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Auf neuen Wegen Frieden sichern

Wolfgang Dick2. Juli 2014

Der freie Handel von Software zur Internet-Überwachung und so genannte "unregierte Regionen" stärken diktatorische Machthaber in Krisenregionen. Auf dem Global Media Forum sprachen Friedensforscher über Lösungen.

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Deutsche Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan im Kontakt mit Bevölkerung (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Wir können alle jederzeit im Gefängnis landen", sagt Ahmed Khalifa. Er ging nach seinem Studium der politischen Wissenschaften in Deutschland nach Ägypten - in die Heimat seiner Eltern - um dort über die Umbrüche im Land zu berichten. "Das neue Regime nimmt auch auf die internationale Presse und ihre Berichterstattung über die Verletzung von Menschenrechten keine Rücksicht mehr." Ohne kluge internationale Vernetzung von Aktivisten gebe es keinen Schutz, sagt der Deutsch-Ägypter. Khalifa arbeitet inzwischen als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bonn International Center for Conversion (BICC). Auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle stellt er einige seiner Kollegen vor, die all jenen konkrete Hilfe anbieten, die für demokratische Verhältnisse kämpfen oder schreiben.

Das BICC wurde 1994 auf Initiative des damaligen UN Generalsekretärs Kofi Annan gegründet und gilt inzwischen als eine der führenden Adressen der Friedens- und Konfliktforschung. BICC-Experten beraten die Bundesregierung, sind aber auch international sehr gefragt. Im gerade erschienenen "Go-to Think Tanks"-Report,einer angesehenen Einordnung von mehr als 6000 internationalen Denkfabriken aus 182 Ländern, landet das BICC auf einem der vorderen Plätze. Das Interesse der Besucher des Global Media Forums war entsprechend groß.

Spionagesoftware gehört zu "Dual-Use-Gütern"

Marc von Boemcken ist nicht nur Co-Autor des jährlich in Deutschland veröffentlichten Friedensgutachtens - er arbeitet bei BICC auch an einem sehr ambitionierten Projekt: Für Internet-Überwachungsprogramme sollen dieselben internationalen Exportregeln gelten wie für alle Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Bisher fragt niemand die Firmen, die solche Software entwickelten, ob ein Regime damit die Meinungsfreiheit im Internet kontrollieren will. Solche westliche Hochtechnologie gelangte auch nach Tunesien, Ägypten, Libyen, Bahrein und Syrien.

BICC-Workshop während des Global Media Forum (Foto: DW/W. Dick)
Viel Interesse an moderner KonfliktlösungBild: DW/W. Dick

Auf dem Global Media Forum in Bonn überraschte von Boemcken mit der Nachricht, dass die Aussichten auf eine Regelung für den Handel mit Internetspionageprogrammen gar nicht schlecht stehen. "Die Bundesregierung aber auch die Europäische Union haben angekündigt, dass sie diese Technologien unter Exportkontrolle stellen möchten", erklärt von Boemcken. Bereits im Dezember des vergangenen Jahres sei Überwachungstechnik für Internet und Computer in die so genannte "Wassenaar-Liste"aufgenommen worden. Diese Liste nennt zivil wie militärisch nutzbare Güter (so genannte Dual-Use-Güter).

Aktivisten, Blogger und Journalisten erhalten Schutz

"Wer in Kriegs- und Krisenregionen arbeitet, muss sich damit beschäftigen, Landminen zu erkennen. So sollte man sich auch mit der Sicherheit im Internet auseinandersetzen", fordert Menso Heus. Er ist Koordinator des Internet Protection Lab, das spezielle, intensive Schulungen zum Umgang mit einem abgesicherten Internet anbietet. So unterstützte die Initiative aus den Niederlanden jüngst Mitglieder der Schwulen-Bewegung in Russland, damit sie ihre Aktionen ungestört organisieren konnten. "Wenn die Leute verstanden haben, wie diese Überwachungstechnologie funktioniert, dann können sie sich auch besser schützen", so Heus.

Marc von Boemcken, BICC (Foto : DW/W. Dick)
Marc von Boemcken, BICCBild: DW/W. Dick

Wie wichtig ein solches Internet-Sicherheits-Training ist, zeigte unlängst auch ein Vorfall in Bahrein. "Dort wurden Aktivisten, die regierungskritische Projekte über Skype besprachen, zwei Stunden später von der Polizei überfallen und festgenommen", erzählt Heus. Trotzdem gehöre die Absicherung von Kommunikation über Mobiltelefon oder Computer für Friedensaktivisten immer noch nicht zum allgemeinen Gedankengut. Menso Heus: "Die wissen, wie man Demonstrationen organisiert. Alles andere gehört einfach nicht in deren Arbeitsprozess". Damit sich dies schrittweise ändert, unterstützen BICC und die Organisation Free Press Unlimited in einem Netzwerk das Internet Protection Lab.

Kriseninterventionen benötigen mehr Dialog mit Menschen vor Ort

Um einen geschärften Blick ganz anderer Art wirbt Conrad Schetter. Der BICC-Direktor kritisiert die in den USA aufgekommene Theorie von so genannten ungoverned spaces - nicht regierten geografischen Regionen. Nach Auffassung der USA gibt es in diesen Gegenden keine Regeln, keine Strukturen. Diese Definition habe es den USA erlaubt, nach den Terror-Anschlägen des Jahres 2001 überall mit allen Mitteln und ohne große Rechtfertigungen einzugreifen, wo vermeintlich Bedrohungen für den Westen entstehen, erläutert Schetter auf dem Global Media Forum. Diese Denkweise drohe auch von Bündnispartnern übernommen zu werden. Die Auffassung aber sei falsch: "Wenn Sie an bestimmte Plätze in Somalia, im Süd-Sudan oder in Afghanistan gehen, dann finden Sie überall dort bestimmte soziale Strukturen und eine Art Selbstverwaltung", schildert Schetter seine Erfahrungen.

Menso Heus, Koordinator Internet Protection Lab (Foto: DW/W. Dick)
Menso Heus, Koordinator Internet Protection LabBild: DW/W. Dick

Nicht alle politischen Strukturen seien gleich illegitim - möglicherweise in den Augen einer Regierung, aber nicht in den Augen der Bevölkerung. Das sei bisher bei allen Interventionen zu wenig beachtet worden. "Da war viel Ignoranz im Spiel." Schetter plädiert dafür, viel verstärkter die gesamte Gesellschaft eines Landes zu verstehen und mit jenen Menschen zu sprechen, die nicht Geld forderten, sondern an einem gemeinsamen, gleichberechtigten Vorgehen im Land interessiert seien. "Hilfe beim Aufbau von Verwaltungsstrukturen ist wichtiger als Brücken, Straßen oder Dämme zu errichten", meint Schetter. Oft seien Polizisten zur Friedenssicherung besser geeignet als Soldaten. "Vor allem müssen wir uns von der Illusion verabschieden, dass man in Krisengebieten mal eben von außen etwas schnell regeln kann."