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Coaching

4. Juli 2011

Kaum ein Unternehmen kommt heute ohne Coaching aus. Und so haben Trainer gute Konjunktur. Doch wie qualifiziert sind die Coaches? Einen entsprechenden Studiengang gibt es jedenfalls bisher nicht.

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Gruppenstrukturen, symbolisch dargestellt mit bunten Spielfiguren: Reihe mit Andersartigem
Bild: picture-alliance / Robert B. Fishman
Konstantin Korotov, ESMT European School of Management and Technology (Foto: ESMT)
Unser Gastautor: Konstantin Korotov, ESMTBild: ESMT

Schon seit einer Weile engagieren Unternehmen vermehrt Coaches für ihre Manager. Folglich ist der Bedarf an qualifizierten Coaches gestiegen. Auch die Frage, wer qualifiziert ist oder überhaupt Coach werden kann, spielt inzwischen eine größere Rolle als noch vor zehn Jahren; denn nicht jeder, der sich berufen fühlt, kann Managern beratend zur Seite stehen. Umgekehrt gibt es keinen festen Typus, bei dem sich Manager emotional und intellektuell auf den Coaching-Prozess einlassen. Jeder, der als Coach gearbeitet hat, kennt die Widerstände, die ihm seitens des Klienten entgegengebracht werden können. In solchen Fällen wird mitunter nur lange praktische Erfahrung weiterhelfen, denn einen Studiengang Coaching gibt es bisher nicht. Selbst an den großen Business Schools handelt es sich noch um eine Zwischendisziplin, die sich mit den psychologischen Dynamiken zwischen Individuum und Unternehmen befasst.

Fraglos gibt es aber Situationen, in denen Manager qualifiziertes Coaching brauchen können, beispielsweise wenn sie

▪ sich auf einen größeren Verantwortungsbereich vorbereiten;
▪ in ein neues Arbeitsumfeld wechseln;
▪ mit schwierigen Phasen konfrontiert werden, etwa Veränderungsprozessen;
▪ ihre Karriere weiter planen oder die Stelle wechseln
▪ gravierende interpersonelle Probleme mit Kollegen und Mitarbeitern haben;
▪ spüren, dass das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben nicht mehr stimmt.

Kurz gesagt, geht es vorwiegend um Leistungsprozesse, sodass der glaubwürdige Coach über die psychologischen Kenntnisse hinaus die Managementpraxis aus eigener Erfahrung kennen muss; denn ohne dieses Verständnis wird er die Themen und Probleme seiner Klienten weder bewerten noch behandeln können. Zwar gibt es in der Coaching-Methodologie Puristen, die konkrete Ratschläge und Empfehlungen beim Coaching ablehnen, doch die meisten Klienten erwarten Anregungen und Tipps. Unerwünscht dagegen ist, wenn der Coach zum reinen Managementberater mutiert und der therapeutische und persönliche Fokus des Coaching verloren geht.

Die Chemie muss stimmen

Dass zwischen Coach und Klient die Chemie stimmen muss, ist ein gängiges Vorurteil, selbst wenn keiner genau weiß, woraus diese Chemie eigentlich bestehen soll. Die spontane Sympathie für einen anderen, die wir häufig darunter verstehen, ist keine Grundvoraussetzung zur Zusammenarbeit. Statt nach der Chemie zu suchen, muss der Coach eine psychologisch sichere Atmosphäre erschaffen, sodass der Klient sich aufgehoben und seine Probleme ernst genommen fühlt. Ein herablassendes, "das müssten Sie doch inzwischen wissen" oder abschätziges "das kann ja wohl kein Problem sein", ist ebenso kontraproduktiv wie umgehend mit einer Lösung zu kommen, die sich womöglich noch aus der eigenen oder der Erfahrung Dritter speist. Ebenso wenig sollte der Coach sich krampfhaft an die Vorgaben halten, nach der Devise "das klingt zwar nach Problem, gehört aber nicht zu meinem Vertrag". Dass die Atmosphäre nichts Bedrohliches haben darf, versteht sich vermutlich von selbst.

Der Prozess des Coachens

Jeder Coach kann davon ausgehen, dass der Klient anfänglich befangen ist, aber für die Dauer des Coaching-Prozesses gilt, dass der Klient dem Coach zunehmend vertrauen muss und schließlich beginnt, sich entspannt und natürlich zu benehmen. Erfolgreich wird der Prozess, wenn der Klient bereit ist, seine Komfortzone zu verlassen, also den angstfreien Bereich, in dem wir alle am liebsten sind. Dazu braucht er Ermutigung und Schutz. Die Klienten-Fragen, mit denen der Coach hier am häufigsten konfrontiert wird, lauten: "Was, wenn ich nicht gut genug bin? Was, wenn ich etwas Neues tun muss, das mir gar nicht entspricht?" Oder die Vorstellung einer Über-Instanz drängt sich in die Wunschwelt des Gecoachten. "Ich würde das gern tun, aber was sagt dann mein Chef dazu? Mein Vater würde sich im Grab rumdrehen, wüsste er, was ich vorhabe." Mitunter müssen auch Fragen des Gruppenzwangs bewältigt werden, denn insbesondere bei Veränderungen können die Kollegen und Mitarbeiter eine negative Rolle spielen.

In der Praxis heißt das, mit gestandenen Managern die Ursache ihres Problems zu identifizieren und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Zu Ende ist die Arbeit des Coach, wenn

▪ das Problem soweit geklärt wurde, dass der Klient weiß, wie er damit umgehen soll;
▪ das Problem gelöst wurde;
▪ der Coach weiß, dass er Denkprozess und Verhalten des Gecoachten
▪ nicht weiter beeinflussen kann;
▪ das Budget aufgebraucht ist.

Zur Kontrolle seines Vorgehens arbeitet der Coach selbst mit einem Supervisor und lässt sich in Abständen von Kollegen beurteilen. Das Einverständnis des Gecoachten vorausgesetzt, werden die Gespräche in solchen Fällen schriftlich oder per Tonband aufgezeichnet und den Beobachtern zur Verfügung gestellt. Mitunter reicht es auch aus, schriftliche Notizen und Problemstellungen zusammenzufassen. Die Supervisor sind auch diejenigen, die dem Coach helfen, seine eigenen Grenzen zu erkennen und akzeptieren, dann wenn

▪ er dem Klienten nicht mehr weiterhelfen kann;
▪ der Klient statt Coaching therapeutische Hilfe braucht;
▪ der Coach beginnt, seine Gefühle und Meinungen auf den Klienten zu übertragen;
▪ ein Interessenskonflikt zwischen Coach und Klient besteht;
▪ der Coach das Interesse an seinem Klienten unwiderruflich verloren hat.

Grundsätzlich geht es für den Coach darum, die Beziehungen zu allen Beteiligten sinnvoll zu steuern, also auch zu denjenigen im Unternehmen, die ihn engagiert haben; denn dass Manager sich privat coachen lassen, kommt eher selten vor. Deshalb ist es dieses Dreieck aus Organisation, Coach und Mitarbeiter/Klient, das beim Coaching das größte Konfliktpotential produziert.

Unser Gastautor: Konstantin Korotov ist Associate Professor an der European School of Management and Technology (ESMT), in Berlin. Seine Unterrichts- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Organizational Behavior, Führungs- und Personalmanagement.

Wer gewinnt den Wettlauf um die besten Köpfe? Wer hat die besten Lösungen für die Elektromobilität? Wie können die Industrieländer ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern? Wie steht es um die Chancengleichheit im Internet? Diese und andere Fragen diskutiert das 4. ESMT Annual Forum am 6. und 7. Juli 2011 in Berlin.

Redaktionelle Bearbeitung: Henrik Böhme