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Asamoah: Eine Mauer kann keine Ideologie aufhalten

Eunice Wanjiru/ ps17. April 2015

Kenia trifft Vorbereitungen für eine Mauer entlang der somalischen Grenze. So will es sich vor immer neuen Terroranschlägen schützen. Ein Zeichen von Ratlosigkeit, sagt Sicherheitsexperte Andrews Asamoah im DW-Interview.

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Andrews Atta-Asamoah Foto: privat
Andrews Asamoah, Sicherheitsexperte am südafrikanischen Institute for Security Studies (ISS)Bild: privat

DW: Kenia hat in dieser Woche begonnen, einen Graben auszuheben, um eine Mauer entlang der rund 700 Kilometer langen Grenze zu Somalia zu bauen. So will das Land die Gefahr vor Terroranschlägen wie dem in Garissa Anfang April 2015 verringern. Kann Kenia der Unsicherheit und der Terrorismusbedrohung so Herr werden?

Andrews Asamoah: Die Mauer wird kein Allheilmittel für das kenianische Sicherheitsproblem sein. Denn das hat ja zwei Ursprünge: die Al-Shabaab-Miliz in Somalia und Kenias eigene Quellen der Unsicherheit. Die Grenzen zwischen beiden Unruheherden sind fließend. Und wenn die Al-Shabaab-Terroristen entschlossen sind, einen Weg nach Kenia zu finden, wird keine Mauer sie aufhalten. Gerade der Trend der Miliz, in Kenia Rekruten zu werben, ist Grund zur Sorge. Bei dem Anschlag auf die Universität in Garissa hat sich erneut gezeigt, dass viele der Attentäter Kenianer sind. Können wir ihnen durch eine Mauer den Zugang zu einer Ideologie verbauen? Ich glaube nicht, dass Al-Shabaab in Kenia sein muss, um seinen Anhängern dort Anweisungen per Telefon und Internet zu geben. Sie werden sie weiter fernsteuern können. Die Mauer ist nur ein Zeichen der Ratlosigkeit Kenias. Um die Terrorgefahr in den Griff zu bekommen, muss Kenia sich mit Somalia zusammentun. Und sie muss die Somalis im eigenen Land als Verbündete erkennen und nicht als bloße Gruppe von Verdächtigen.

Die Vereinten Nationen (UN) kritisieren das Vorhaben. Der Mauerbau werde enorme Auswirkungen haben auf die humanitäre Situation und sei ein Bruch mit internationalem Recht. Was sagen Sie zu diesem Standpunkt?

In all den Jahren, die Somalia keine funktionierende Regierung hat, war Kenia ein wichtiges Zielland für Flüchtlinge, die der Unsicherheit in ihrem Heimatland entkommen wollten. Wenn das Land nun eine Mauer baut, bedeutet das auch, dass es dieser Rolle als sicherer Hafen nicht mehr gerecht wird. Was die UN in diesem Zusammenhang besonders besorgt, ist Kenias Forderung, Dadaab und andere Flüchtlingslager nach Somalia zu verlegen. Das wird auch rechtliche Konsequenzen haben: Vor allem, dass die Flüchtlinge dann keine Flüchtlinge mehr sein werden, sondern Binnenflüchtlinge (IDPs). Eine ganze Reihe von Gesetzen und humanitären Maßnahmen, die für Flüchtlinge gelten, werden dann nicht mehr anwendbar sein. Die große Frage ist, ob Kenia weiter ein wichtiger Partner sein kann, wenn es darum geht, Frauen und Kindern zu helfen, die vor den Kriegswirren fliehen.

Studenten der Garissa-Universität trauern um ihre getöteten Kommilitonen Foto: EPA/DAI KUROKAWA
Studenten der Garissa-Universität trauern um ihre getöteten KommilitonenBild: Getty Images/D. Kurokawa

Wie viel könnte das Projekt die Regierung kosten?

Die Kosten lassen sich zu diesem Zeitpunkt kaum einschätzen. Es ist noch völlig offen, ob die Mauer sich über die ganze Länge der kenianisch-somalischen Grenze erstrecken soll - oder ob es sich am Ende nur um strategische Abschnitte handeln wird, an denen sich viele illegale Aktivitäten abspielen. Außerdem bleibt zu klären, wie weit das Projekt über die eigentliche Mauer hinausgehen soll. Wird es Überwachungskameras geben, wie es die Regierung behauptet? Wie hoch wird die Mauer sein? Bisher gibt es keine klare Information, wie viel sich Kenia das Projekt kosten lassen will. Fest steht nur, dass es um große Summen gehen wird.

Hat Kenia überhaupt die nötigen Ressourcen, um das Projekt umzusetzen?

Eine Mauer zu bauen, wäre für Kenia bezahlbar. Außerdem ist das Land entschlossen, gegen die Unsicherheit in der Grenzregion vorzugehen. Das allein sagt aber noch nichts darüber aus, ob die Ziele, die die Regierung mit dem Mauerbau verfolgt, erreicht werden können. Fest steht: Kenia hat ein riesiges Sicherheitsproblem, das sich auch auf die wirtschaftliche Lage auswirkt. Deswegen ist es dem Land ein großes Anliegen, immer mehr Mittel für die Sicherheit aufzubringen. Bisher ist auch unklar, ob sich etwa die Entwicklungspartner des Landes einbringen werden.

Wie lange wird es dauern, die Mauer fertigzustellen?

Wir wissen bisher nur vom Entschluss der Regierung. Wir wissen aber nicht, wie viele Unternehmen beauftragt werden, oder wie viel in Infrastruktur zur Unterstützung des Projekts investiert werden soll. Vermutlich wird es sich über Jahre hinziehen.

Der Cartoonist Victor Ndula veröffentlichte in der kenianischen Tageszeitung "The Star" ein Bild einer halbfertigen Mauer, in die ein Loch geschlagen wurde, auf dem 'Korruption' steht. Was symbolisiert er damit?

Er weist auf einen wichtigen Aspekt hin. Korruption ist ein ernsthaftes Problem in Kenia. Wenn die Mauer einmal steht, aber weiter Korruption herrscht, dann wird die ganze Mauer sich als kontraproduktiv erweisen. Korruption ist einer der wichtigsten Faktoren, die dazu geführt haben, dass die Grenzregion heute so unsicher ist. Daran wird sich auch nichts ändern, solange die Fehler im kenianischen System - die Bestechlichkeit von Grenzbeamten und schließlich auch die Marginalisierung der Bewohner von Kenias Grenzregionen - nicht angegangen werden. Es ist nicht die Stärke von Al-Shabaab, die es ihnen möglich macht, Kenia zu treffen. Vielmehr nutzt Al-Shabaab die Schwächen Kenias aus. Die Mauer wird nur ein Bauwerk sein, solange Al-Shabaab Wege findet, mit den vielen Unzufriedenen auf der kenianischen Seite zu kommunizieren.

Andrews Asamoah ist Experte für Sicherheitsfragen am südafrikanischen Institute for Security Studies (ISS).

Das Interview führte Eunice Wanjiru.