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Olympic Moments

Lutz Kulling

Mit Garmisch-Patenkirchen und Berlin gab es 1936 gleich zwei deutsche Olympia-Gastgeber. Vor allem in der Hauptstadt wollten sich die Nazis der Welt als friedliche Sportnation präsentieren.

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Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele am 1. August 1936 in Berlin im Berliner Lustgarten. (AP Photo)
Uniformiert, im Gleichschritt und mit Hitlergruß: so zelebrierten die Nazis 1936 die Eröffnung der Olympischen Spiele in Berlin.Bild: AP

„Ich verkünde die Spiele von Berlin, zur Feier der 11. Olympiade neuer Zeitrechnung, als eröffnet.“ Im typisch schnarrenden Tonfall sprach Reichskanzler Adolf Hitler am 1. August im Olympiastadion die offizielle Formel. 1931 hatte Berlin den Zuschlag erhalten – in einer Zeit, als die Weimarer Republik die NSDAP nebst braunem Gefolge noch mühsam in Schach hielt. Nun hatten längst Bücher verfemter Autoren gebrannt und die Nürnberger Rassengesetze jüdische Bürger entrechtet.

Luftaufnahme des Olympiastadions in Berlin 1936
Olympiastadion in Berlin 1936Bild: AP

Doch das Dritte Reich präsentierte sich als Wolf im Schafspelz. „Die Spiele waren weitgehend frei von Propaganda – und darin bestand die Propaganda, das war genau die Raffinesse!“, sagt der Historiker Manfred Lämmer von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Die Nazi-Führung hielt sich denn auch weitgehend aus der Detailplanung heraus und übertrug zentrale Aufgaben an erfahrene Fachleute. Laut Lämmer allerdings aus klarem Kalkül: „Die Nationalsozialisten wussten genau: Wenn die Spiele vor den Augen der Welt erfolgreich verlaufen sind, sind sie ein viel größerer Propaganda-Erfolg, als wenn wir jetzt dort politische Reden halten.“


Ein Regime will die Welt täuschen

Und die Tarnung gelang nahezu perfekt: Aus den Schaufenstern waren Hetzblätter wie der „Stürmer“ verschwunden, jegliche Misstöne wurden peinlich vermieden. Das Organisationskomitee um Carl Diem und Theodor Lewald hatte mit nahezu unbegrenzten Mitteln Olympia-Anlagen der Superlative geschaffen. Dazu kam ein Beiprogramm, das vom Wissenschaftskongress bis zur kulturellen Erbauung weitgehend Hochkarätiges bot.

Und doch drang die Ideologie hinter der friedlichen Maske gelegentlich durch: „In der Mitte die vier Weißen, zwei Schwarze gegen vier Weiße. USA gegen Europa, der Kampf beginnt!“, ließ etwa ein Live-Reporter seine Zuhörer wissen. An der Kampfbereitschaft des „Führers“ und seiner Regierung konnten übrigens schon damals kaum Zweifel bestehen. Der Berliner Sporthistoriker Reinhard Rürup erinnert daran, dass noch im August, unmittelbar nach den Spielen, der so genannte Vierjahresplan beschlossen wurde: „Danach sollte in vier Jahren die Armee einsatzbereit und die deutsche Wirtschaft kriegsfähig sein. Also, die Situation war ganz eindeutig.“


Sportliche Bilanz der Superlative

Doch noch regierte der Sport und das prächtig - mit perfekter Organisation und einer wahren Flut an Rekorden, wobei Deutschland mit 33 Goldmedaillen klar die Spitzenposition eroberte. Überragender Athlet in Berlin war allerdings der farbige US-Amerikaner Jesse Owens, der im Sprint und Weitsprung vier Goldmedaillen gewann. Der gab später zu Protokoll, dass er niemals so ehrlich und herzlich umjubelt worden wäre wie im Olympiastadion. Und das in einer Zeit, in der Owens wegen seiner Hautfarbe im heimischen Amerika kaum Einlass in viele Gaststätten und Restaurants fand. Auch deshalb nimmt Experte Lämmer die Sportler in Schutz, denen im Nachhinein mangelnde Distanz zum NS-Regime vorgehalten wird: „Sie werden kaum einen Athleten finden von 1936, der irgendwie unangenehme Erinnerungen an die Spiele hat. Aber wir wissen heute natürlich, dass das nur die halbe Wahrheit ist.“

Jesse Owens im Sprint bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936
Jesse Owens bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 Jesse Owens running during 1936 Olympics in BerlinBild: AP


IOC als Wiederholungstäter

28 Nationen nahmen an den Olympischen Winterspielen im Februar 1936 in Garmisch-Partenkirchen teil.
Winterspiele in Garmisch-PartenkirchenBild: AP

Zumal das Internationale Olympische Komitee noch 1939 – nur wenige Wochen vor Hitlers Überfall auf Polen - die Winterspiele 1940 kurzfristig statt an St. Moritz erneut nach Garmisch-Patenkirchen vergab. Und das nach dem „Anschluss“ Österreichs und der Besetzung der Tschechoslowakei, so Manfred Lämmer: „Das IOC hat die Spiele einstimmig in London wieder Deutschland übertragen, weil die 1936 ja so gelungen waren!“

Aber hätte ein Boykott oder Entzug der Spiele von Berlin wirklich etwas bewirken können? „Auch ohne das Geschenk Olympia hätten die Nazis das Terror-Regime und die Kriegsvorbereitungen nicht aufgegeben“, urteilt der Historiker Reinhard Rürup. „Und es wäre auch dann zu einem Völkermord gekommen, der Gang der Geschichte hätte sich mit Sicherheit nicht geändert.“