gelassen

Bleibt mir eigentlich nur, meine Trainingsläufe auf die Straße zu verlegen und den Wald nur am Wochenende zu betreten. Die Wahrscheinlichkeit, Fuchs, Schwein und Reh aus dem Weg zu gehen, ist dann signifikant größer. Allerdings sollte man sich auf keinen Fall darauf verlassen, völlig in Ruhe gelassen zu werden. Berlin ist dafür bekannt, dass vor allem Füchse und Wildschweine auf der Suche nach Nahrung bis tief ins Stadtgebiet eindringen. Und da wir am Stadtrand wohnen, statten sie uns vorher einen Besuch ab. Auch unser Garten wurde schon von Wildschweinen umgepflügt, und auf dem Nachbargrundstück hat ein Fuchs seinen Bau.

Zwei Hunde an der Strecke des Berlin-Marathons.
Auch Hunde interessieren sich mehr oder weniger für den Berlin-Marathon.Bild: Reuters

Am Sonntag wird es übrigens auf jeden Fall eine tierische Begegnung geben. Ungefähr bei Kilometer 27 passieren wir Läufer, Rollis und Handbiker den Platz "Am Wilden Eber". Der heißt deshalb so, weil sich da vor Urzeiten ein Keiler in einem Gartenlokal verirrt hat. Der Wirt erlegte das arme Tier mit einer Flinte. Beim Berlin-Marathon gehört dieser Abschnitt im Süden der Stadt zu den absoluten Höhepunkten. Schon von Weitem hören wir die Musik, die uns von einer großen Bühne auf der Mitte des Platzes entgegenschallt. Am Straßenrand sorgen Cheerdancer und enthusiastische Zuschauer für fantastische Stimmung. Und wer Glück hat, schnappt vielleicht wieder den aufmunternden Zuruf auf, der für das Marathon-Spektakel "Am Wilden Eber" wie geschaffen ist: "Lass die Sau raus!"

DW-Redakteur Marcel Fürstenau läuft seit 2002 Marathon. Premiere feierte er in Frankfurt am Main, in Berlin ist er seit 2003 dabei. Seine Bestzeit lief der 52-jährige Korrespondent im Hauptstadtstudio Berlin 2013 in Hamburg (3:23:41). Vor dem 41. Berlin Marathon am kommenden Sonntag schildert er hier täglich, wie seine finale Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt läuft.