Art Week: Berlin - Weltmetropole der Kunst?
Die Berlin Art Week (16.-21.9.2014) will - so heißt es auf der Webseite - das "Pulsieren der Stadt als Ort nationaler und internationaler Kunstproduktion widerspiegeln". Ob ihr das gelingt, zeigt unsere Bildergalerie.
Achtung: Kunst!
Berlin startet in den Kunstherbst. Und plakatiert unübersehbar seinen Anspruch als Weltmetropole der Kunst. Wer den ganzen Rummel für ein Insider-Phänomen hält, irrt. "Der Kunstbetrieb steht an der Spitze der Kulturhierarchie", sagt die einflussreiche Kunsttheoretikerin Isabelle Graw. Die Erwartungen an die Berlin Art Week sind also hoch. Hält die Kunst, was sie verspricht?
Video kills the Malerstar
Video bleibt das Leitmedium der jungen Kunst. Pinsel, Öl und Leinwand wirken auf die Generation der heute 30jährigen wie Relikte aus der Steinzeit. Auch Kate Cooper, Kunstpreisträgerin der Schering-Stiftung 2014, experimentiert lieber digital. Ihre Themen: Sogwirkung von Bildern, Magie der Avatare, Körper als Ware. Eine perfekt inszenierte Schau. Aber haben wir das alles nicht schon gesehen?
Der Staub und die Bilder
Ein unerwartet frischer Blick auf tragende Säulen der deutschen Gesellschaft: Luca Vitone (links im Bild) malt Aquarelle. Die monochromen Gemälde im Hintergrund hat er mit original Staub und Schmutz aus Bundesbank, Bundestag und Bundesgerichtshof hergestellt. Rechts im Bild: Kurator Marius Babias vom Neuen Berliner Kunstverein.
Geisterhaus
Angeregte Besucher der Schau des Videokünstlers Ryan Trecartin. Unsichtbar: das Wummern einer 30-Kanal-Surround-Soundkulisse, die als "räumliche Skulptur" verstanden werden soll. Der 1981 geborene Künstler aus den USA wird als Star einer neuen Generation von Medienkünstlern gefeiert. Seine neue Arbeit für Berlin bezeichnet er als "Geisterhaus". Der Besucher verlässt es euphorisiert. Oder entnervt.
Brief aus der Vergangenheit
In einem kleinen Projektraum in Kreuzberg stellt sich Juan Pedro Fabra Gambarena seinem Kindheitstrauma: auf Packpapier schrieb ihm seine Mutter 1973 diesen Brief in Form eines Kinderbuchs - aus dem Gefängnis, in das die Militärdiktatur die Kämpferin der Tupamaros-Guerillabewegung gesperrt hatte. Der intimste und berührendste Ort in diesem Berliner Kunstherbst, zu sehen bei Kinderhook & Caracas.
Messeleuchter
Kein Kunstherbst ohne Messe. Künstler und Galeristen müssen schließlich ihre Miete verdienen - wie andere Menschen auch. Die art berlin contemporary (abc) hofft auf Besucher, die nicht nur herumflanieren, sondern richtig shoppen. Wer sich Kristof Kinteras Kronleuchter aus Straßenlampen über den Esstisch hängen kann, der dürfte kaum nach dem Preisschild suchen.
Ein Toast auf die Kunst
In der Imbissbude serviert John Bock Toast Hawaii - stilecht mit Schinken, Schmelzkäse und Ananas. Warum er das Gericht aus den - nicht nur kulinarisch - muffigen 50er Jahren für die Kunstmesse als Streetfood wiederbelebt, bleibt ein Rätsel. Nach einer Botschaft oder tieferem Sinn zu suchen, erübrigt sich bei John Bock. Der Aktionskünstler ist Anarchist, Dadaist und Experte für gehobenen Quatsch.
Traditionspflege
Ein seltsames Zottelwesen sitzt in der Ecke und zerschlägt schweigend Glas. Was komplett sinnfrei wirkt, hat einen überraschend realen Hintergrund: die rumänischstämmige Künstlerin Anca Munteanu Rimnic erinnert damit an die Glasfabriken ihrer Heimat. Launische Traditionspflege, für die sich auf der Messe zwar Zuschauer - aber nicht so leicht Käufer finden dürften.
Rehbergers Tapete
Es gibt auf dieser Messe auch Kunst, die man sich an die Wand hängen kann: Tobias Rehbergers Installation funktioniert sogar als monumentale Wandtapete. Die Frage "Ist das noch Kunst" irritiert den erfolgreichen Bildhauer nicht. Ihn interessieren die Grenzregionen zwischen Kunst und Produktdesign: So ließ er zum Beispiel in Afrika Bauhausmöbel und in Thailand einen Porsche nachbauen.
Peepshow der Kunst
Heißes Gesprächsthema in diesem Kunstherbst sind die "Off-Spaces" - kleine Projekträume, in denen Künstler mit geringsten Mitteln und ohne Verkaufsdruck experimentieren können. "Ozean" ist so ein Ort: Auf dem Gelände einer alten Kaserne bekam diese alte Garage eine Holzwand verpasst. Die Besucher betrachten die Kunst durch kleine Löcher, wie bei Guckkästen auf Jahrmärkten des 19. Jahrhunderts.
Solo im Guckloch
So sieht er aus, der Blick durchs Guckloch auf eines von 22 Kunstwerken, die das Projekt "Ozean" in seiner aktuellen Gruppenschau "Solos III" zeigt. Eine Arbeit der Künstlerin Donya Saed: geboren in Teheran, aufgewachsen in den Niederlanden, lebt und arbeitet in Berlin. Für Künstler, die von keiner etablierten Galerie vertreten werden, sind Off-Spaces eine Chance für den ersten Auftritt.
Spätsommernacht
In Berlin wird die Kunst gefeiert statt verkauft, spotten Branchenexperten. Doch Berlins Sogkraft für Künstler aus der ganzen Welt ist ungebrochen: Hier wird gelebt, produziert, ausgestellt, experimentiert und genetzwerkt. Zur Eröffnung der Art Week stürmten die Besucher die Akademie der Künste. Statt VIP-Lounge gab es freien Eintritt, Schlangestehen und Diskopunk unter freiem Spätsommerhimmel.