Baumeister mit Gespür für Historie
Er ist einer der gefragtesten Architekten: David Chipperfield soll nach Projekten für die Museumsinsel in Berlin auch die Neue Nationalgalerie restaurieren. Chipperfield ist für seine monumentalen Museumsbauten bekannt.
Wald aus Stützen
144 Baumstämme hat Chipperfield in der Neuen Nationalgalerie aufgestellt - und verneigt sich damit vor einem der Architekten der Moderne: Mies van der Rohe vollendete 1968 die Neue Nationalgalerie. Es blieb sein einziger Bau in Deutschland. Mit den Baumstämmen würdigt Chipperfield van der Rohes Verwendung von T-Trägern, also Stahlträgern in T-Form.
Vom Designer zum Architektur-Star
2009 wurde Chipperfield von der Queen zum Ritter geschlagen - für seine Verdienste außerhalb Englands. 1986 realisierte er sein erstes Projekt für den japanischen Modedesigner Issay Miyake, er baute Boutiquen in London, später auch in Japan. Auch wenn Chipperfield inzwischen auf Kulturbauten abonniert ist, sein Interesse für Mode ist noch da: Seit fünf Jahren arbeitet er für das Label Valentino.
Geist des Ortes
Deutschland ruft Chipperfield gerne, wenn es um Historisches geht. Zehn Jahre dauerte die Renovierung des Neuen Museums in Berlin. Das Gebäude zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe Museumsinsel. Während des Zweiten Weltkriegs wurde es zu siebzig Prozent zerstört. Über das monumentale offene Treppenhaus gelangt der Besucher in die drei oberirdischen Etagen, in denen auch die Nofretete ausgestellt ist.
Wunder von Essen
Im Januar 2010 eröffnete das Folkwang Museum in Essen neu. David Chipperfield erweiterte den Nachkriegsbau um eine offene und lichte Architektur. Die Besucher flanieren durch das Gebäude vorbei an Innenhöfen. Die Botschaft ist klar: Die Kunst soll Luft haben zum Atmen. Die Architektur ordnet sich unter. Nichts ist elitär: Das Haus öffnet sich zur Stadt Essen und ihren Bewohnern.
"Akropolis" am Neckar
2006 sorgte Chipperfield in Marbach für ein Mekka nicht nur der Literatur-, sondern auch der Architekturgemeinde. Durch seine umlaufenden Stützen und seine erhöhte Lage in der Landschaft erscheint der Bau des Literaturarchivs fast als Parthenon. Für den Bau erhielt Chipperfield den renommierten Sterling-Preis des Royal Institute of British Architects. Die Jury würdigte ihn als "Kleine Akropolis".
Aufwertung der Provinz
Chipperfields weltweiter Erfolg führte mit Verspätung auch zu Aufträgen in Großbritannien: Für das trostlose Seebad Margate an der Küste von Kent schuf er ein Museum für zeitgenössische Kunst. Die Turner Contemporary Gallery ist nach dem Landschaftsmaler J. M.W. Turner benannt. Mit seinen strengen geometrischen Formen erinnert die Architektur an eine Werft oder ein altes Industriegebäude.
Kunstblock
Nach dem Erfolg von Margate folgte ein weiterer Auftrag für ein Kunstmuseum in England: Im Mai 2011 eröffnete in Wakefield, West Yorkshire, das Hepworth Wakefield. Das Museum ist nach der aus Wakefield stammenden Bilderhauerin Barbara Hepworth benannt. Der Bau besteht aus trapezförmigen Blöcken, die nah am Wasser liegen. Aussparungen im Dach sorgen für eine natürliche Beleuchtung.
Kontrast für Berlin
Mit dreijähriger Verspätung wurde am 18. Oktober 2013 der Grundstein für die James-Simon-Galerie gelegt. Sie soll einmal das Tor für drei Museen der Museumsinsel bilden. Kontrast ist Chipperfields Programm: Der Mann, der sich oft in historische Architektur einfühlt, entwirft Neues. Auf die klassische Architektur trifft man erst, nachdem man das moderne "Tor zur Kunst" passiert hat.