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Ausländische Hausangestellte: Familienleben per Internet

Matilda Jordanova-Duda7. Juni 2013

Millionen gut qualifizierter Frauen und Männer arbeiten im Ausland in Privathaushalten. Der Preis ist meist hoch: Schlechte Arbeitsbedingungen, ein Leben in der Illegalität - und Kontakt zu den Liebsten nur über's Netz.

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Eine Hausangestellte putzt ein Badezimmer
Bild: picture-alliance/dpa

Rosi Torres aus Lateinamerika lebt seit zehn Jahren ohne Papiere in Deutschland und arbeitet schwarz. Sie heißt in Wirklichkeit anders und möchte auch das Land nicht nennen, aus dem sie kommt. Von Beruf ist sie Topografin, doch in ihrer Heimat war sie lange arbeitslos. Für das Studium des Sohnes, aber auch für die Diabetes- und Herzmedikamente ihrer alten Eltern braucht sie dringend Geld. Deswegen putzt sie täglich in mehreren deutschen Haushalten und schickt einen großen Teil ihres Einkommens an die Familie.

Überqualifizierte Putzfrauen

Rosi Torres ist kein Einzelfall. Viele Hausangestellte seien hochqualifiziert, sagt Kyoko Shinozaki. Die Soziologin aus Japan forscht an der Universität Bochum über internationale Arbeitsmigration und transnationale Familien zwischen Asien und Europa. "Diese Menschen würden gerne ihren Beruf ausüben, sehen jedoch im eigenen Land keine Aufstiegschancen - oder der Verdienst reicht nicht, um den Lebensstandard als Teil der Mittelschicht aufrechtzuerhalten". Als Hausangestellte in Deutschland verdienen sie mehr als Lehrer oder Ingenieure in ihrem Heimatland. Weil aber auch die Lebenshaltungskosten in Deutschland deutlich höher sind, "führen sie ein sehr einfaches Leben, um größere Summen an die Familie zu überweisen", weiß Shinozaki.

Vor allem die nächste Generation soll es eines Tages besser haben: Für die gute Ausbildung ihrer Kinder nehmen die Eltern in Kauf, die eigene Qualifikation zu entwerten  - und das Aufwachsen der Kleinen zu verpassen. Um die zurückgelassenen Kinder kümmern sich Verwandte oder aber bezahlte Betreuerinnen aus noch ärmeren Ländern. So entstehen ganze internationale Fürsorgeketten: Beispielsweise pflegen Polinnen alte Menschen in Deutschland, während ihre eigenen Kinder in Polen von Ukrainerinnen versorgt werden.

Porträt von Kyoko Shinozaki, Soziologin von der Uni Bochum. (Foto: privat)
Kyoko ShinozakiBild: privat

Elternschaft per Skype

"Die Verbreitung der Mobiltelefone auch in ländlichen Regionen und vor allem das Internet haben die Kontakte zwischen diesen Familienmitgliedern radikal verändert", erklärt Shinozaki. "Schau, Kyoko, heute habe ich schon sieben SMS von meinem Sohn bekommen!", sagte ihr ein Vater stolz. "Das heißt, die Kinder brauchen ihn, sie suchen seinen Rat." Manche Mütter beaufsichtigten ihre Kinder sogar aus der Ferne per Skype bei den Hausaufgaben, sagt Shinozaki. "Diese Online-Beziehung kann man zwar einschalten, was sich vielleicht manchmal sehr positiv auswirkt, aber man kann sie genauso gut ausschalten".

Auch Rosi Torres skypt fast täglich mit ihrem Sohn. Schon seit zehn Jahren sieht sie ihn nur über die Webcam: Da sie keinen legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland hat, traut sie sich nicht einmal, in die nächstgelegene Stadt zu fahren, geschweige denn, nach Hause zu fliegen. Doch bald wird sie ihn zum ersten Mal nach einem Jahrzehnt nicht nur auf dem Computer-Bildschirm sehen: "Er hat jetzt seinen Abschluss als Ingenieur und will in Deutschland seinen Master machen und einen guten Job suchen. Dann arbeiten wir beide hier noch ein paar Jahre und gehen dann zurück nach Hause", schwärmt sie.

Ungesicherte Existenzen

Die Arbeit der Eltern als Hausangestellte im Ausland führe in vielen Fällen dazu, "dass den Kindern dadurch eine sehr gute Ausbildung zugute kommt, dass sie wesentlich mehr Perspektiven haben", sagt Sabine Ferenschild vom Institut für Ökonomie und Ökumene Südwind. "Aber es gibt natürlich auch die Gegenbeispiele, dass Familienstrukturen zerbrechen, dass Kinder praktisch ohne familiären Zusammenhalt aufwachsen“.

Porträt von Sabine Ferenschild vom Institut für Ökonomie und Ökumene Südwind (Foto: DW/Matilda Jordanova-Duda)
Sabine FerenschildBild: DW/M. Jordanova-Duda

Nicht nur der reiche Norden sei ein Magnet für diese Migranten - zum Beispiel sei die Süd-Süd-Migration auch sehr stark. So kämen die meisten Hausangestellten in Hongkong aus Indonesien und den Philippinen. "Der Großteil dieser Arbeitsmigranten wird weltweit prekär beschäftigt", sagt Sabine Ferenschild. Die meisten haben keine Sozialversicherung, bis zu 40 Prozent verdienen weniger als die jeweiligen lokalen Mindestlöhne.

Roter Teppich am Flughafen

In manchen Herkunftsländern genießen die Arbeitsmigranten ein besonders hohes Ansehen: Nicht zuletzt, weil die Geldtransfers aus dem Ausland eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung haben. Der philippinische Staat, der seit den 1970-er Jahren eine systematische Entsendungs-Politik von Arbeitskräften ins Ausland betreibe, feiere sie als "nationale Helden" und "Übersee-Investoren", erzählt Kyoko Shinozaki: Bei der Rückkehr in die Heimat rolle man ihnen buchstäblich den roten Teppich am Flughafen aus.

Dort, wo sie arbeiten, haben sie dagegen kaum Rechte. Eine von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) initiierte Konvention für menschenwürdige Arbeit von Hausangestellten soll helfen, künftig ihren Anspruch auf angemessene Bezahlung, Urlaub oder Krankenversicherung besser durchzusetzen. Momentan ist das eher eine Frage von Verhandlungsgeschick und guten Kontakten: Eine erfahrene Putzkraft oder Kinderfrau mit breitem Netzwerk kann selbstbewusster auftreten und leichter den Haushalt wechseln. Ist sie neu im Geschäft oder wohnt sogar beim Arbeitgeber, ist sie völlig von ihm abhängig. In Deutschland hat die Konvention für Hausangestellte nach Angaben der SPD-Fraktion schon den Bundestag passiert. Wenn sie demnächst ratifiziert wird, können sich zumindest die Beschäftigten mit legalem Aufenthaltsstatus in Deutschland an die Gewerkschaften vor Ort wenden. Für die Menschen ohne Papiere dürfte die Situation weiterhin schwierig bleiben: Aus Angst vor einer Abschiebung vermeiden sie es, sich an Behörden zu wenden.