1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bayern-Fan inkognito

Tobias Oelmeier2. Mai 2013

In Barcelona hat sich der FC Bayern ins Finale der Champions League gespielt. DW-Sportreporter Tobias Oelmaier schmuggelte sich als ganz normaler Fan ins Camp Nou. Es wurde für ihn zu einer Zitterpartie.

https://p.dw.com/p/18QIR
Tobias Oelmaier am 1.Mai 2013 im Stadion Camp Nou in Barcelona (Foto: DW/Tobias Oelmaier)
Bild: DW / Tobias Oelmaier

Die Frau am Kartenscanner ist gar nicht das Problem. Es ist der Typ hinter ihr, wie seine junge Kollegin mit der leuchtend orangefarbenen Weste der UEFA-Stewards ausgestattet, der heute Abend mein Schicksal bestimmen wird: Stadion oder Kneipe. Der Mann, vielleicht Anfang 30, mustert mich genau. Seine dunklen Augen wandern auf und ab. Diese Situation hatte ich schon so oft im Geiste durchgespielt. Immer wieder, auch auf der Stadtrundfahrt durch das wunderbare Barcelona, habe ich mir die Frage gestellt: Wie komme ich da nur rein? Wie kann ich dabei sein, wenn mein FC Bayern ins Endspiel der Champions League einzieht?

Über den regulären Weg, also über den FC Bayern an ein Ticket zu kommen, ist inzwischen ein leider fast aussichtsloses Unterfangen. 5000 Plätze hat der FC Barcelona den Gästen zur Verfügung gestellt, die wenigen Karten waren binnen Stunden vergriffen. Nichtmitglieder sind ohnehin chancenlos, aber auch mein Vereinsausweis nützte nichts. Nach fast 40 Jahren Anhängerschaft bin ich Anfang des Jahres dem Verein beigetreten.

Nur für Barca-Fans

Wenn man an genau jenem Tag das Licht der Welt erblickt hat, an dem der FC Bayern das erste Mal den Europapokal gewonnen hat, wenn man unzählige Schlachten gemeinsam geschlagen hat, dann will man diese Schicksalsgemeinschaft auch auf einem scheckkartengroßen Ausweis dokumentiert sehen. Mitgliedsnummer 198223. Vorsichtshalber habe ich den Mitgliedsausweis im Hotel gelassen. Denn in der Hand halte ich jetzt, wo ich an der Kontrolle vorbei muss, eine Karte mit dem Aufdruck „solament afeccionats locals – only for fc barcelona supporters“.

Diese Karte habe ich in meiner Not über ein Ticketportal erworben, für 270 Euro, obwohl sie ursprünglich nur 104 gekostet hatte. Ein Barca-Fan, vom Hinspiel in München enttäuscht, muss sie zum Verkauf angeboten und sich ob des guten Geschäfts die Hände gerieben haben. Und das war noch das billigste Angebot, das ich finden konnte. Manche Eintrittskarte für diese Partie ging für mehr als 800 Euro über den Tisch. Man kann den Käufern nur wünschen, dass sie auch bekommen haben, wofür sie bezahlt haben. Ich hatte nämlich eigentlich "General", den obersten Rang der Gegentribüne bestellt. Der freundliche Bote aber brachte fünf Tage vor dem Spiel in Barcelona ein Ticket für den Barca-Block. Umtausch unmöglich in der kurzen Zeit.

Was also tun? Im Netz wabern Gerüchte, diese Fankurve dürfe "gemäß UEFA-Richtlinien nur von Nicht-Deutschen" besucht werden. Und an der Verkaufsstelle für die Restkarten am Camp Nou - ja, die gibt es - schaut mich die Dame ungläubig an: "Sie wollen tauschen? Unmöglich!" Und Karten für den Bayern-Block? "Nein, die können Sie hier nicht kaufen." Am Schalter nebenan fragt ein Mann mit skandinavischem Akzent nach Tickets für die Nordkurve, wo die Barcelona-Anhänger stehen. "May I see your passport?", fordert ihn die Verkäuferin auf, sich zu legitimieren. Oh je, ich sehe mich schon draußen bleiben.

Champions League: BVB feiert Final-Einzug

Den falschen Schal über den Schultern

Der Mann mit der orangefarbenen Weste schaut noch mal an mir hoch und runter. Ich tue so, als sähe ich ihn gar nicht. Starre scheinbar unbeeindruckt auf mein Smartphone, während ich mit der anderen Hand die Karte auf den Scanner lege. Jetzt nur keine Unsicherheit zeigen, nur keinen Fehler machen! Ich weiß, ich sehe nicht aus wie ein feuriger Spanier. Da konnte ich mir noch so viel Gel in die Haare schmieren, meine Bayern-Utensilien unter der Lederjacke verstecken und stattdessen den gerade erstandenen Barca-Schal über die Schultern baumeln lassen… Spätestens die sonnengerötete Nase würde mich als deutschen Fan entlarven.

Dann kommt der erlösende Moment: Das Lämpchen ergrünt, das Drehkreuz öffnet, ich murmle der Dame neben mir ein lässiges "Hola" zu, so wie der Spanier vor mir in der Reihe. Sie antwortet freundlich: "Hola, buenas tardes!" und noch etwas auf katalonisch, was ich als "viel Vergnügen" interpretieren würde. Ihr Kollege nickt nur, das sehe ich aus den Augenwinkeln. Und dann bin ich drin, in der Gol Nord, in der Nordkurve! Keiner wird mich zurückrufen, keiner wird mir dieses Vergnügen noch nehmen.

Tobias Oelmaier am 1.Mai 2013 im Stadion Camp Nou in Barcelona (Foto: DW/Tobias Oelmaier)
Was für ein Abend!Bild: DW/Tobias Oelmaier

Schulterklopfen vom Sitznachbarn

Oben, auf meinem Platz am Rand der Riesenschüssel, stelle ich fest, nicht alleine zu sein als Bayer unter Barca-Fans. Vielleicht ein Dutzend Menschen mit München-Devotionalien entdecke ich in meiner Kurve, weit weg vom Rest der Gäste-Fans. Die übrigens mehr Stimmung machen als die Einheimischen. Das klare 0:4 aus dem Hinspiel letzte Woche mag der Grund dafür sein, dass es so ruhig und friedlich zugeht.

Dennoch ziehe ich die Jacke nur zögerlich aus, lasse mein rotes Trikot und den Fanschal zum Vorschein kommen. Keine Reaktion von den Gastgebern. Noch nicht mal, als ich einen lauten Schrei ausstoße und die Faust in den Nachthimmel strecke, als meine Bayern den ersten Treffer erzielen, mokiert sich jemand. Im Gegenteil. Es gibt anerkennendes Schulterklopfen von meinen Sitznachbarn, die wie ich beeindruckt sind vom Auftritt der Fußballer aus München. "Gratulation, ihr habt ein gutes Team", sagt der eine auf Englisch. Und nach der Partie singen alle das Barca-Lied. Ganz ehrlich - am liebsten hätte ich mitgesungen.

Mit dem deutlichen 3:0 in Barcelona und dem Einzug ins Finale der Champions League stehe ich bereits vor dem nächsten Problem: Woher nur die Karte für das Wembley-Stadion bekommen?