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Bangen um deutsche Geiseln

Bettina Marx25. September 2014

Nach dem Tod einer französischen Geisel in Algerien wächst die Sorge um zwei entführte Deutsche auf den Philippinen. Wie groß ist die Gefahr, in der sie schweben? Droht auch ihnen der Tod durch Enthauptung?

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In Berlin herrscht Stillschweigen über die Bemühungen der Bundesregierung, die beiden deutschen Geiseln auf den Philippinen (das Bild oben ist aus einem Video der Entführer) freizubekommen. Im Auswärtigen Amt kümmert sich ein Krisenstab um das Schicksal der Segler, die im April im Westen der Philippinen verschleppt worden waren und nun mit dem Tod bedroht werden. Die Bundesregierung lehnt es jedoch ab, zumindest auf die politischen Forderungen der Geiselnehmer einzugehen. Auch die philippinische Regierung hat Verhandlungen mit den Geiselnehmern ausgeschlossen. "Wir verhandeln nicht mit Terroristen", sagte Verteidigungsminister Voltaire Gazmin am Donnerstag in einem Radiointerview in Manila.

Die islamistische Terrorgruppe Abu Sayyaf hatte von der Bundesregierung verlangt, sich aus der Koalition gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" zurückzuziehen. Außerdem fordert sie offenbar ein Lösegeld in Höhe von 4,3 Millionen Euro. Bis zum 10. Oktober müssten die Forderungen erfüllt sein, sonst werde man die Geiseln, einen 71-jährigen Mann und eine 55-jährige Frau enthaupten, hieß es auf einer Facebookseite. Mehrere Fotos und ein Video zeigen die beiden Geiseln, umringt von ihren Kidnappern. Einer der Entführer schwingt drohend eine Machete über den Köpfen der Gefangenen.

Kriminell oder politisch motiviert?

Für den Berliner Asien-Experten Felix Heiduk ist nicht ausgemacht, dass die Terroristen ihre Drohung auch umsetzen. Die philippinische Polizei gehe davon aus, dass die Entführer vor allem das Lösegeld erpressen wollten, gibt der Forscher der Stiftung Wissenschaft und Politik zu bedenken. Andererseits habe die Terrorgruppe Abu Sayyaf in der Vergangenheit schon wiederholt ihre Opfer geköpft, sowohl ausländische als auch philippinische Geiseln. Das sei nichts Neues. Im Mai 2010 hatten die Extremisten sieben auf der Insel Jolo entführte Christen enthauptet. Bei den Opfern hatte es sich um sechs Straßenbauarbeiter und einen Fischer gehandelt, die als Arbeiter Geld verdienen wollten, um sich ein Studium zu finanzieren.

Die Terrorgruppe Abu Sayyaf kämpft für einen eigenen islamischen Staat im Süden des Landes und seine Abspaltung von den überwiegend katholisch geprägten Philippinen. Im April 2000 entführten Abu Sayyaf-Kämpfer auf der Insel Jolo ausländische Urlauber, darunter die deutsche Familie Wallert aus Göttingen. Sie konnte noch im gleichen Jahr durch Vermittlung von Libyens damaligen Staatschef Muammar al-Gaddafi befreit werden. In den letzten zehn Jahren hat die Abu Sayyaf hauptsächlich mit kriminellen Aktivitäten von sich reden gemacht. Ideologische Motive und symbolische Ziele waren in den Hintergrund getreten. "Das Problem, vor dem wir im Moment stehen, ist, dass niemand so recht weiß, wer bei Abu Sayyaf das Sagen hat", so Heiduk im Gespräch mit der DW. Die Gründergeneration sei verhaftet oder eliminiert worden und über die Motive der jetzigen Anführer sei nur schwer etwas zu sagen. Dass sich die Gruppe jetzt angeblich dem "Islamischen Staat" angeschlossen habe, müsse nicht bedeuten, dass es zwischen den beiden Terrorgruppen enge Verbindungen gebe, betont Heiduk.

Bewaffnete philippinische Soldaten bei der Terroristenbekämpfung auf den Philippinen (Foto: AP)
Philippinische Soldaten im Einsatz gegen muslimische RebellenBild: AP

Autonomie für die Muslime auf den Philippinen

Diese Einschätzung teilt offenbar auch der philippinische Präsident Benigno Aquino. Er war letzte Woche zu einem offiziellen Besuch in Berlin. In einem Interview mit der Tageszeitung FAZ sagte er, Abu Sayyaf habe sich vorher schon als Teil von Al Qaida und als Teil von "Jemaah Islamijah" (einer islamistischen Gruppe, die in Südostasien für ein Islamisches Kalifat kämpft, Anm. d.Red.) ausgegeben. "Wenn sich nächsten Monat eine neue Gruppe bildet, vermute ich, werden sie ein Teil davon sein wollen. Ihre Aktionen, vor allem die Entführung von Touristen, haben wenig mit Fundamentalismus zu tun. Wir erwarten, dass mit dem Friedensabkommen der Rückhalt von Gruppen wie Abu Sayyaf allmählich abnimmt, da sie ihre sicheren Häfen verlieren werden."

Angela Merkel und Benigno Aquino in Berlin am 19.09.2014 (Foto: REUTERS)
Präsident Aquino zu Besuch bei Bundeskanzlerin Merkel vor einer WocheBild: Reuters/Thomas Peter

Im letzten März hatte Aquino in Manila ein Friedensabkommen mit der größten islamischen Rebellenbewegung "Moro Islamic Liberation Front" (MILF) unterzeichnet. Es sieht vor, dass auf der ressourcenreichen Insel Mindanao im Süden der Philippinen ein autonomes Gebiet entstehen soll, das sich über etwa 10 Prozent des Territoriums des Inselreiches erstrecken wird. Vor zwei Wochen hat Aquino dem philippinischen Kongress einen 122 Seiten starken Entwurf für ein Autonomie-Gesetz vorgelegt, das der Region umfassende Rechte einräumt, darunter den Zugang zu den Bodenschätzen und das Recht, eigene Polizeikräfte aufzustellen und Steuern zu erheben. Das Gesetz soll bis zum Frühjahr 2015 verabschiedet werden. Die Gegner des philippinischen Präsidenten haben aber bereits angekündigt, dass sie dagegen vor dem Obersten Gericht klagen wollen, um es auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen.

Karte der Philippinen mit der Insel Mindanao
Mindanao ist die zweitgrößte Insel der Philippinen und Heimat der muslimischen MinderheitBild: DW

"Terrorismus als Kommunikationsstrategie"

Er glaube nicht, dass das Friedensabkommen wegen der Drohungen von Abu Sayyaf kollabieren werde, so die Einschätzung des Berliner Wissenschaftlers Felix Heiduk. Sowohl bei der Bevölkerung als auch bei der MILF herrsche Konfliktmüdigkeit und daher habe das Abkommen breite Akzeptanz gefunden. Der Bürgerkrieg auf Mindanao hatte ungefähr 120.000 Menschen das Leben gekostet. Die Entführer der deutschen Segler könnten mit der möglichen Enthauptung ihrer Geiseln keine militärischen Ziele erreichen, unterstrich Heiduk. Aber: "Terrorismus ist auch eine Kommunikationsstrategie." Es gehe darum, Angst und Schrecken zu verbreiten. Möglicherweise wollten die Kidnapper durch die demonstrative Solidarität mit dem "Islamischen Staat" auch wieder auf sich und ihre Forderungen aufmerksam machen.