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Dickschiffe dominieren Detroit

Gero Schließ, z.Zt. Detroit12. Januar 2015

Niedrige Benzinpreise und zuversichtliche Kunden machen es möglich: Der US-Automarkt boomt. SUVs sind so beliebt wie nie. Bis auf VW profitieren die deutschen Hersteller davon. Aus Detroit Gero Schließ.

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Silbernes Auto Buick Avenir Concept (Foto: AFP/Getty Images/J. Samad)
Bild: AFP/Getty Images/J. Samad

"Die Zeichen für die Automobilindustrie in Nordamerika stehen auf Wachstum und Gewinn", freut sich Jason Stein, Verleger des amerikanischen Fachmagazins "Automotive News", zu Beginn der Automesse in Detroit. Um rund sechs Prozent ist der US-Markt im vergangenen Jahr gewachsen. Mit 16,4 Millionen verkauften Einheiten hat er fast wieder das Vorkrisenniveau erreicht. 2014 gab es "das stärkste Wachstum seit der Rezession, nicht nur hinsichtlich der Verkaufszahlen, sondern auch beim Profit", erläutert Stein gegenüber der DW. Und wie viele andere Experten sagt auch er weiteres Wachstum für 2015 voraus.

US-Hersteller im Hoch

Zwei der drei großen amerikanischen Hersteller, General Motors und Fiat-Chrysler, haben von diesem Boom profitiert, während Ford wegen des Modellwechsels beim Bestseller, dem Pickup Truck F150, stagnierte. Und überraschend genug: Die massenhaften Rückrufaktionen vor allem von General Motors haben das Vertrauen der amerikanischen Konsumenten nicht erschüttert. Im Gegenteil: GM-Chefin Mary Barra setzte sich selbstbewusst an die Spitze der Optimisten und sagte bereits vor Beginn der Automesse Stückzahlen von mehr als 17 Millionen Einheiten für 2015 voraus.

Die deutschen Hersteller konnten von der positiven Entwicklung nicht nur profitieren, sie erwiesen sich sogar als Wachstumstreiber für den US-Markt. "Wir sind im letzten Jahr die am schnellsten wachsende Premium-Marke gewesen", zog Mercedes-Chef Dieter Zetsche gegenüber der DW eine positive Bilanz. Auch Audi und Porsche wuchsen zweistellig, BMW etwas weniger.

Daimler-Chef Zetsche präsentiert den GLE Coupé (Foto: Reuters/M. Blinch)
Daimler-Chef Zetsche präsentiert den GLE CoupéBild: Reuters/M. Blinch

Deutsche Dominanz

Deutsche Autos hätten in den USA inzwischen einen Marktanteil von zwölf Prozent, rechnete der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, im Gespräch mit der DW vor. Das sei "Rekordniveau", sagte er am Rande der Automesse. Ertragsmäßig seien die USA beim Export von Premium-Marken der bedeutendste Markt überhaupt, sagte Wissmann und nannte eindrucksvolle Zahlen für die deutsche Dominanz in diesem Bereich: "Die deutschen Premium-Hersteller repräsentieren fast 80 Prozent des Marktes in diesem Segment."

Amerikaner lieben SUVs made in Germany

Der Erfolg deutscher und amerikanischer Hersteller wurde vor allem durch die weiter angestiegene Nachfrage bei den ohnehin populären SUVs und Pick-up-Trucks möglich gemacht. Gefallene Benzinpreise verstärkten den Trend nochmals: "Die Hälfte des US-Marktes ist vom SUV bestimmt," erklärt Ludwig Willisch, US-Chef der BMW Group, gegenüber der DW. BMW sei im vergangenen Jahr so erfolgreich gewesen, dass es "eher die Frage der Verfügbarkeit gewesen ist, die unseren Erfolg noch gebremst hat". Der Verkauf der X-Modelle machte gut ein Drittel des US-Absatzes aus. Eine ähnliche Entwicklung war bei Audi zu beobachten, wo die Absatzzahlen des Q5 sogar erstmals den A4 überrundeten. In Detroit will Audi die SUV-Konjunktur nutzen und präsentiert den brandneuen Q7. Mercedes hält mit dem neuen, sportlich aufgerüsteten GLE Coupé dagegen und hat 2015 schlicht zum "Jahr des SUV" erklärt.

Audi Q7 (Foto: Audi)
Audi zeigt den neuen Q7Bild: Audi

Deutsche deklassieren die Konkurrenz

"Die deutschen Hersteller könnten nicht besser auf dem amerikanischen Markt abschneiden", lobt Autoexperte Jason Stein. Mercedes, BMW und Audi produzierten die besten Autos, die im Moment auf der Straße seien. "Die deutschen Marken sind positioniert mit all ihrer Technologie, ihrer Sicherheit, ihre Leistung und Qualität. Sie haben sich von ihren amerikanischen und japanischen Wettbewerbern weit abgesetzt."

VW verliert

Einzig die Marke Volkswagen schwächelte erneut und verlor am US-Markt gegen den Trend wichtige Marktanteile. VW habe zu lange den SUV-Trend in den USA ignoriert, kritisierte das Wall Street Journal, und brauche nun dringend "mehr SUV". Volkswagen werde wieder auf Angriff spielen, versprach VW-Chef Winterkorn in Detroit und kündigte - wie schon im Vorjahr - "eine große SUV-Offensive" an. Als Versprechen auf die Zukunft enthüllte Winterkorn am VW-Stand das Konzeptmodell eines neuen SUVs namens Cross Coupé GTE. 2016 soll dann ein neuer Midsize-SUV in der VW-Fabrik in Chattanooga (US-Bundesstaat Tennessee) vom Band rollen. Im Jahr danach wird dann der neue Tiguan mit verlängertem Radstand folgen.

VW Cross Coupé GTE (Foto: picture-alliance/AP Photo/P. Sancya)
Volkswagen versucht es mit dem Cross Coupé GTEBild: picture-alliance/AP Photo/P. Sancya

Volkswagen habe bisher einfach nicht die richtige Produktpallette für den US-Markt, konstatiert Jason Stein. Das werde nicht so schnell zu beheben sein. "Die Gefahr ist, dass sie mit ihren Marktanteilen weiter abrutschen in einem Markt, der an Volumen gewinnt. Die Herausforderung für Volkswagen ist, auf diesem Markt mit ihrer Fabrik in Chattanooga relevant zu bleiben."

Das Ende des Benzinsparens?

Die niedrigen Benzinpreise jedenfalls, die laut Washington Post jährlich eine durchschnittliche Entlastung von 550 Dollar pro Haushalt bringen, werden den Trend für SUVs und Pickups weiter verstärken. PS-Stärke und Fahrleistung würden in Detroit mehr denn je wieder die Schlagzeilen bestimmen, sagte die Zeitung voraus. Doch damit sei nicht das Ende des Benzinsparens eingeläutet, beschwichtigen die Autobauer. Und es stimmt: Das grüne Herz schlägt auch in Detroit immer noch. Die neuen Plug-in-Hybride sollen dafür Zeugnis ablegen. Und Mercedes-Chef Dieter Zetsche spricht für viele Hersteller, wenn er auf die hohe Effizienz der SUV-Motoren verweist, die nur unwesentlich mehr Sprit verbrauchten als die Limousinen. Und er verspricht im Gespräch mit der DW: "Wir werden bis 2017 10 Plug-In-Hybride in unserem Portfolio haben. Egal wie sich die Ölpreise kurzfristig entwickeln: Wir setzen darauf, dass wir langfristig sowohl die Emissionen abschaffen und auch unabhängig vom Öl werden."