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Banken und Staaten - eine unheilvolle Allianz

Zhang Danhong2. Juli 2012

Die Eurozone leidet unter Rezession, Arbeitslosigkeit und Staatsschulden. Doch was der Währungsunion am meisten zu schaffen macht, ist die Abhängigkeit zwischen Banken und Staaten. Wie kam es dazu?

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Rettungsring und EU-Schirm
Bild: picture-alliance/dpa

Mit billigem Geld versuchten die Notenbanken vor über zehn Jahren, eine Rezession nach dem Platzen der Internetblase und den Anschlägen am 11. September zu verhindern. Da das viele Geld nach Anlage suchte, fanden innovative Finanzprodukte aus den USA auch bei den deutschen Landesbanken reißenden Absatz. Iren und Spanier wetteiferten mit Immobilienkäufen, schaukelten sich die Häuserpreise hoch und wähnten sich im Reichtum. Ob in den USA, in Spanien oder hierzulande - es waren die Banken, die ganz oder teilweise dem Staat gehören, die sich besonders risikofreudig zeigten. "Überall dort, wo als Eigentümer der Staat dahinter steht, werden die Risiken nicht hinreichend ernst genommen", sagt Johann Eekhoff, Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, gegenüber der DW. Das ist nicht schwer zu verstehen, denn wenn es schief geht, haftet der Staat.

Auf die Staaten ist immer Verlass. Sie haben die Regularien so gelegt, dass die Banken mit wenig Eigenkapital ein großes Rad drehen konnten - ein zu großes Rad, wie sich später herausstellte. Die Banken bedankten sich, indem sie fleißig Schuldscheine der Regierungen kauften. Schließlich galten die Staatsanleihen nach dem internationalen Regelwerk Basel II als sicher - Banken konnten sie erwerben, ohne Eigenkapital zu hinterlegen. In der Eurozone kam hinzu, dass vor allem die Südländer von der deutschen Bonität profitierten und mit demselben Zinsaufwand die doppelte Menge an Schulden machen konnten.

Gemeinsam sinken sie immer tiefer im Schuldensumpf

Das böse Erwachen kam mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers in 2008. Die tollen US-Papiere wurden giftig. Viele Banken in Europa schwankten. Um eine Kernschmelze der Finanzbranche zu verhindern, nahmen Staaten Milliarden in die Hand, um Banken zu retten. Deutschland wendete 39 Milliarden Euro auf. Irland verstaatliche sämtliche Bankenschulden und verzeichnete dadurch 2010 ein Haushaltsdefizit von 32 Prozent.

Während die Banken den irischen Staat in den Bankrott trieben, war es in Griechenland der Staat, der die Banken mit seinem Schuldenberg erdrückte. Denn sie besaßen den Löwenanteil der griechischen Staatsanleihen, die im Frühjahr 2010 zu Schrottpapieren wurden. Die Europäische Zentralbank sprang in die Bresche und kaufte die Papiere aus Athen - für viele deutsche Ökonomen eine Todsünde.

Risiko wird vom Steuerzahler übernommen

Auch französische und deutsche Banken waren betroffen. Ihre Lobby hat die Regierungen in Paris und Berlin überzeugt, ein Rettungspaket für Griechenland zu schnüren. So konnten sich die Banken in Ruhe von den gefährlichen Anleihen trennen. Das Risiko wanderte zu den Staaten - oder besser gesagt, zu den Steuerzahlern.

Die Zentralbanken der Währungsunion senkten die Kriterien für die Sicherheiten, die Banken hinterlegen mussten, um an Kredite zu kommen. Das sollte vor allem Banken der klammen Länder helfen, deren Anleihen nicht länger mit einem guten Rating versehen waren. Johann Eekhoff moniert: "Dadurch ist natürlich die Abhängigkeit wahnsinnig groß geworden, weil erkennbar ist, dass die Staaten dieses Geld, das sie aufgenommen haben, nicht zurückzahlen können."

Prof. Johann Eekhoff. Er ist Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik in Köln. Copyright: privat Juni, 2012, Köln
Johann Eekhoff Institut für Wirtschaftspolitik in KölnBild: privat

Manche Länder haben Anleihen eigens für die Banken herausgegeben, damit sie diese bei der Zentralbank gegen frisches Geld austauschen konnten. Das half alles wenig - der Interbankenhandel trocknete aus. Geld floss aus der südlichen Peripherie in Richtung des sicheren Hafens - Deutschland.

EZB macht sie noch unzertrennlicher

Wieder spielte die EZB die Feuerwehr. Bis Februar 2012 konnten sich die Banken der Eurozone mit extrem billigem Geld voll saugen. Eine Kreditklemme solle vermieden werden, so die offizielle Lesart der Zentralbank. Doch klammheimlich wurden die Banken auch dazu ermutigt, Staatsanleihen zu erwerben, um den Zins zu senken und Druck von den so hoch verschuldeten Staaten zu nehmen. Das taten vor allem spanische und italienische Banken.

"Wenn jetzt die spanischen Banken spanische Staatsanleihen kaufen mit Refinanzierung bei der EZB, dann ist es in der Tat so, dass die Banken Geld von der EZB nehmen und es dann dem spanischen Staat geben", sagt Clemens Fuest von der Universität Oxford zu DW. Dadurch wachse die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Banken und Staaten.

In Spanien hat inzwischen das Platzen der Immobilienblase auf Raten die Banken in die Knie gezwungen. Von einem Kapitalbedarf in Höhe von 62 Milliarden Euro ist die Rede. Da sich der spanische Staat nicht mehr in der Lage sieht, diese Löcher zu schließen, hat er seine Banken unter den Rettungsschirm geschickt. Mit anderen Worten: Steuerzahler aus anderen Euroländern sollen es nun richten.

Bankenschulden sprengen jeden Rettungsschirm

Auch wenn der Dauerrettungsfonds ESM noch vergrößert werden kann, um die Staatsschulden einigermaßen zu stemmen, für Schulden der Banken wird er niemals ausreichen. Diese verzweifelte Situation führt dazu, dass Investoren außerhalb Europas dem Euro den Rücken kehren. So kommen wieder vorwiegend die Banken der Eurozone in Frage, die die knapp drei Billionen Euro Staatsanleihen der Euroländer refinanzieren müssen, die in den nächsten zweieinhalb Jahren fällig werden. Staaten und Banken bleiben so auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen.

Gibt es gar keinen Ausweg? Doch, meint Clemens Fuest. Kurzfristig gehe es darum, Banken wieder handlungsfähig zu machen: "Entweder die Gläubiger der Banken und die Inhaber von Staatsanleihen erleiden Verluste oder die Verluste werden von den Steuerzahlern getragen." Er plädiert dafür, dass Aktionäre der Banken und Gläubiger der Staaten die Verluste mittragen. Dass Eigenkapital haftet, gehöre schließlich zu den Grundregeln der Marktwirtschaft. Genau das Gegenteil hat der letzte EU-Gipfel beschlossen. Auf Drängen von Spanien hat die Eurozone auf den Vorrangstatus der ESM-Kredite verzichtet. Dadurch steigt das Risiko für die Steuerzahler.

Clemens Fuest lächelt am 27.01.2012 in die Kamera.  Der 43-Jährige Professor an der Universität Oxford, England, wird neuer Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.     Foto: ZEW   dpa   (zu dpa «Clemens Fuest wird neuer ZEW-Präsident» vom 27.01.2012 / Verwendung nur zu redaktionellen Zwecken) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Clemens FuestBild: picture-alliance/dpa

Was den ehemaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Johann Eekhoff besonders stört, ist das Prinzip "too big to fail": "Banken müssen nur in eine Größenordnung kommen, dass der Finanzmarkt zusammenbrechen könnte, wenn sie kaputt gehen. Davon muss man wegkommen." Das heißt: Große Banken müssen aufgespaltet werden.

Bankenunion könnte eine Lösung sein

Eine Bankenunion mit Aufsicht und Einlagensicherung auf europäischer Ebene könne ebenfalls dazu beitragen, die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Mitgliedsstaaten und ihren Bankensystemen aufzubrechen, ist Clemens Fuest überzeugt. Doch erstens sei sie kein Rezept für die aktuelle Krise, zweitens dürfe es nicht sein, "dass unter dem Stichwort Bankenunion die Schulden der Banken und der Staaten in Südeuropa auf die Steuerzahler in ganz Europa verlagert werden."

Und das wichtigste Instrument zum Schluss: ein höheres Eigenkapital der Banken. "Das ist der Weg, dass die Eigentümer dann herangezogen werden können und dass die Ausfälle der Banken geringer werden, so dass die Staaten nicht gleich gefordert sind, die Banken zu retten", sagt Wirtschaftswissenschaftler Eekhoff.

Neun Prozent, die neue Eigenkapitalquote der internationalen Bankenregulierung, reichen seiner Meinung nach nicht aus. Zudem müssen auch nach dem neuen, Basel III genannten Regelwerk Staatsanleihen nicht mit Eigenkapital hinterlegt werden. Ein Schelm, wer dabei etwas Böses denkt.