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Auch Politiker im Visier der Rechtsterroristen?

16. November 2011

Die Zwickauer Neonazi-Terrorzelle hat wohl auch Politiker und Vertreter von Organisationen im Visier gehabt. Darauf deutet eine nun gefundene Namensliste hin. Unterdessen räumt Niedersachsen schwere Fahndungspannen ein.

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Pistole auf einem Bildschirmfoto aus dem Bekennervideo der terroristischen Vereinigung 'NSU' (Foto: dapd)
Brutale Morde - Bekennervideo der Neonazi-Zelle aus ZwickauBild: dapd

Bei ihren Ermittlungen gegen die mutmaßliche Neonazi-Zelle aus Zwickau sind die Fahnder auf eine womöglich hochbrisante Liste gestoßen. Nach Presse-Informationen könnte sie eine Ansammlung möglicher Ziele der Rechtsterroristen enthalten. Die Fahnder wüssten aber noch nicht, warum genau das Zwickauer Trio die Liste mit den Namen und Adressen angelegt habe. Ob sich durch den Fund die Gefahreneinschätzung für bestimmte Politiker und andere Personen verändere, werde noch ermittelt.

Nach einem Bericht des Berliner "Tagesspiegel" enthält die sichergestellte Liste unter anderen die Namen des Grünen-Bundestagsabgeordneten Jerzy Montag und des CSU-Parlamentariers Hans-Peter Uhl. "Spiegel Online" schreibt, zudem seien die Namen von Vertretern türkischer und islamischer Organisationen darin aufgeführt. Insgesamt handele es sich um rund tausend "Datensätze". Die Fahnder hätten ausgewählte Betroffene schon Anfang der Woche über die Liste informiert.

Offenbar mehr Unterstützer

Wohnhaus und Gagage (Foto: dapd)
In diesem Haus bei Hannover lebte ein mutmaßlicher Unterstützer der TerrorgruppeBild: dapd

Laut "Berliner Zeitung" soll die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) aus Jena mehr Unterstützer gehabt haben als bisher bekannt: Die Fahnder hätten "eine Handvoll" Verdächtige im Visier. Die Wiener Wochenzeitung "Falter" berichtet zudem, der österreichische Neonazi Gottfried Küssel sei 2007 als Gastredner bei einem sogenannten "Fest der Völker" in Jena aufgetreten. Die Organisatoren des rechtsextremen Festivals gehörten zum engeren Umfeld der NSU. Küssel befindet sich derzeit wegen Hetze gegen Juden, Roma und Homosexuelle in Österreich in Untersuchungshaft.

Im Zusammenhang mit der zurückliegenden Fahndung nach den Thüringer Rechtsextremisten räumten in Niedersachsen Verfassungsschutz und Innenministerium grobe Fehler ein. Schon vor der Mordserie habe es etwa Erkenntnisse über einen jetzt festgenommenen Terrorhelfer gegeben. Man habe ihn 1999 observiert, damals aber nur als "Randfigur" eingestuft.

Politik will handeln

Hans-Peter Friedrich (Foto: dapd)
Minister Friedrich möchte Zentralregister für NeonazisBild: dapd

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will jetzt gefährliche Neonazis in einem neuen Zentralregister erfassen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Datenschützer sind skeptisch. Die Innen- und Justizminister von Bund und Ländern wollen sich am kommenden Freitag bei einer Sonderkonferenz in Berlin treffen. Dabei soll es auch um die Einrichtung einer sogenannten Verbunddatei gehen - um den Informationsaustausch zwischen den ermittelnden Behörden zu verbessern.

Die aktuellen Ermittlungen waren ins Rollen gekommen, als in der vergangenen Woche in Eisenach zwei Mitglieder der Terrorzelle - Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos - tot aufgefunden wurden. Die dritte Terrorverdächtige Beate Zschäpe sitzt in Untersuchungshaft, ein mutmaßlicher Helfer wurde in Hannover festgenommen. Der Gruppe wird zur Last gelegt, hinter der bundesweiten Mordserie an neun Kleinunternehmern ausländischer Herkunft zu stehen und eine Heilbronner Polizistin erschossen zu haben. Die inhaftierte Zschäpe lebte nach einem Medienbericht seit 1999 unbehelligt in Zwickau. Sie habe über eine Heirat einen anderen Namen angenommen, berichtet der "Stern". Einer Freundin gegenüber habe sie in Zwickau nie rechtsextreme Ansichten durchschimmern lassen.

Die Bundesanwaltschaft hat nach eigenen Angaben bislang keine Hinweise darauf, dass die drei mutmaßlichen NSU-Terroristen Verbindungen zum Thüringer Verfassungsschutz hatten. Der amtierende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum sagte der Zeitung "Badische Neueste Nachrichten", "uns liegen keine Anhaltspunkte vor, die diese Behauptung stützten könnten". Zudem werde weiterhin untersucht, ob dem Trio noch andere Taten zur Last gelegt werden müssten, darunter das Attentat auf den damaligen Passauer Polizeichef Alois Mannichl. Er war im Dezember 2008 in seiner Wohnung niedergestochen worden.

Autor: Herbert Peckmann (dpa, afp, rtr, dapd)

Redaktion: Dirk Eckert