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Sauberes Wasser für Asien

Priya Esselborn23. Februar 2013

Asien ist eine Region mit eindrucksvoller Entwicklung. Doch mit dem schnellen Wachstum in vielen Ländern Asiens sind manche Gefahren verknüpft, warnt Rajat Nag, Direktor der Asiatischen Entwicklungsbank.

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Rajat Nag (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Punit Paranjpe/AFP/Getty Images

Schon lange prophezeien Experten, dass das 21. Jahrhundert Asiens gehören wird. Neben der etablierten Wirtschaftsmacht Japan entwickeln sich vor allem China und Indien, die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt, zu Motoren des Wirtschaftsbooms in der Region. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) unterstützt seit 1966 die Länder Asiens bei der Verbesserung der Lebensbedingungen für ihre Bevölkerung durch nachhaltiges Wachstum und die Reduzierung der Armut.

DW: Nachhaltiges Wachstum ist eine große Herausforderung für viele Staaten Asiens. China ist ein gutes Beispiel. Viele Menschen befürchten dort, dass das Wachstum regelrecht aufgefressen wird durch die fortschreitende Umweltbelastung. Wie können Wachstum und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen?

Rajat Nag: Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass Wachstum nur dann Sinn macht, wenn es nicht nur für einige Wenige bestimmt ist. Die Ungleichheit nimmt in ganz Asien zu. Das heißt, man muss darüber nachdenken, wie all die Menschen, die sozusagen ganz unten in der Pyramide stehen, nicht nur einbezogen werden, sondern auch am Wachstum mitwirken können. Dafür müssen sie gut ausgebildet werden. Sie müssen gesund sein. Ganz wichtig ist, dass auch die Frauen in diesen Prozess einbezogen werden. Es macht doch überhaupt keinen Sinn, die Hälfte der Arbeitskräfte außen vor zu lassen. Die Institutionen in einem Land müssen voll funktionieren. Denn nur ein rechtsstaatlich organisiertes Land kann Investitionen aus dem In- und Ausland generieren. Asien wird zukünftig eine enorme Menge an Energie benötigen. Die ganze Region muss deshalb darüber nachdenken, wie erneuerbare Energien genutzt werden können, zum Beispiel die Wind- und Solarenergie, und wie die Effektivität bestehender Energiequellen genutzt werden kann. Wir müssen die Umwelt schützen und nicht sagen: "Lasst uns jetzt wachsen, sauber machen wir später!"

Symbol für Ungleichheit: Chinesische Wanderarbeiter auf dem Fahrrad neben einem neuen Auto (Foto: dpa)
"Wachstum muss alle Bevölkerungsgruppen einschließen, Arme ebenso wie Reiche"Bild: picture-alliance/ dpa

Die Ungleichheit und die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich ist eine große Last für viele Länder Asiens. Indien wird hierbei gerne als Beispiel genannt. Mit welchen Maßnahmen könnte dieses Problem angegangen werden?

Das Rezept für Wachstum, das alle Bevölkerungsgruppen einschließt, besteht aus drei Komponenten. Die erste Säule ist das Wachstum selbst, das durch eine gute Investitionsumgebung und eine optimal angelegte Infrastruktur entsteht. Die zweite Säule ist der Zugang zu den Möglichkeiten, die dieses Wachstum ermöglicht. In Indien zum Beispiel geht es den hervorragend ausgebildeten Experten, wie zum Beispiel den IT-Spezialisten, sehr gut. Doch was ist mit denen, die keinen Abschluss haben? Bildung muss oberste Priorität genießen. Nicht nur die Schulbildung, auch die handwerkliche Ausbildung. Die dritte Säule ist der soziale Schutz. Denn trotz aller Anstrengungen wird es in jeder Gesellschaft Menschen geben, die durch das Raster fallen. Diese Menschen müssen abgesichert werden, durch Renten, Beihilfen und andere Arten sozialer Sicherungssysteme.

Die indische Regierung hat sich nun dieses Problems angenommen. Es gibt in dörflichen Regionen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Mit einem groß angelegten Programm, alle Menschen in Indien zu erfassen und mit Ausweisen auszustatten, können auch Beihilfen besser ausgezahlt werden. Damit können Schlupflöcher im System langsam abgebaut werden. Korruption ist sicher ein gravierendes sozio-ökonomisches Problem fast überall. Und Gesetze reichen da nicht, wenn sie nicht auch implementiert werden.

Bildung ist sicherlich der Schlüssel für die Zukunft. Doch haben wir es mit zwei unterschiedlichen Szenarien in Asien zu tun. Wir haben einerseits überalterte oder sehr schnell alternde Gesellschaften, wie in Japan und China, und andererseits Länder mit einer sehr jungen Bevölkerung, wie zum Beispiel in Indien. Welche Herausforderungen bringt dies mit sich?

Asien als Ganzes ist ein sehr "junger" Kontinent. In Indien liegt das Durchschnittsalter bei etwa 25 Jahren. China befindet sich in einem Alterungsprozess, der aber erst in einigen Jahren zum Tragen kommt. In einem Land wie Indien mit seiner jungen Bevölkerung müssen wir garantieren, dass die demographische Dividende nicht zu einem demographischen Fluch wird. Das passiert, wenn die Jugend nicht gut ausgebildet wird. Die Qualität der Bildung ist extrem wichtig. Es geht nicht um Quantität, also zum Beispiel darum, Millionen von Ingenieuren auszubilden. Sie müssen auch die Qualifikationen mitbringen, die der Markt braucht. Länder mit alternden Bevölkerungen müssen über Maßnahmen nachdenken, junge Fachkräfte in ihre Länder zu bringen. Arbeitskräfte müssen mobil sein, wobei Immigration natürlich ein sehr sensibles Thema ist.

"You can't beat women" steht auf einem Plakat, das ein Mann in Indien hochhält (Foto: Reuters)
Menschen in Indien engagieren sich für eine Kampagne, die zum Ende von Gewalt gegen Frauen aufruftBild: Reuters

Viele Gesellschaften Asiens gelten als eher konservativ orientiert. Die Diskussion um die Gleichberechtigung von Frauen hat in Indien nach der Massenvergewaltigung einer jungen Studentin eine neue Dimension erreicht. Wie können Frauen besser in gesellschaftliche Prozesse einbezogen werden?

Die ganze Gender-Debatte ist vor allem eine Debatte um die richtige Geisteshaltung, um die Kultur. Heutzutage sollten wir gar nicht mehr über die Gleichheit der Geschlechter diskutieren müssen, es sollte Standard sein. Doch das ist es leider nicht. Bildung ist wichtig, ist aber nicht alles. Schon in den Familien muss über Genderfragen diskutiert werden. Regierungen dürfen nicht tolerieren, dass Frauen diskriminiert werden. Es gibt in vielen Ländern Asiens sehr progressive Gesetze. In Indien zum Beispiel gibt es Programme, um Frauen besser auszubilden. Sie können zum Beispiel einfacher Geld anlegen. Das ist alles richtig, doch es geht hauptsächlich um einen gesellschaftlichen Diskurs, eine Massenbewegung. Was mich erleichtert hat war, dass nach dem schrecklichen Fall in Indien zwar eine Reihe völlig inakzeptabler Kommentare gefallen sind. Aber das Gros der Gesellschaft hat dagegen gehalten. Es ist also nicht nur eine Frage, wie Regierungen mit dem Thema umgehen. Wichtig ist auch, wie Individuen damit umgehen. Nur dann können Gesellschaften vorankommen.

Indien und China gelten als kommende Supermächte mit einem eindrucksvollen Wirtschaftswachstum, auch wenn es sich etwas verlangsamt hat. Europa kämpft gegen die Rezession. Inwieweit können China oder auch Indien Europa aus der Krise helfen?

China und Indien als aufstrebende Wirtschaftsmächte generieren sehr viel Wachstum in ganz Asien. Und wenn Asien wächst, dann ist das gut für die ganze Welt. Ich glaube nicht, dass China Europa allein retten kann. Aber in einem größeren Kontext profitiert eine Region wie Europa natürlich davon, dass es China und Asien gut geht. Genauso umgekehrt. Wir sind in einer globalisierten Welt alle voneinander abhängig. Die Eurokrise hat auch Asien getroffen. Nach unseren Schätzungen ist es so, dass jedes Prozent weniger Wirtschaftswachstum in Europa zu 0,4 Prozent weniger Wirtschaftswachstum in China und in den ASEAN-Staaten führt aufgrund der engen Handelsverbindungen. China und Indien können Europa nicht retten, aber unterstützend wirken.

Der Inder Rajat Nag ist seit 2006 geschäftsführender Direktor der Asiatischen Entwicklungsbank (Asia Development Bank) mit Sitz in der philippinischen Hauptstadt Manila.