1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Nordkorea setzt auf Inszenierung"

Esther Felden2. September 2014

Die bewegenden Fernsehbilder dreier in Nordkorea festgehaltener Amerikaner sind ein gezielter Versuch Pjöngjangs, direkten Kontakt zu den USA herzustellen, meint Korea-Experte Eric Ballbach von der FU Berlin.

https://p.dw.com/p/1D5Je
Eric J. Ballbach Koreastudien Uni Berlin
Bild: Eric J. Ballbach

Deutsche Welle: Herr Ballbach, CNN und die Nachrichtenagentur Associated Press haben Interviews mit den drei derzeit in Nordkorea festgehaltenen US-Bürgern geführt, in denen die Männer an die US-Regierung appellieren, ihnen zu helfen und einen Vermittler zu schicken. Was bezweckt Pjöngjang mit diesen Videos?

Eric Ballbach: Wir müssen hier zwei Ebenen unterscheiden. Da ist einmal die generelle und sehr symbolisch Ebene, über die Nordkorea Politik betreibt. Und zum Zweiten geht es darum zu sehen, was Nordkorea ganz konkret bezweckt. Ziel ist es sicher, direkten Kontakt zu den USA zu suchen. Die internationale politische Agenda wird derzeit von den Krisen im Irak, in Syrien oder in der Ukraine dominiert. Und solche Inszenierungen sind für Nordkorea schon immer ein Mittel gewesen, um die Aufmerksamkeit der USA auf sich zu lenken.

Waren sie von diesen Interviews überrascht?

Dass man alle drei Männer in einem CNN-Interview vorgeführt hat, das ist sicher ein bisschen überraschend gewesen. Aber die Art und Weise an sich hat mich weniger überrascht. Nordkorea setzt immer wieder auf solch symbolische Politik und fast schon theatralische Inszenierungen seiner Innen- und Außenpolitik. Und die Inszenierung der Gefangenen – unter anderem auch vor den Porträts von Kim Il Sung und Kim Jong Il - passt zu diesem Politikstil, hinter dem meist schon eine bestimmte Botschaft steht, in diesem Fall eben der Wunsch nach einem direkten Kontakt mit den USA.

Wie stark ist das Druckmittel, das Pjöngjang mit den drei Festgehaltenen tatsächlich in der Hand hat?

Bilder sind natürlich eine wirksame und kraftvolle Art, Politik zu vermitteln. Und gerade die wiederholten Appelle der Gefangenen, auch mit dem Hinweis auf gesundheitliche Probleme, das übt natürlich schon einen gewissen Druck aus, wenn diese Bilder in der amerikanischen Öffentlichkeit entsprechend verbreitet werden.

Das amerikanische Außenministerium hat in einer ersten Stellungnahme geäußert, man bemühe sich um eine Freilassung der Männer. Welche Optionen haben die USA, um auf diese Videos zu reagieren?

Die USA haben in den letzten Jahren wiederholt hochrangige Gesandte zur Vermittlung ins Land geschickt, im Fall zweier inhaftierter US-Journalistinnen reiste 2009 beispielsweise Ex-Präsident Bill Clinton nach Nordkorea (nach einem persönlichen Gespräch mit dem damaligen nordkoreanischen Diktator Kim Jong Il erreichte Clinton die Freilassung der beiden Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee, Anmerk. d.Red.). Die USA haben also in der Vergangenheit schon auf implizite Forderungen von nordkoreanischer Seite nach direktem Kontakt reagiert. Der Verlust wäre für die USA auch politisch betrachtet nicht allzu groß, solange im Hintergrund nicht entsprechende Zahlungen oder ähnliches fließen.

Trotzdem bleibt die Frage, inwieweit sich ein Land Staat sich durch so etwas erpressen lassen kann.

Natürlich ist das immer wieder die Frage. Aber Staaten haben schon immer in der Vergangenheit, wenn es um Gefangene ging, mit fast allen Regierungsformen in irgendeiner Weise verhandelt. Das ist also keine besonders große Ausnahme. Die Frage ist, was die USA als Gegenleistung zu geben bereit sind und ob den Nordkoreanern auch das Prestige eines hohen Besuches genügt oder ob das Regime weitergehende Forderungen stellt. Die USA haben in ihrem Statement schon gesagt, dass der Fall getrennt von der Nuklearfrage behandelt werden soll. Da stellt sich die Frage, ob Nordkorea sich darauf einlässt. Nordkorea hat den Spielball in die Hände Washingtons gelegt. Jetzt sind die USA am Zug, zu reagieren. Genau das war die Absicht Pjöngjangs.

Wie schwer wiegt denn die Tatsache, dass mit Kim Jong Un jetzt seit knapp zwei Jahren ein neuer, junger Diktator an der Macht ist, über den man nach wie vor nicht allzu viel weiß und mit dem es noch nie direkte Gespräche gab?

Es wird interessant zu sehen sein, was sich daraus entwickelt und ob es zum ersten direkten Kontakt von hochrangigen US-Vertretern mit Kim Jong Un kommen wird, oder ob für Nordkorea auch eineEbene tiefer, beispielsweise ein Treffen der Außenminister, ausreichen würde. Die Kernfragen sind, welche Forderungen Nordkorea stellt und welche Angebote Washington macht.

Eric J. Ballbach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Korea-Studien an der Freien Universität Berlin.