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Aufschwung mit Superministern?

Andreas Becker17. Dezember 2013

Gleich drei Ministerien, die wirtschaftlich wichtige Themen bearbeiten, erhalten einen neuen Zuschnitt. Der Wirtschaftsminister ist zum Beispiel nun auch für die Energiewende zuständig. Ist das sinnvoll?

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Symbolbild Aufschwung Werbeplakat der Bundesregierung mit der Aufschrift Aufschwung Krise
Bild: picture alliance/XAMAX

Für die Bundesregierung ist die Energiewende ein "Jahrhundertprojekt", und dafür trägt jetzt allein der neue Wirtschaftsminister die Verantwortung, SPD-Chef Sigmar Gabriel. Das Ziel: Deutschland will sich aus der Atomkraft zurückziehen und die Energieversorgung auf erneuerbare Quellen wie Wind-, Wasser- und Sonnenkraft umstellen.

Bisher teilten sich zwei Ministerien diese Aufgabe, Wirtschaft unter Philipp Rösler (FDP) und Umwelt unter Peter Altmaier (CDU). "Die beiden Ressorts und die beiden Minister haben sich in den letzten Jahren nur blockiert", sagt Jens Tartler, Sprecher des Bundesverbands Eneuerbare Energie (BEE). Als Beispiel nennt Tartler den Emissionshandel, bei dem Unternehmen für das Recht bezahlen, die Luft mit Kohlendioxid (CO2) verschmutzen zu dürfen.

"Superminister" für Wirtschaft und Energie

In der Theorie entsteht so ein Anreiz, in umweltfreundlichere Technologien zu investieren. Doch in der Praxis sind zu viele Zertifikate auf dem Markt, und Luftverschmutzung ist günstiger als umweltfreundliches Verhalten. Der frühere Umweltminister Altmaier wollte den nicht funktionierenden Emissionshandel reformieren, der frühere Wirtschaftsminister Rösler war strikt dagegen, weil er der Industrie die Kosten nicht zumuten wollte. "Das war nicht gut fürs Klima und auch nicht gut für die erneuerbaren Energien", so Tartler.

Gabriel Gröhe und Dobrindt Gottesdienst konstituierende Sitzung des Bundestags
Sigmar Gabriel (zweiter von links) soll die Energiewende in Schwung bringenBild: Getty Images

Die Frage ist nun, ob Wirtschaftsminister Gabriel Umweltaspekte stärker gewichten wird als die Wünsche der Unternehmen. Immerhin kennt sich Gabriel in der Thematik aus, von 2005 bis 2009 war er bereits Umweltminister unter Kanzlerin Angela Merkel. Jens Tartler vom Bundesverband Erneuerbare Energie hofft deshalb, dass Gabriel in Umweltdingen ein "Überzeugungstäter" ist, "der mit Herzblut an die Sache rangeht".

Als SPD-Chef müsse er zwar auch Rücksicht nehmen auf große Energiekonzerne wie Eon und RWE mit ihren Kohlekraftwerken und den Zehntausenden Beschäftigten. "Aber wir hoffen natürlich, dass er sich im Zweifel für die Energiewende und die erneuerbaren Energien entscheidet, weil das die Zukunft ist", so Tartler.

Spott über den "Internetminister"

Eine große Zukunft wird auch der Internetwirtschaft vorhergesagt. Um die "digitale Infrastruktur", also den Ausbau der Breitbandnetze und den flächendeckenden Zugang zu schnellem Internet, wird sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt kümmern. Dobrindts Hauptaufgabe ist zwar der Auto- und Bahnverkehr, doch immerhin: Es ist das erste Mal, dass ein Bundesminister auch für das Internet zuständig ist. "Mit der eindeutigen Ressortzuweisung in einem Ministerium erhält die digitale Infrastruktur nun hoffentlich endlich den gleichen Stellenwert wie das Straßenverkehrsnetz oder die Stromversorgung", sagt Oliver Süme, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Verbands der deutschen Internetwirtschaft (ECO).

Als Generalsekretär der bayerischen Partei CSU war Dobrindt für grobe Attacken bekannt: SPD-Chef Gabriel etwa, den er im Bundeskabinett bald regelmäßig sehen wird, hatte Dobrindt als "übergewichtig und unterbegabt" bezeichnet. Durch besonderes Fachwissen in Sachen Informationstechnologie und Internet ist Dobrindt bisher nicht aufgefallen. Seine Berufung sorgte im Netz deshalb für Witze über die Parallelen von Autobahnen und Datenautobahnen.

Große Koalition Vertragsunterzeichnung
CSU-Politiker Dobrindt (rechts) hatte bisher kein gutes Wort für seinen Ministerkollegen Sigmar Gabriel (dritter von links) übrigBild: Reuters

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel das Internet vor Kurzem noch als "Neuland" bezeichnet hatte, wird zudem über die Ahnungslosigkeit des Kabinetts in technischen Dingen gespottet. "Ist doch klar, dass Dobrindt Internetminister wird", schreibt ein LennardS auf Twitter. "Ist ja schließlich der einzige mit Hornbrille im Kabinett."

Warum Dobrindt, der bisher keinen Twitter-Account hatte, bereits als "Internetminister" bezeichnet wird, ist dagegen unklar, schließlich ist er nur für die "digitale Infrastruktur" zuständig. Ob er sich in Zukunft auch mit Fragen der Datensicherheit im Netz befasst, wird sich zeigen. Für die Internetwirtschaft ist das seit Beginn der NSA-Affäre jedenfalls ein wichtiges Thema. "Die Bundesregierung sollte dazu beitragen, das durch die Ausspähaffäre geschwächte Vertrauen in das Internet bei Wirtschaft und Verbrauchern wiederherzustellen", so ECO-Vorstand Oliver Süme. "International würden wir die Erhaltung eines offenen und freien Internets sowie die zukunftsfähige Gestaltung des europäischen Datenschutzes ganz oben auf die politische Agenda setzen."

Verbraucherschutz beim Justizminister

Die dritte Ressortveränderung betrifft den Verbraucherschutz, der künftig nicht mehr im Ministerium für Landwirtschaft angesiedelt ist, sondern beim Justizministerium. "Der neue Ressortzuschnitt ist ein Gewinn für den deutschen Verbraucherschutz", sagt Lukas Siebenkotten vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). "Viele Verbraucherfragen sind Rechtsfragen, die jetzt in einem Ministerium gebündelt werden." Als wichtige Themen nennt der Verband Verbraucherrechte im Internet und die Kosten der Energiewende. Ein weiterer Vorteil sei, dass das Justizministerium unabhängig von den Interessen der Landwirtschaft auftrete und bei Lebensmittelfragen deshalb neutraler sei.

Die enge Verbindung zwischen Landwirtschaft und Verbraucherschutz war eine Reaktion auf zahlreiche Skandale mit verseuchten Lebensmitteln. In Fischen fanden sich Würmer, in Hühnereiern Dioxin, Rinder erkrankten an BSE. Seit 2001 war daher das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft für den Verbraucherschutz zuständig.

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