1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bücher bauen Brücken

Lindita Arapi7. November 2014

Das europäische Netzwerk für Literatur und Bücher Traduki fordert den kulturellen und zivilgesellschaftliches Austausch in den Ländern Südosteuropas. Nun ist auch Serbien offizielles Mitglied des Netzwerks.

https://p.dw.com/p/1DiSc
Gruppenfoto der Teilnehmer beim Festakt des Übersetzungsnetzwerks Traduki am 04.11.2014, im Auswärtigen Amt im Berlin (Foto: DW)
Neue Nähe zwischen ehemals verfeindeten NachbarnBild: DW

Es muss schon einen Anlass geben, damit die Kulturminister aus den Balkanländern auf einem Podium nebeneinander sitzen, um im Dialog kulturelle Fragen der Region zu erörtern. Diesen Anlass bot die Veranstaltung "Wie kann multilaterale Kulturpolitik die Zukunft aktiv gestalten" in Berlin. Auf Einladung des Außenministers Frank-Walter Steinmeier und des südosteuropäischen Netzwerks für Literatur und Übersetzung Traduki kamen die Kulturminister aus Albanien, Kroatien und Serbien, der ehemalige rumänische Kultur-und Außenminister Andrei Pleşu, Vertreter des Traduki-Partners Liechtenstein und der Direktor der BMW-Quandt Stiftung Michael Schaefer zusammen. Gleichzeitig wurde Serbien als neuer Partner von Traduki begrüßt.

Versöhnen durch Kultur

Seit 2008 steigt die Zahl neuer Traduki-Partner und damit auch die Zahl der Übersetzungen und geförderten Bücher. 672 Übersetzungen aus dem Deutschen in südosteuropäische Sprachen und 202 aus einer südosteuropäischen Sprache in eine andere südosteuropäische Sprache wurden bereits gefördert. "Solch ein breites Netzwerk für Literatur und Übersetzung ist ziemlich einzigartig in Europa", würdigte Steinmeier die Arbeit von Traduki auf dem Balkan. "Vor einigen Jahren wäre ein solches Vorhaben undenkbar gewesen, ein Vorhaben, das Verbindungen schaffen kann, dort wo bis vor kurzem unüberbrückbare Hindernisse waren". Dank der "Kraft des Wortes" sei eine neue Nähe zwischen den ehemals verfeindeten Nachbarn entstanden, und das sei mehr als ein Lichtblick, sagt der deutsche Außenminister.

Auf einem Tisch sind Bücher von Traduki aufgestellt (Foto: DW/Dodi)
Bücher aus dem Traduki-ProgrammBild: DW/A. Dodi

Gerade die Versöhnung durch Kultur und ein neues, offenes Verständnis für den Nachbarn auf dem Balkan ist ein wichtiges Anliegen von Traduki. Man stellt sich die Frage, wie kann Kulturpolitik für bessere Nachbarschaftsbeziehungen sorgen, und können die Bücher die verfeindeten Nachbarn versöhnen? Für den rumänischen Philosophen und ehemaligen Kultur-und Außenminister Andrei Pleşu kann die Kultur Politik unterstützen und stabilisierend wirken. "Wirkliche kulturelle Identität ist die einzige Version der Identität, die nicht aggressiv ist, weil sie von Natur aus auf Toleranz und Offenheit setzt, anders als die ethnische oder religiöse Identität."

"Wir lernen voneinander"

Auch die Kulturministerin Kroatiens Prof. Andrea Zlatar Violić sieht in dieser Förderung die Möglichkeit, den Nachbarn und seine Kultur kennenzulernen. "Das macht uns offen für die Sorgen und Nöte anderer". Zlatar sieht in dem polyphonen Traduki ein Netzwerk, das sogar den Literaturbetrieb in den jeweiligen Ländern der Region verändert. "Wir lernen, wie wir Literatur finanzieren können, wie wir unsere Stiftungen gründen, unsere Schriftsteller fördern", sagt die Kulturministerin Kroatiens, die für mehr Austausch unter den Autoren des Balkans durch "Writer in Residence" Stipendien plädiert.

Oft kennen wir die Literatur des Anderen über die großen Sprachen, betonte Zlatar, und fügt ein Beispiel hinzu: "Ich habe albanische Schriftsteller in englischer und französischer Sprache gelesen". Auch die Einführung der regionalen Sprachen im Unterricht wäre für spätere Generationen von Vorteil, sagt Zlatar. Die Ideen für bessere kulturelle Zusammenarbeit auf dem Balkan reichen so von den regionalen Bücherläden bis zur Herstellung von Balkan-E-Books.

Kultur baut Vorurteile ab

Was die Kultur bewirken kann, zeigte auch der selbstverständlich geführte Dialog zwischen der albanischen Kulturministerin Mirela Kumbaro und dem serbischen Kulturminister Ivan Tasovac. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern haben durch die Ereignisse vor wenigen Wochen im Belgrader Stadion an Spannung zugenommen. Der serbische Kulturminister ist aber nicht der Meinung, dass jetzt nur Misstrauen und Angst herrschen. Gerade hier sieht er die Kultur gefragt. "Weil die Kultur die Aufgabe hat, nicht parteiisch zu werden, weil sie zu jedem gehört, unabhängig von Zugehörigkeit. Wir sollten durch die Kultur kommunizieren, denn wir wissen, wenn diese Art der Kommunikation scheitert, dann kommt an ihre Stelle die Gewalt."

Der serbische Kulturminister Ivan Tasovac unterzeichnet etwas (Foto: DW/Dodi)
Neu dabei: der serbische Kulturminister Ivan TasovacBild: DW

Brücken der Verbindung nennt Tasovac die Übersetzungen der Schriftsteller aus dem Balkan, die zu wenig in seinem Land bekannt seien. Er setzt sich für die Übersetzung junger Autoren ein. "Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der neue Beispiele der Kulturkommunikation bekannt werden".

Bücher schaffen Nachbarschaften

Die Literaturübersetzungen bieten die beste Plattform einander kennenzulernen und zu entdecken, waren die Balkan-Kulturminister einer Meinung. Denn trotz der Last der Geschichte haben wir viel Gemeinsames, unterstrich die albanische Kulturministerin Mirela Kumbaro. "Unsere Lieder klingen ähnlich, unsere Mythen und Legenden sind ähnlich. Wir sollten nun aus dem Modell der Isolierung rauskommen und die Kultur des Dialogs untereinander weiterbilden. Denn es gibt so viel Energie in dieser Region. Diese sollten wir positiv nutzen, und davon kann auch Europa profitieren."

Podiumsdiskussion des Übersetzungsnetzwerks Traduki am 04.11.2014, im Auswärtigen Amt in Berlin (Foto: DW/Dodi)
Das Konzept des Traduki-Projektes ist "Versöhnung durch Kultur"Bild: DW

Bücher schaffen immer Nachbarschaften, sogar mit fernen Nachbarn, resümiert am Ende der Veranstaltung der Philosoph Andrei Pleşu. Das ist die Magie der Literatur. Und vielleicht machen die Bücher nicht sofort bessere Nachbarn, aber Neugier auf den Anderen wecken sie jedenfalls.