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Steinmeier eröffnet Ausstellung zum Kriegsende 1945

Richard A. Fuchs, Berlin 23. April 2015

1945 war für Deutschland das Jahr von Niederlage, Befreiung und Neuanfang. Anläßlich einer Ausstellungseröffnung zum Thema versprach Außenminister Steinmeier, dass Deutschland "nie wieder allein" agieren werde.

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Deutschland Ausstellung "1945. Niederlage. Befreiung. Neuanfang" Steinmeier
Bild: Getty Images/T. Schwarz

Zwölf Tage und 250 Kilometer: So lange dauerte für Roger Bordage der Marsch aus der Hölle. Bordage war französischer Häftling im Konzentrationslager Sachsenhausen, 30 Kilometer vor den Toren Berlins. Kurz vor dem Kriegsende am 8. Mai 1945 wurde er von SS-Offizieren auf einen Todesmarsch geschickt. Möglichst viele Zwangsarbeiter sollten umgebracht werden, um die Spuren der Nazi-Verbrechen vor den heranrückenden Alliierten zu beseitigen. "Sie ließen 15.000 Frauen und Männer im Wald zurück", erinnert sich Zeitzeuge Roger Bordage an jene Massenexekutionen, die er mit Glück und gerade einmal 35 Kilo Körpergewicht überlebte.

Kriegsende aus vielen Perspektiven

Der heute 90-jährige Zeitzeuge Roger Bordage sprach am Donnerstag (23.4.) bei der Eröffnung der Ausstellung "1945: Niederlage. Befreiung. Neuanfang" im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier war anwesend.

1945 überlebte er Sachsenhausen: Roger Bordage
1945 überlebte er Sachsenhausen: Roger BordageBild: picture-alliance/dpa/B. Settnik

Die Ausstellung stellt das Kriegsende nicht nur aus deutscher Perspektive dar, sondern auch aus der Sicht von elf anderen europäischen Nationen. Mehr als 500 Exponate und 36 Einzelschicksale veranschaulichen, wie das Ende des Zweiten Weltkrieges zur Befreiung für ganz Europa wurde.

Außenminister Steinmeier wiederholte deshalb, was vor 30 Jahren erstmals vom jüngst verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker in Deutschland ausgesprochen wurde: Der 8. Mai "hat uns alle befreit". Er dankte Bordage, dass er auch dem Land seiner Peiniger durch seine Freundschaft geholfen hat. "Ihre Hand lassen wir nicht mehr los, Herr Bordage, die Sie in so unvergleichbarer Weise ausgestreckt haben." Deutschland sei die Rückkehr in die Völkergemeinschaft nur deswegen gelungen, weil "viele Opfer dem Land die Hand gereicht haben".

Angehörige und Opfer besuchen das Konzentrationslager Sachsenhausen im Jahr 2006
Angehörige und Opfer besuchen das Konzentrationslager SachsenhausenBild: AP

Steinmeier: "Nie wieder alleine"

Die Rückkehr Deutschlands in die internationale Staatengemeinschaft bringe eine besondere Verantwortung mit sich, so Steinmeier. "Deutschland war damals Brandstifter und Anstifter von Unordnung und muss heute in besonderem Maße Stifter von Ordnung und friedlicher Entwicklung sein." Deutschlands Engagement zu einer Friedenslösung in der Ukraine-Krise ebenso wie seine Unterstützung im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" seien zwei Beispiele, wie das Land diese Verantwortung heute leben wolle.

Wichtig sei dabei, so Steinmeier, dass die deutsche Außenpolitik heute nie wieder im Alleingang agieren wolle. Dies sei eine der Lehren aus dem "entfesselten, übersteigerten Nationalismus" der Nazi-Ära, die zur Katastrophe von 1945 führte. Galt für Generationen von Deutschen nach dem Krieg die Formel "Nie wieder", so Steinmeier, so sei bei der deutschen Außenpolitik hinzuzufügen: "Nie wieder allein." Die europäische Einigung und damit verbunden der Aufbau der EU als festes Bindeglied der Zusammenarbeit zwischen einstigen Kriegsfeinden ist laut Steinmeier die richtige Antwort auf die deutsche Geschichte.

"Wegen Freude geschlossen"

Dass diese europäische Einigung ein großes Geschenk sei, das beschrieb Steinmeier beispielhaft mit dem Verweis auf ein Exponat. So zeigt die Ausstellung ein Foto mit dänischen Widerstandskämpfern, die wenige Tage vor dem Kriegsende vor dem verschlossenen Tor eines Ladengeschäfts stehen. Am Tor befestigt ein Schild mit der Aufschrift: "Wegen Freude geschlossen". Es sei fast ein Wunder, so Steinmeier, dass "ein Deutscher heute vor diesem Foto stehen kann, neben einem Besucher aus Italien oder Polen, vielleicht sogar aus Dänemark und dass wir diese Freude gemeinsam fühlen können".

Roger Bordage wurde nach dem Krieg Entwicklungshelfer der UNESCO in Lateinamerika. Er ermahnte die Besucher, nicht nachzulassen in dem Streben, die Erinnerung an den Schrecken wachzuhalten. "Wir müssen über alles reden, denn wir können nie ganz sicher sein, dass es nicht doch irgendwann wieder passiert." Schließlich sei sein Leid in einem Land geschehen, in einem großartigen Land namens "Grand Republique d’Allemagne", dem Land von Kant, Einstein, Beethoven und Goethe.