1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die unbekannten Europäer

Grit Friedrich8. September 2009

Sie leben in Nordgriechenland, Südalbanien, in der Republik Mazedonien und Rumänien. Doch das Volk der Aromunen kennen nur wenige Europäer - obwohl auf dem Balkan rund eine Million leben.

https://p.dw.com/p/JFmI
Eine Frau und ein Mann in Trachten (Foto: Grit Friedrich)
Die Aromunen wollen ihre Identität bewahrenBild: Aromunischer Kulturtage Bukarest

Es ist Samstagabend. Im Klubraum des Aromunischen Kulturvereins im rumänischen Bukarest liest eine junge Frau aromunische Legenden. Doch es geht nicht nur um Unterhaltung, sondern auch um Bildung. "Wir treffen uns einmal in der Woche zu einer Aromunisch-Stunde", sagt Alexandru Ghica, der den Sprachkurs leitet. "Ich bin vielleicht nicht genau die richtige Person um Unterricht in Aromunisch zu geben, denn ich habe keine sprachwissenschaftliche Ausbildung. Aber wenn ich es nicht mache, dann macht es niemand."

Privater Aromunischunterricht

Das Volk, das Aromunisch spricht, hat viele Namen: Vlachen, Rameri oder Zinzari werden die Menschen genannt, die bis heute ihre archaische Sprache sprechen, die aus dem Vulgärlatein und lokalen Sprachen entstanden ist. Für die Aromunen ist es schwierig, ihre Identität zu bewahren: Außer in der Republik Mazedonien gibt es in keinem Balkanstatt offiziellen Unterricht in dieser alten Sprache.

Menschen singen gemeinsam an einem Tisch (Foto: Grit Friedrich)
In Ciamurila in Rumänien wird beim Essen gesungen - auf AromunischBild: Grit Friedrich

Alexandru Ghica bringt seiner Tochter Aromunisch zuhause bei. "Wir müssen irgendwann im Stande sein, eine private Schule in jeder aromunischen Gemeinde aufzubauen. Dort soll es außerhalb des offiziellen Schulbetriebs kostenlosen Aromunisch-Unterricht geben. Das könnte Erfolge haben", hofft er. Der Mathematiker Alexandru Ghica oder der Geschäftsmann Ion Nicolae aus Bukarest gehören zu den Pionieren der aromunischen Renaissance in Rumänien. Sie stehen in regem Austausch mit Aromunen aus anderen Balkanländern.

Chance auf einen Neuanfang

Jedes Jahr Ende August gibt es in der rumänischen Hafenstadt Constanza ein Festival der aromunischen Kultur. Auch Ion Nicolae ist da oft dabei. "Vor 1989 konnte man unter keinen Umständen an so etwas denken. Vielleicht profitieren wir von dieser Freiheit und finden unsere Identität wieder", sagt er.

Landschaftsbild (Foto: picture-alliance)
In der Region Dobrudscha im Südosten Rumäniens leben viele AromunenBild: picture-alliance/ ZB

Die Aromunen seien ein vergessenes Volk gewesen: 50 Jahre lang habe der Kalte Krieg die Frage nach ihrer Identität überdeckt. "Doch jetzt entdecken wir uns in diesem neuen europäischen Kontext neu." In Ion Nicolaes Familie trägt die Rückbesinnung auf das aromunische Erbe Früchte: Seine halbwüchsige Tochter spricht fließend aromunisch.

In Rumänien leben heute mehr als 8000 Aromunen. Sie wollen als nationale Minderheit anerkannt werden. "Wir haben versucht, Wege zu finden, wie wir unsere Muttersprache studieren können, wie wir Publikationen herausgeben oder Radio oder Fernsehsendungen haben können. Bei all diesen Versuchen haben wir gemerkt, dass man nur an die nationalen und regionalen Fonds kommt, wenn man einen geklärten Status hat. Als Mehrheit oder Minderheit", erklärt der Parlamentarier Costica Canacheu.

Menschen kommen aus einer Kirche (Foto: Aromunischer Kulturverein Bukarest)
Gottesdienst auf AromunischBild: Grit Friedrich

Doch bisher wurden die Aromunen nur in der Republik Mazedonien als nationale Minderheit anerkannt. In Rumänien kämpft der Kulturverein weiter für dieses Ziel.