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Neuer Impuls für Europa

Sabrina Pabst22. Januar 2014

Berlin und Paris wollen ihre Außenpolitik enger verzahnen. Für Europa bedeutet das einen Neustart. Doch beide müssen sich zusammenraufen, sagt Frank Baasner, Direktor des deutsch-französischen Instituts, im DW-Interview.

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Frank Baasner ist der Direktor des deutsch-französischen Instituts in Ludwigsburg
Bild: Werner Kuhnle/dfi

Deutsche Welle: Berlin und Paris wollen die europäische Kooperation weiter ausbauen. Dafür reiste Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach seinem Amtsantritt bereits zum dritten Mal nach Paris, um die deutsch-französische Zusammenarbeit zu intensivieren. Von einem "Neustart" war schon im Vorfeld des Treffens die Rede. Warum braucht die deutsch-französische Partnerschaft diese neuen Impulse?

Frank Baasner: Sicherlich ist es richtig, dass Westerwelle als Außenminister nicht so eine Priorität auf den Dialog mit Frankreich gelegt hat, wie das Steinmeier jetzt tut. Aber es ist eine politische Priorität, die jetzt nicht zufällig von einem sehr erfahrenen Europapolitiker, der Herr Steinmeier auch immer war, ausgeht. Steinmeier hat im Unterschied zu seinem Vorgänger Guido Westerwelle viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Frankreich, sowohl als Minister im Bundeskanzleramt unter Gerhard Schröder und auch als Außenminister in der vorherigen großen Koalition. Er tut dies im vollen Bewusstsein, dass Europa nur dann vorankommt, wenn der Dialog mit Frankreich etwas fruchtbarer verläuft als in letzter Zeit. Die Wiederbekräftigung dieses Schwerpunktes wird hoffentlich bald erste Früchte tragen.

Präsident François Hollande hat selber in der Vergangenheit auf zahlreichen Gebieten, besonders bei der Bekämpfung der Eurokrise, unterschiedliche Auffassungen vertreten im Vergleich zu Angela Merkel. Mittlerweile hat Hollande einige strikte Reformen eingeleitet. Glauben sie, dass durch die große Koalition mit der SPD in Berlin der sozialistischen Regierung in Frankreich eine Zusammenarbeit leichter fällt?

Eine Zusammenarbeit ist besonders wichtig, wenn man unterschiedliche Meinungen hat. Von daher müssen wir uns einfach damit abfinden, dass Deutschland und Frankreich auch mal verschiedene Ausgangspositionen hatten und auch noch weiterhin haben werden. Das hat sie aber nicht daran gehindert und wird sie auch nicht daran hindern, gemeinsame Kompromisse zu finden. Was die neuesten Reformen in Frankreich angeht, die Hollande angekündigt hat, so sind die bestimmt nicht angekündigt worden, um Angela Merkel einen Gefallen zu tun. Sondern einfach, weil vor allem Frankreichs Wirtschaft und damit auch die Gesellschaft mit dem Rücken zur Wand stehen. Diese Situation setzt Hollande derzeit enorm unter Druck.

Wie kann der gemeinsame Auftritt von Deutschland und Frankreich die Eurozone und die Europäische Union denn stabilisieren?

Dass Deutschland und Frankreich sich annähern, hat Symbolcharakter. Man sagt in den politischen Analysen, dass Frankreich sehr oft eine Position vertritt, die eher von den südeuropäischen Ländern geteilt würde. Hingegen vertritt Deutschland eine Position, die sehr stark von nordeuropäischen und auch mittel-osteuropäischen Staaten geteilt würde. Sodass beide, wenn sie zusammenkommen, Mehrheiten hinter sich hätten, die Kompromisse und Entscheidungen mittragen können. Wir brauchen alle 28 Staaten oder auch die 18 Euro-Staaten. Aber das Bindeglied ist zwischen Deutschland und Frankreich zu suchen. Man kann nur hoffen, dass es bald aufwärtsgeht. Wir kommen nicht daran vorbei, dass Frankreich und Deutschland die große Verantwortung tragen, sich zusammenraufen müssen. Das ist unbequem. Es ist auch nicht einfach Kompromisse zu finden, aber es gibt einfach keine andere Lösung.

Viele Bürger sind verunsichert, was die weitere Entwicklung der EU und der Eurozone angeht. In vielen europäischen Staaten hat man Sorge, dass anti-europäische oder populistisch auftretende Parteien davon profitieren werden. Frankreich hat derzeit starke nationalistische Strömungen. Die Front National hat in Gebieten wie Marseille und anderen Regionen starken Zuwachs erhalten. Auch in anderen EU-Ländern gibt es nationalistische und Europa-skeptische Tendenzen. Wie wichtig ist eine starke Präsenz von Deutschland und Frankreich hinsichtlich der anstehen Europawahlen im Mai?

Der Front National profitiert derzeit von der Unzufriedenheit, Frustrationen, Enttäuschungen und von politischen Skandalen. Das ist gefährlich. Deswegen ist es umso wichtiger, dass sich die französische Regierung jetzt mit einem linken Regierungschef Hollande klar zu Europa bekennt, wo Frankreich einen sehr wichtigen Platz hat. Ich kann den Regierungen nur wünschen, dass sie die Probleme angehen und eine Perspektive aufzeigen, wo wir in Europa hingehen können. Dann werden die Bürger wieder Vertrauen fassen und nicht irgendwelchen Träumern oder Marktschreiern hinterherlaufen. Es gibt einfach keine Alternativen zu einem gemeinsamen europäischen Kurs. Über die Inhalte kann man streiten, ja. Wie viel Solidarität brauchen wir? Wie viel Haushaltsdisziplin? Das sind politische Fragen, aber die muss man als Europäer mit Europäern diskutieren.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Laurent Fabius wollen künftig gemeinsam und im Vorfeld abgestimmt zu Brennpunkten und in andere europäische Nachbarländer reisen. Wie wichtig ist es gerade in der Ukraine, aber auch in Moldau oder Georgien Präsenz zu zeigen?

Die Europäische Union versucht schon lange eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik aufzubauen - bisher ohne Erfolg. Schauen sie auf die Kriegseinsätze Frankreichs in Libyen. Oder in Mali sind wir nicht einer Meinung gewesen und in Zentralafrika auch nicht. Wenn die beiden großen traditionell gewachsenen Partner Frankreich und Deutschland trotz ihrer unterschiedlichen Wahrnehmung in der Außenpolitik mit ihren beiden Ministern in solchen für Europa wichtigen Nachbarregionen auftreten, hat das einen starken Symbolwert. Deutschland und Frankreich gehen auch in anderen Bereichen voran. Mit dieser Gemeinsamkeit können Deutschland und Frankreich der Außenpolitik mehr Sichtbarkeit verschaffen. Das wird dann ein Beitrag für eine gemeinsame europäische Außenpolitik sein.

Frank Baasner ist Direktor des deutsch-französischen Instituts in Ludwigsburg. Das Institut versteht sich als Plattform für einen Dialog zwischen beiden Ländern. Seit mehr als sechzig Jahren dient es der deutsch-französischen Zusammenarbeit und dem Austausch in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Das Gespräch führte Sabrina Pabst.